Vom blauen Dunst zum frischen Wind. Cornelie C SchweizerЧитать онлайн книгу.
Unter diesen Gesichtspunkten sind die oben genannten Zahlen umso alarmierender.
Im Allgemeinen verläuft die Entwicklung der Nikotinabhängigkeit in fünf aufeinanderfolgenden Phasen:
•Probierrauchen
•unregelmäßiges Rauchen
•regelmäßiges geringes Rauchen
•regelmäßiges starkes Rauchen
•Nikotinabhängigkeit.
Dabei endet der erste Rauchversuch zumeist mit starken aversiven Gefühlen. Später, in der Adoleszenzphase, findet oftmals ein zweiter »erfolgreicher« Versuch statt, der in zunächst unregelmäßiges Rauchen übergeht. Normen und Werte im Freundeskreis spielen in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle, und zwar weniger in Bezug auf den Beginn des Rauchverhaltens als im Hinblick auf seine Stabilisierung (Kane 1991). Broken-home-Situationen begünstigen eine mögliche Suchtkarriere von Jugendlichen, während geordnete Kindheitsverhältnisse sich suchtverhütend auswirken. Nicht zu vergessen ist auch die Rolle der Medien, die sich für Heranwachsende einstellungsmodulierend auswirkt.
Zur Tatsache der zwischen 1993 und 1997 um fast 80 % gestiegenen Zahl rauchender Mädchen (Schwäbisches Tagblatt, 11. 11. 2001) ist anzumerken, dass die Ursache hierfür in einer falsch verstandenen Emanzipation liegen könnte, einer Art Gleichberechtigung, die sich darin ausdrückt, dasselbe Maß an unvernünftigem Verhalten zu zeigen wie das männliche Geschlecht.
2.4Inhaltsstoffe der Zigarette: Nikotin & Co
Den meisten Rauchern vom Packungsaufdruck her bekannte Inhaltsstoffe der Zigarette sind Teer (bzw. der Kondensatgehalt) und Nikotin. Dass aber darüber hinaus über 5000 chemische Verbindungen im Tabakrauch nachgewiesen sind (Schuh 1985, S. 7), von denen rund 400 gesundheitsschädlich sind, wissen die wenigsten – vielleicht wollen sie es auch nur nicht wahrhaben. Mindestens 50 dieser Stoffe wirken karzinogen. Einige der Gifte sind zwar vom Namen her bekannt, zum Beispiel Arsen oder Formaldehyd; weniger bekannt ist es jedoch, dass Zigarettenrauch auch Parfümmischungen, radioaktive Substanzen, verschiedene organische Verbindungen, Lösungsmittel, Schwermetalle und gasförmige Stoffe enthält, allen voran das sauerstoffblockierende Kohlenmonoxid (Haustein 2001). Neben Nikotin und Kohlenmonoxid zählt Teer zu den gefährlichsten Schadstoffen des Tabaks. Er besteht vor allem aus Kohlenwasserstoffen, von denen viele als karzinogen bekannt sind (Buchkremer 1991).
Von den Herstellern in der EU werden dem Tabak außerdem über 600 Zusatzstoffe wie Ammoniumchlorid, Süßstoff, Kakao, Pyridin, Glycyrrhizin und Laevulinsäure zugesetzt. Diese Stoffe, welche teils allein, teils in Kombination mit anderen enthaltenen Substanzen toxisch wirken, werden aus folgenden Gründen verwendet:
Tabakzusatzstoffe und ihre Funktion:
•Ammoniumverbindungen erhöhen den freien Nikotinanteil und steigern so den »Kick« beim Inhalieren.
•Süßstoffe und Schokolade mildern den Geschmack und machen damit das Rauchen für Kinder und »Erstnutzer« angenehmer.
•Kakao bewirkt eine Dilatation der Bronchien, somit kann tiefer inhaliert werden.
•Der für Passivraucher unangenehme Nebenstromrauch wirkt durch Zusatzstoffe geruchlich vorteilhafter – allerdings nicht weniger toxisch (Haustein 2001).
Der wichtigste und gleichzeitig gefährlichste Inhaltsstoff des Tabaks ist jedoch das Hauptalkaloid der Tabakpflanze, das Nikotin. Allerdings liegt die Gefahr hier nicht, wie häufig angenommen, in der karzinogenen Wirkung, zentrale Bedeutung hat das Nikotin deshalb, weil es die Abhängigkeit verursacht. Es wirkt stark toxisch und besitzt eine suchterzeugende Wirkung, die mit der von Kokain und Heroin vergleichbar ist. Durch Nikotinzufuhr kommen äußerst schnell angenehme psychotrope Effekte zustande.
