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DSA: Rabenerbe. Heike WolfЧитать онлайн книгу.

DSA: Rabenerbe - Heike Wolf


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der Großartige ihn huldvoll zu sich winkte, vielleicht einen Diwan und ein halbes Dutzend halbnackter Sklaven und zahmer Geparden, vielleicht einen Kreis erlauchter Persönlichkeiten, zu dem ihm Goldo großzügig Zugang gestattete. Stattdessen war der Pavillon von fast schon erschreckender Schlichtheit. Ein einzelner Tisch mit einer Karaffe gekühlten Limonenwassers stand dort, ein seidenbezogener Hocker und ein Ständer mit verschiedenen Jagdwaffen.

      Sein Großonkel stand in der Mitte des Pavillons und hielt die Arme ausgebreitet, während zwei Sklaven um ihn herumhuschten und eine lederne Weste mit passender Schärpe zurechtzupften. Goldo Paligan war eine hochgewachsene, massige Gestalt, ohne dabei übermäßig fett zu wirken. Das blonde Haar war an den Schläfen ebenso ergraut wie der feingestutzte Bart, der ein ehemals markantes, nun vom Alter und gutem Leben gezeichnetes Gesicht umrahmte. Als junger Mann musste Goldo einmal gut ausgesehen haben, doch Satinav, der unerbittliche Herr der Zeit, forderte seinen Tribut. Auch, wenn Esmeraldo wusste, dass der Großartige bereits das siebte Lebensjahrzehnt erreicht hatte, war er einen Herzschlag lang überrascht, wie sehr Goldo in den vergangenen Jahren gealtert war. Doch dann drehte sich der Grande zu ihm um, und als sein Blick ihn traf, erkannte Esmeraldo, dass der Verfall allenfalls die vergängliche Hülle betraf. Klar und aufmerksam sahen ihm die wasserblauen Augen entgegen und maßen ihn mit interessiertem Blick.

      »Esmeraldo.« Goldos Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. »Wir hatten fast nicht mehr mit Euch gerechnet.«

      »Don Goldo.« Esmeraldo neigte den Kopf, nicht zu tief, aber ausreichend, um Respekt anzudeuten. »Verzeiht die Verzögerung, aber ich erwartete Euch eigentlich in Al’Anfa. Hätte ich gewusst, dass Ihr mich hier empfangt, hätte ich sicher ein Pferd bereitstellen lassen.«

      »Ihr seid früh genug.« Goldo winkte ab und hob einen Arm, damit der Sklave die Schärpe zurechtrücken konnte. »Die Überfahrt verlief zu Eurer Zufriedenheit?«

      »Gewiss. Die Paligana Septima ist ein gutes Schiff, die Capitana fähig, und ich hatte angenehme Gesellschaft. Die ich inzwischen jedoch vermisse.«

      »Die kleine Khaya.« Goldo lächelte milde. »Sie gefällt Euch?«

      »Durchaus. Ich bin allerdings etwas verwundert, dass Eure Leute angewiesen wurden, sie ...«

      Goldo unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Ihr werdet sie wiedersehen. Außerdem vergeht Ihr wahrscheinlich vor Ungeduld zu erfahren, weshalb Wir Euch von Euren ohne Zweifel wichtigen Aufgaben in Sylla losreißen und hierherkommen ließen.«

      Sein Großonkel kam ungewöhnlich schnell zur Sache. Esmeraldo runzelte die Stirn, während er sich noch fragte, welche Finte nun wieder dahinterstecken mochte. Eigentlich hatte er erwartet, zu einer netten Plauderei bei einem Glas Wein geladen zu werden, bei dem man zunächst die üblichen Belanglosigkeiten austauschte, ehe man langsam zu den interessanten Themen kam. Offensichtlich gedachte Goldo das übliche Vorgehen zu beschleunigen.

      »Wir sehen, die Frage beschäftigt Euch bereits.« Goldo schmunzelte und nahm dem Sklaven einen silbernen Dolch ab, um ihn sich unter die Schärpe zu schieben. »Ihr sollt eine Antwort erhalten. Man sagte Uns, Ihr seid ein guter Jäger. Jemand, der eine Beute nicht wieder loslässt, wenn er sie einmal gepackt hat. Allerdings sind Wir bei solchen Geschichten nie sicher, ob es sich nicht um die klassische Übertreibung willfähriger Sklaven handelt oder ob ihnen tatsächlich mehr als ein Funken Wahrheit innewohnt. Wir wollen es herausfinden! Ihr begleitet Uns doch sicher zur Jagd?«

      »Zur Jagd?« Esmeraldo blinzelte einen Moment lang irritiert. Doch dann verstand er. »Es ist mir ein Vergnügen, Don Goldo«, antwortete er mit fester Stimme. »Verratet Ihr mir, was wir jagen werden? Es wird in Kürze dunkel.«

      »Unsere mohische Amme erzählte immer, die Nacht sei die beste Zeit für große Jäger.« Goldo scheuchte die Sklaven mit einer Handbewegung fort und trat an den Waffenständer heran, um eine der Armbrüste herauszunehmen. »Lassen wir uns überraschen, ob sie Recht hat. Nehmt das hier und macht Euch damit vertraut.« Er drückte Esmeraldo die Waffe in die Hand. »Wir erwarten schließlich einen sicheren Schuss.«

