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Hypnodrama in der Praxis. Ruth MettenЧитать онлайн книгу.

Hypnodrama in der Praxis - Ruth Metten


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wie vorteilhaft es sein könnte, das Psychodrama mit der Hypnose zu kombinieren. 1948 kam er auf Moreno zu und präsentierte ihm seine Idee. Wie verdutzt wird er wohl gewesen sein, als er feststellen musste, dass dieser es bereits praktizierte. Denn Moreno soll seinen Geistesblitz ganz lässig mit den Worten kommentiert haben: »Oh ja, in der letzten Woche habe ich das gerade erst gemacht!«19

      Bereits 1939 sei er, wie Moreno später berichtet (vgl. Moreno 1950, p. 6), durch Zufall auf diese Möglichkeit gestoßen. Damals habe er eine junge Frau behandelt, die unter sexuellen Wahnvorstellungen und Albträum en litt. Jede Nacht sei sie vom Teufel aufgesucht worden, der mit ihr geschlafen habe. Sie sei zunächst nicht imstande gewesen, in psychodramatischen Kontakt mit dem Vorfall zu kommen. Nachdem Moreno zunächst auf sanfte Art versucht habe, sie dorthin zu bringen, sei er sehr befehlend – »directive« – geworden. Dies habe die Patientin unerwartet in hypnotische Trance versetzt. Trotzdem sei das Psychodrama von ihm fortgesetzt worden. Dabei habe die Hypnose offenbar wie ein Starter gewirkt. Denn nun sei es der Patientin möglich gewesen, zwei Zusammentreffen mit dem Teufel darzustellen: das der vergangenen Nacht und eines, wie sie es für die folgende Nacht erwartete. Moreno gab dieser eher zufällig von ihm entdeckten Synthese aus Psychodrama und Hypnose den Namen Hypnodrama (vgl. Moreno 1950, pp. 6, 8; vgl. Enneis 1950, p. 11). Unabhängig von ihm kam knapp ein Jahrzehnt später sein Schüler Enneis auf dieselbe Idee. Sowohl gemeinsam als auch jeder für sich wendeten beide nachfolgend das Hypnodrama viele Male an (vgl. Greenberg 1977a, p. 233). Zwei Jahre später veröffentlichtens ie ihre Erfahrungen in einem kleinen, 56 Seiten starken Band, der 1950 unter dem Titel Hypnodrama and Psychodrama erschien.

       1.3.1Psychodrama in Hypnose – geht das überhaupt?

      Aber muss man in einem Hypnodrama nicht in gewisser Weise wach und aktiv sein? Wäre es nicht auch wichtig, dabei die Augen offen zu halten? Denn blindlings auf der Bühne herumzustolpern, kann doch gewiss nicht Sinn und Zweck der Übung sein. Das stimmt. Und genauso verhält es sich auch. Die Teilnehmer des Hypnodramas agieren – trotz ihres hypnotischen Zustands – ebenso wie sonst im Psychodrama. So werden sie von Moreno beschrieben (vgl. Moreno 1950, p. 7). Das Gleiche berichtet auch Enneis. Im Hypnodrama könne der Patient frei agieren (vgl. Enneis 1950, p. 11) – allein und im Zusammenspiel mit den anderen (vgl. Enneis 1950, p. 15; vgl. Krojanker 1977a, p. 221; vgl. Supple 1977, p. 225).

      Also verhalten sich die Teilnehmer im Hypnodrama irgendwie ganz normal und sollen trotzdem in Hypnose sein? Widerspricht das nicht all dem, was wir unter Hypnose verstehen? Halten Hypnotisierte die Augen nicht geschlossen? Wirken sie von außen nicht beinahe regungslos, als würden sie schlafen? Und wenn sie sprechen, tun sie dies nicht eher schleppend und zögerlich, als geschehe es fast wie gegen einen Widerstand?

      In unserer Kultur werde unter Trance tatsächlich, so der Arzt, Psychotherapeut und Entwickler der hypnosystemischen Konzeption Gunther Schmidt, meist verstanden, dass sich jemand tief entspannt, kataleptisch – d. h. körperlich erstarrt – und mit geschlossenen Augen ganz nach innen gerichtet, wie schlafend erlebe (vgl. Schmidt 2014, S. 13). Doch wie weltweite anthropologische und ethnologische Studien zeigten, sei dieses seit ca. 250 Jahren speziell in Europa kultivierte Verständnis von Trance viel zu eng und zu einseitig (vgl. Schmidt 2014, S. 15).20 Seit mindestens 10.000 Jahren gelte die Arbeit mit Trance, wie Schmidt fortfährt, überall auf der Welt als wesentlicher Bestandteil praktisch jeder menschlichen Kultur. In Jäger-und-Sammler-Kulturen (die über die längsten Zeiträume der menschlichen Evolution die vorherrschenden Kulturen waren) würden z. B. kaum einmal Entspannungstrancen produziert, sondern solche mit viel Bewegung, sozialer Interaktion, mit optimaler körperlicher Spannung, Gesang und Tanz. Dies lasse sich schlicht damit erklären, dass Trance immer schon einfach nur Mittel zum Zweck für die sie Anwendenden gewesen sei und bestimmten Zielen – wie beispielweise der Heilung, religiösen Anlässen oder der Vorbereitung einer erfolgreichen Jagd – dienen sollte. Einfach nur ganz entspannt zu bleiben und die Aufmerksamkeit auf die eigene Innenwelt zu richten, habe man dabei sicher nicht immer gebrauchen können (vgl. Schmidt 2014, S. 15 f.).

