Ein Plus für die Demokratie. Thomas PfistererЧитать онлайн книгу.
muss sie dann die vereinbarten Folgen hinnehmen. Darum wird die Schweiz im Rahmen der vertraglichen Regelung die Nach- und Vorteile vorher abwägen. Es handelt sich um keine automatische Rechtsübernahme.
Sollte die Schweiz den Vertrag nicht erfüllen oder erfüllen wollen, kommt es zuerst zu einem obligatorischen, möglichst unpolitischen, rechtlichen Streitbeilegungsverfahren, in dem «eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden» ist. Konkret bedeutet das schwergewichtig Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU.
Kommt es in diesen Verhandlungen nicht sach- und zeitgerecht zu einer Einigung, kommen u.U. die im Rahmenabkommen vorgesehenen Folgen zum Zug (Schiedsgericht, in gewissen Fällen der Europäische Gerichtshof (EuGH), Ausgleichsmassnahmen usw.). Die EU darf den Vertrag nicht einseitig beenden wie bei der Anwendung von Schengen.
Wie sich die Schweiz gemäss Entwurf zum Rahmenabkommen «die Demokratie sichert»:
Der Schlüssel zur Demokratie liegt in der Aufwertung des Parlaments. Sie soll echte Volksentscheide ermöglichen.
Das Parlament stellt die Weiche. Es darf Rechtsübernahmen ablehnen. Sein Entscheid dazu ist endgültig; vorbehalten ist ein Streitbeilegungsverfahren. Heisst das Parlament eine Rechtsübernahme gut, ist das Referendum zum entsprechenden Staatvertrag zulässig. Kommt ein Referendum zustande, entscheiden die Stimmberechtigten über die Weiterführung des bilateralen Weges. Sie haben das letzte Wort. Lehnen sie die Rechtsübernahme ab, muss die Schweiz die Folgen tragen, die sie im Rahmenabkommen mit der EU vereinbart hat.
Mit dem Rahmenabkommen werden die Einflussmöglichkeiten der Schweiz gegenüber der EU gestärkt. Die Schweiz kann erstens am EU-Gesetzgebungsverfahren teilnehmen (mitwirken) und so ihre Interessen wahrnehmen. Die Teilnahme soll die Rechtsübernahmepflicht wettmachen und erlaubt es, schweizerische Anliegen einzubringen. Zweitens sind im Entwurf zum Rahmenabkommen die demokratischen Rollen von Parlament und Volk (Referendum) zu Rechtsübernahmen vorbehalten. Eine automatische Rechtsübernahme ist ausgeschlossen.
Das Schweizer Parlament hat keine Befugnisse unmittelbar auf EU-Ebene. Aber: Es kann seine Rolle in der Aussenpolitik landesintern wesentlich stärken, wie es die Bundesverfassung ermöglicht. Parlament und Bundesrat können durch ein gutes intensives Zusammenwirken insgesamt gewinnen. Dazu kann der Parlamentseinfluss in die Vorbereitung verlegt werden: in eine Mittlerrolle, durch Mitwirkung und durch Begleitung des Bundesrats in EU-Verfahren.
Das Parlament wird damit stärker zum Mittler zwischen Bundesrat und Volk, zwischen Vorbereitung und Entscheid. Es engagiert sich dafür, dass alle Inhalte und Entscheide der direkten Demokratie genügen, d.h. sowohl vor dem Rahmenabkommen und wie vor dem Volk standhalten.
Das Parlament hat gegenüber dem Bundesrat breite Mitwirkungsbefugnisse, namentlich hinsichtlich Information, Konsultation, Empfehlungen und parlamentarischen Vorstössen; das ist meist politische Teilnahme, ohne Weisungsbefugnis an den Bundesrat.
Das Parlament darf indirekt, auf dem Weg über den Bundesrat, die Teilnahme der Schweiz an der Erarbeitung der EU-Rechtsakte (Information, Einfluss in den EU-Organen) und an den Verhandlungen mit der EU (Beschluss des sektoriellen Ausschusses oder Staatvertrag) beeinflussen. Das gilt auch betreffend Anpassungen der Rechtsübernahmen in diesem Beschluss oder Staatsvertrag.
Als bedeutende Ergänzung vermittelt der Gemischte parlamentarische Ausschuss und überhaupt die interparlamentarische Zusammenarbeit unmittelbare Verbindungen zum EU-Parlament und zu den nationalen Parlamenten der EU- sowie der EWR/EFTA-Staaten.
Die Bundesversammlung hat durch ihre Kommissionen als Arbeitsparlament zusätzliche Chancen im Zusammenwirken mit dem Bundesrat. Die Kommissionen tragen eigenständig (Inhalte, Zeitplan usw.) zur Erarbeitung von vertragskonformen (in der EU konsensorientierten, akzeptablen) und (schweizintern) mehrheitsfähigen, womöglich konkordanten Lösungen bei. Sie besorgen zugleich begleitende Regierungskontrolle.