Dabei ist die Wirkung des Nikotins biphasisch, d. h. in Abhängigkeit von der Dosis gegensätzlich. »Eine kleine Menge der Substanz stimuliert, eine große dämpft. Raucher können im Allgemeinen die regulierende Funktion des Nikotins einsetzen, um den Grad ihrer Aufmerksamkeit auf ein Normalmaß einzupendeln. Sie gebrauchen das Nikotin demnach nicht, um ihre psychische Verfassung in die eine oder andere Richtung zu übertreiben, sondern um sich zu normalisieren; um sich aus einem Zustand der Langeweile herauszuführen oder um sich bei einer Überstimulation zu beruhigen« (Krogh 1993, S. 52 und 69).
Wichtig für die Qualität eines Stoffes als psychotrope Substanz ist nicht nur der Effekt an sich, sondern auch die Geschwindigkeit, mit der dieser eintritt. Je schneller die Wirkung, desto unmittelbarer erfolgt im Sinne einer Konditionierung die Verstärkung des Konsumverhaltens und desto schneller und enger wird das Rauchen mit dem angenehmen Gefühl im unmittelbaren Anschluss daran verknüpft.
Nikotin wird gemäß den verschiedenen Formen des Rauchens unterschiedlich schnell resorbiert. Während beim »Paffen« von Zigarren oder Pfeifen über die Schleimhäute die Resorption eher langsam vonstatten geht, geschieht dies beim inhalierten Zigarettenrauch extrem schnell. Das Nikotin wird dabei über das Epithel der Lungenalveolen aufgenommen und gelangt über das Blut direkt ins Gehirn.
Über die Geschwindigkeit, mit der Nikotin in dieser Form aufgenommen wird, schreibt Benowitz: »Wenn ein Mensch Zigarettenrauch einatmet, erreicht das darin enthaltene Nikotin das Gehirn über die Blutbahn in etwa 8 Sekunden; das ist schneller als bei einer intravenösen Injektion.« (Benowitz 1986, S. 23). Der Effekt ist also innerhalb kürzester Zeit spürbar, und der Raucher kann zudem mit seinen Zügen die Dosis selbst regulieren und damit Intoxikationszeichen (Tachykardie, Schweißausbrüche, Durchfall etc.) vermeiden.
Schnelle Wirkung, gepaart mit dosisabhängig gegensätzlichem Effekt bei erhaltener Reaktions- und Arbeitsfähigkeit: Nikotin in Zigarettenform ist die »optimale« Droge. Dementsprechend hoch ist das Suchtpotenzial des Stoffes, 32 % der »Probierraucher« werden süchtig, im Gegensatz zu nur 23 % beim Heroin. Trotz dieses hohen Suchtpotenzials war es in den 1980er Jahren oberstes Ziel der Tabakindustrie, eine erhöhte Nikotinfreisetzung und die Effektivitätssteigerung der Nikotinwirkungen zu erreichen. Dabei wurde zum Beispiel der Zusatz von Nikotin zum Tabak erwogen (Slawen 1982) und mit gentechnischen Verfahren versucht, den Nikotingehalt der Pflanzen bei unverändertem Teergehalt zu erhöhen (Haustein 2001). Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch pH-Wert-Manipulationen des Tabaks, die zur erhöhten Freisetzung von Nikotin in Form der freien Base führen und so den »Kick« beim Rauchen steigern.
Im folgenden Kasten (siehe S. 29) werden die mit der Abhängigkeit verbundenen physiologischen Nikotinwirkungen kurz zusammengefasst (Haustein 2001).
Gleichzeitig ist Nikotin hochgiftig. Die farblose ölige Substanz wird in der Landwirtschaft als Insektenvernichtungsmittel eingesetzt, früher betäubte man damit Elefanten (Krogh 1993). Während die Nikotintagesdosis eines durchschnittlichen Rauchers bei nichtrauchenden Personen Vergiftungen hervorrufen würde, sind »Raucher weniger nikotinempfindlich als Nichtraucher; sie genießen Nikotindosen, die bei Nichtrauchern Übelkeit und leichte Vergiftungserscheinungen auslösen« (DHS 1994, S. 24). Allerdings wäre dieselbe Dosis, auf einmal konsumiert, selbst bei starken Rauchern tödlich.
Nikotinwirkungen:
•Nikotin bindet an die Nikotinrezeptoren im ZNS und erleichtert damit die Freisetzung bestimmter Transmitter wie Dopamin, Noradrenalin und Acetylcholin.
•Erregung, Erhöhung des Genussempfindens und anxiolytischer Effekt.
•Verbesserung von Aufmerksamkeit und Leistung bei sich wiederholenden Aufgaben.
•Verringerung des Hungergefühls, Beschleunigung des Stoffwechsels und damit Reduktion des Körpergewichts.
•Durch Neuroadaptation der Nikotinrezeptoren kommt es bei wiederholten Gaben zu Toleranzentwicklung und Entzugssymptomen.
Höhere Nikotindosen lösen Krämpfe aus, in toxischen Dosen eingenommen –