      Esmeraldos Finger schlossen sich um das glatte Holz der Armbrust. Es war eine hervorragend gearbeitete Waffe, etwas schwer, aber handhabbar, wenn er sie etwas abstützte. Er fuhr probeweise die Vertiefung entlang, die den Bolzen führte. Keine Unebenheit, nichts, was den Flug ablenken würde. »Ich neige nicht dazu, meine Beute davonkommen zu lassen. Dennoch bin ich gespannt zu erfahren, was das Ziel dieser Jagd sein wird. Wünscht Ihr ein neues Tigerfell für Euer Schlafgemach?«

      »Firun bewahre! Solche Felle haben meist nur unschöne Löcher. Nein, eine Beute sollte selbstverständlich lohnenswert sein.« Goldo trat an das Tischchen, um sich ein Glas Wasser einzuschenken. Dann griff er nach einem Kästchen, das neben der Karaffe stand, und zog eine Kette mit einem Rubinanhänger hervor. Langsam ließ er ihn zwischen den Fingern baumeln. Das Licht der tiefstehenden Sonne fing sich in dem Stein, sodass es schien, als glühe er von innen heraus in einem warmen Feuer.

      »Ein hübsches Stück, nicht wahr?« Goldo betrachtete es einen Moment lang versonnen. »Ein Erbstück, angeblich zurückreichend bis in die Zeit, da Unsere Familie noch die Vizekönige von Meridiana stellte. Vergangenheit und Zukunft, königliche Macht und das, was davon übriggeblieben ist .... Eine angemessene Beute, wenn man so will. Unsere Wildhüter werden es in Verwahrung nehmen.«

      »Die Jagd gilt einem Schmuckstück?«

      »Nun, das wäre doch etwas langweilig.« Goldo ließ das Amulett in die Handfläche hochschnellen und schloss die Finger darum. »Schmuckstücke an sich pflegen sich nicht zur Wehr zu setzen, und die Gegenwehr ist es letztendlich doch, die eine Jagd interessant macht. Sonst könnte man ebenso gut auf ausgestopfte Papageien schießen. Nein, wir reden tatsächlich von Tigern. Erfreulicherweise halten Unsere Wildhüter einige dieser Bestien bereit. Damit haben wir eine lohnenswerte Beute und einen ebenbürtigen Gegner. Von Euch erwarten wir selbstverständlich ein beeindruckendes Schauspiel. Meint Ihr, dass Ihr dem gewachsen seid?«

      Esmeraldo nickte langsam. Es war ein Spiel, das Goldo mit ihm spielte, aber er mochte den Einsatz. »Ich bin bereit. Wann werden wir aufbrechen?«

      Goldo lächelte sacht. »Augenblicklich.«

      Es war alles vorbereitet. Ein gutes Dutzend Treiber mit Klappern und Spießen stand bereit, dazu drei Jagdhelfer mit Zornbrechter Bluthunden. Die Tiere warfen sich in ihre Ketten, bellten aufgeregt, aber Esmeraldo wusste, dass sie bei einer Tigerjagd nur von der Leine gelassen wurden, wenn Gefahr für den Jäger drohte. Ein Tiger war ein majestätisches Wesen, das man nicht zerfleischen ließ wie ein beliebiges Stück Wild, sondern im Moment des Triumphs mit einem gut gezielten Schuss zur Strecke brachte.

      Zu diesem Zweck stand auch ein Jagdelefant bereit, auf dessen Rücken eine geräumige Gondel für den Hausherrn und seinen Gast angebracht war. Zweifellos machte diese Art der Jagd den Kampf einseitiger, aber letztendlich waren solche Zweikämpfe ohnehin nur symbolischer Natur. Niemand, der klar bei Verstand war, trat zu Fuß einem gereizten Tiger entgegen, und das wusste auch ein Goldo Paligan.

      Fackeln erhellten die Kulisse des nächtlichen Dschungels, als sie die Plantage schließlich verließen. Die Rufe der Treiber hallten zwischen Farnen und düsteren Urwaldriesen, gefolgt von den schweren Schritten des Elefanten, der sich langsam einen Weg durch das Unterholz bahnte. Schatten huschten umher, verschwanden im Dunkel, ehe man sie fassen konnte, dort das Keckern eines Affen, hier ein schriller Schrei, der von einem Vogel oder vielleicht auch von einem Menschen rühren konnte.

      Auch Esmeraldo fühlte sich von einer seltsamen Unruhe erfasst. Aufmerksam glitten seine Augen über das Dickicht, dessen Dunkel nahezu alles verborgen halten mochte. Schon bei Tag war eine Tigerjagd nicht ungefährlich. Bei Nacht war sie unberechenbar. Dennoch verspürte er keine Angst, allenfalls gespannte Erwartung.

      »Die Tigerjagd ist ein Vergnügen, für das man viel zu selten Gelegenheit hat«, drang Goldos Stimme zu ihm heran. »Dabei verrät sie uns so viel, über die Beute wie über den Jäger.« Gelassen ruhte der Großartige auf seinem Thron aus Seidenkissen, während er das Schaukeln des Elefanten scheinbar gleichmütig hinnahm. Seine Hand lag auf dem Knauf seines Spazierstocks, den er gelangweilt hin und her bewegte, als spüre er die wachsende


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