Die Kommissionen begleiten den Bundesrat in den EU-Verfahren, zuerst bei der Vorbereitung im EU-Gesetzgebungsverfahren, dann bei den Verhandlungen im sektoriellen Ausschuss um einen einvernehmlichen Beschluss oder über einen Staatsvertrag.
Die Kommissionen bieten die Zusammenarbeit mit den Kantonen an und nutzen sie.
Die Rechtsübernahme muss als Teil der Gesetzgebung in den schweizerischen Medien und Öffentlichkeit behandelt werden, und zwar schon die Phase des EU-Gesetzgebungsverfahrens. Ratsam sind Anpassungen der Kommissionsvertraulichkeit, z.B. eine Veröffentlichung der Stellungnahmen an den Bundesrat.
Die stärkere Mitwirkung des Parlaments, vorab der Kommissionen, verursacht Mehrarbeit. Deshalb sind Organisation und Ressourcen zu überprüfen.
Die Einrichtung einer neuen Europa-Kommission beider Räte (mit Vertretungen aller Fraktionen) ist unter Berücksichtigung der damit verbundenen Vor- und Nachteile abzuwägen. Sie widmet sich der Mitwirkung in EU-Verfahren, nicht der Vorberatung der Genehmigungsentscheide des Parlaments. Hier sollten die Sachkommissionen zuständig bleiben.
Zum Minimalstandard an Demokratie gehört:
Die Souveränität oder das letzte Wort zur Weiterführung des bilateralen Weges muss in der Hand des Volkes liegen. Das Parlament darf Rechtsübernahmen letztlich nur ablehnen, mehr nicht. Heisst das Parlament die Weiterführung gut, so kann das Referendum ergriffen werden. Kommt es zustande, so ist das Volk für den konkreten Entscheid über die Weiterführung des bilateralen Weges verantwortlich. Dabei sollen die Stimmberechtigten nicht nur über Ja oder Nein entscheiden müssen. Bundesrat und Parlament hätten zusammenzuwirken und gemeinsam alles zu unternehmen, damit die Stimmberechtigten inhaltlich entscheiden können. Sie müssen darüber befinden können, ob das Ergebnis mit ihrem Willen zur Weiterführung des bilateralen Weges z.B. durch Rechtsübernahmen zum Landverkehr oder zur Personenfreizügigkeit übereinstimmt, und ob sich dafür eine Mehrheit findet, also ob der Volkswille dahinter steht. Die Demokratie darf nicht inhaltslos oder ausgehöhlt werden. Verweigert das Volk die Rechtsübernahme, so hätte die Schweiz die im Rahmenabkommen vereinbarten Folgen zu tragen.
Der Vertrag mit der EU darf die Demokratie nicht übergehen oder überspielen. Der Entwurf zum Rahmenabkommen tut dies nicht, auch nicht durch das Streitbeilegungsverfahren. Die Schweiz müsste selbst ein Urteil des Schiedsgerichts (allenfalls mit einem Zwischenentscheid des EuGH) nicht unbesehen umsetzen. Die EU dürfte allein mit den im Rahmenabkommen enthaltenen verhältnismässigen Ausgleichsmassnahmen antworten. Sie wären vor einem Schiedsgericht prüfbar. Es müsste verhandelt werden. Der EuGH entscheidet nicht darüber, ob die Schweiz einer Rechtsübernahme zuzustimmen habe. Weder die EU noch das Schiedsgericht oder der EuGH dürfen eine automatische Rechtsübernahme, eine Vertragsbeendigung oder beliebige Sanktionen anordnen. Der EuGH würde nur die Befugnisse erhalten, die ihm das Rahmenabkommen erteilen würde. Er wirkt in einem Zwischenverfahren. Er legt bloss EU-Recht aus. Die Anwendung auf den konkreten Fall obliegt dem Schiedsgericht.
Zusammengefasst kann man die vorläufige Schlussfolgerung ziehen, dass das Parlament nach dem Entwurf zum Rahmenabkommen wegen der dynamischen Rechtsübernahme Chancen zu mehr Einfluss hat, als es dies bei den Bilateralen meist gewohnt ist. Bisher schaut das Parlament weithin zu. Der Einfluss des Volkes (Referendum) ist klein. Was aus einem Vertrag mit der EU gemacht wird, hängt wesentlich vom politischen Willen und vom Engagement des Parlaments ab.
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Résumé
[1] Une large majorité du peuple et des cantons a approuvé la continuation de la voie bilatérale. Cette décision est à prendre au sérieux. Elle recouvre deux dimensions.
D’abord la continuation de la voie bilatérale : le débat autour du projet d’un accord-cadre de 2018 s’est surtout limité aux questions de participation au marché intérieur et de reprise dynamique du droit. Le texte de l’accord n’est toujours pas final. Des commentaires officiels de la part du Conseil fédéral manquent encore.
En second lieu la garantie de l’influence du peuple