      Unser seit 250 Jahren speziell in Europa kultiviertes Verständnis von Hypnose greift also zu kurz. Sie kann durchaus auch bedeuten, wach und aktiv zu sein. Ein Blick auf ihre vielfältige Anwendung in gegenwärtigen und vergangenen menschlichen Kult uren verrät, dass Hypnose außerhalb des wissenschaftlichen und therapeutischen Settings sogar eher selten als Entspannungstrance eingesetzt wurde und wird (vgl. Bányai a. Hilgard 1976, p. 218). Das aber war vielen, die die traditionelle Hypnose beforschten und anwendeten, bis vor ca. 50 Jahren gar nicht bewusst.

      So zeigte sich auch die Psychologin Éva Bányai, wie sie in einem Interview berichtet, das die European Society of Hypnosis (ESH) in der ersten Ausgabe ihres Newsletters im Jahr 2006 druckte (Ruysschaert 2006, S. 10–18), zunächst sehr überrascht, als sie bei einem ihrer Forschungsprojekte feststellte, dass von 24 Probanden in Hypnose nur 20 – wie erwartet – sehr entspannt, schläfrig und beinahe regungslos waren, während sich immerhin vier von ihnen in einem Zustand befanden, der nicht in dieses Bild passte. Eine Teilnehmerin aus dieser 4er-Gruppe habe ihr anschließend tatsächlich die Frage gestellt, warum ihr denn fortwährend erzählt worden sei, müde und schläfrig zu sein, während sie dies doch gar nicht gewesen sei, sondern sich im Gegenteil sehr fokussiert, geistig kristallklar und körperlich frei in ihren Bewegungen erlebt habe. Bányai habe sich das Verhalten der vier Probanden nicht erklären können. Die Interpretation ihres damaligen Professors, in ihnen einfach die Ausnahmen zu sehen, die die Regel bestätigten, habe sie nicht überzeugt. Für sie sei das Versuchsergebnis rätselhaft geblieben. Auf eigene Faust habe Bányai damit begonnen, in der Literatur zu recherchieren, um eine Erklärung zu finden – vergeblich. Doch das Problem sei ihr nicht aus dem Kopf gegangen. Im Winter 1971 habe sich seine Lösung dann ganz unerwartet vor ihr aufgetan. Damals sei sie im Kino gewesen, um sich einen Dokumentarfilm über den Vietnamkrieg anzuschauen. Sie habe von der Kamera eingefangene Nahaufnahmen eines Soldaten gesehen, der hocherregt auf den Gegner zugerannt sei, bereit, ihn zu töten. Sein Gesichtsausdruck habe sie sofort an Menschen in Hypnose erinnert. Blitzartig sei ihr klar geworden, dass sich der Soldat in Trance befunden habe. Viele Ideen seien ihr plötzlich durch den Kopf gegangen. Sie habe nicht länger im Kino bleiben können. Das sei es gewesen. Hypnose und Aktivität schlössen sich nicht aus, sondern seien gemeinsam möglich. Bányai habe daraufhin beschlossen, dieses Phänomen, das sie später Aktiv-Wach-Hypnose nannte, experime ntell eingehender zu beforschen. Die Gelegenheit dazu sei ihr von Ernest Ropiequet Hilgard gegeben worden, der sich damals in seiner Abteilung an der Stanford University, Kalifornien, mit der Untersuchung und Anwendung von Hypnose befasst habe. Ihre Forschungsarbeiten hätten ergeben, dass Menschen auch mit geöffneten Augen, während sie wach und aktiv seien – z. B. kräftig in die Pedale eines Ergometers träten –, tatsächlich in Hypnose sein könnten (vgl. Bányai a. Hilgard 1976, p. 223). Dieses Ergebnis ließ sich inzwischen durch zahlreiche Studien bestätigen.21

      Es geht also: Wir können mit geöffneten Augen, wach und aktiv in Hypnose sein. Klingt für unsere Ohren immer noch ein wenig merkwürdig, nicht wahr? Vielleicht fällt es uns etwas leichter, dies zu akzeptieren, wenn wir mehr darüber wissen, was Hypnose eigentlich ist. Denn so viel scheint inzwischen klar: Sie bedeutet weit mehr als entspannt und beinahe regungslos in einem von außen schlafähnlich erscheinenden Zustand zu verharren. Das können also nicht ihre wesentlichen Merkmale sein. Worin aber bestehen sie? Was genau ist Hypnose?

      Der Psychologe, Hypnotherapeut und Mitbegründer der Milton Erickson Gesellschaft Burkhard Peter beantwortet diese Frage so: Hyp-nose könne man verstehen als die Kunst, eine alternative Wirklichkeit zu konstruieren, welche möglichst lange und intensiv als »wirkliche« Wirklichkeit erlebt werde (vgl. Peter 2015, S. 38; 2009, S. 58). Dabei spielt Aufmerksamkeit eine entscheidende Rolle. Durch sie erreichen wir das, was die Psychologen Auke Tellegen und Gilbert Atkinson Absorption nennen (Tellegen a. Atkinson 1974): Als absorbiert gelten wir nach ihnen dann, wenn uns etwas ganz und gar in Anspruch nimmt, wenn wir in einen Zustand totaler Aufmerksamkeit geraten, der unsere gesamte Vorstellungskraft bindet (vgl. Tellegen a. Atkinson 1974, p. 268; vgl. Ott 2005, S. 55; 2007, pp. 257 f.). Wir könnt en auch von Versunkenheit sprechen (vgl. Metten 2012, S. 184; vgl. Metten 2020, S. 129). So vertieft,


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