Pflege von Menschen mit Parkinson. Georg EbersbachЧитать онлайн книгу.
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Auf der Suche nach den Gründen für den Zelluntergang in der Substantia nigra fielen bei Untersuchungen an Gehirnen verstorbener Parkinson-Betroffener Ansammlungen von Alpha-Synuklein auf. Alpha-Synuklein ist ein Eiweißstoff, der natürlicherweise in vielen Gehirnregionen vorkommt. Aus bislang unbekanntem Grund kommt es bei der Parkinson-Krankheit zu einer zunehmenden Verklumpung von Alpha-Synuklein, wodurch der Zellstoffwechsel gestört wird und es schließlich zum Untergang der betroffenen Nervenzellen kommt. Die Alpha-Synuklein-Ansammlungen können sich schließlich langsam von Zelle zu Zelle ausbreiten und so zum Fortschreiten der Erkrankung führen. Mikroskopisch sichtbare Ablagerungen von Alpha-Synuklein werden nach ihrem Erstbeschreiber »Lewy-Körperchen« genannt und als spezifisches Merkmal für die Parkinson-Erkrankung gewertet.
Abb. 2: Lokalisation der Substantia nigra innerhalb des Gehirns (links) und Gegenüberstellung der Substantia nigra bei einem Gesunden und bei einem Parkinson- Betroffenen (rechts).
Die »Alpha-Synuklein-Hypothese« zur Entstehung der Parkinson-Krankheit erhielt durch die Forschung des Frankfurter Pathologen Braak seit Beginn des neuen Jahrtausends eine weitere Dimension. Braak und seine Mitarbeiter stellten die Überlegung auf, dass die Ablagerungen von Alpha-Synuklein nicht in der Substantia nigra beginnen, sondern erst zu einem bereits fortgeschrittenen Zeitpunkt eines längeren Prozesses in dieser Hirnregion auftreten. Es konnte gezeigt werden, dass die ersten Ablagerungen von Alpha-Synuklein im Riechnerven und den Nervenzellen des Magen-Darm-Traktes nachweisbar sind und sich dann in einem sehr langsamen Prozess über den Hirnstamm in die Substantia nigra und schließlich auch darüber hinaus in das Großhirn ausbreiten. Diese mikroskopischen Beobachtungen finden ihre Entsprechung in Symptomen, die häufig vor den für Parkinson typischen Bewegungseinschränkungen auftreten – wie eine Störung des Riechvermögens oder eine chronische Verstopfung. Nach dem Erreichen der Substantia nigra kommt es zu den typischen motorischen Symptomen der Erkrankung, welche schließlich eine Diagnose der Parkinson-Erkrankung ermöglichen. In fortgeschrittenen Stadien, wenn die Zellveränderungen auch das Großhirn erreicht haben, treten v. a. psychiatrische Symptome wie Demenz oder Halluzinationen auf.
Die Ursache dieses langsam fortschreitenden Zelluntergangs ist jedoch auch heute nach vielen Jahrzehnten intensiver Forschungsanstrengungen ungeklärt. Umweltfaktoren werden als Ursache diskutiert, zumal der vermutete Beginn der Veränderungen im Riechnerven und im Darm nahelegt, dass aus der Umwelt (über die Riech- bzw. die Darmschleimhaut) aufgenommene Stoffe zu den Veränderungen beitragen könnten. Darüber hinaus können genetische Faktoren eine Rolle spielen. Die direkte Vererbung der Parkinson-Erkrankung innerhalb einer Familie stellt eine Ausnahme dar, das Risiko an Parkinson zu erkranken kann aber durch verschiedene genetische Faktoren beeinflusst werden. Letztlich entscheidet eine komplexe Wechselwirkung verschiedener fördernder und hemmender Umwelt- und Erbfaktoren über die Entstehung der Parkinson-Erkrankung.
Derzeit beschränkt sich die medikamentöse Behandlung der Parkinson-Erkrankung noch überwiegend auf den Ersatz des fehlenden Dopamins und damit auf eine Linderung der Symptome. Das wachsende Verständnis für die molekularen Grundlagen der Erkrankung eröffnet aber die Möglichkeit für die Entwicklung von Therapien, die in der Lage sind, den Krankheitsprozess zu beeinflussen.
1.4 Epidemiologie
Schätzungen zufolge waren im Jahr 2016 weltweit etwa sechs Millionen Menschen an Parkinson erkrankt. Für Deutschland geht man für den gleichen Zeitpunkt von etwa 160.000 Betroffenen aus. Das ist deutlich geringer als jene 1,5 Millionen Menschen, die im Jahr 2018 an Demenz-Erkrankungen litten, aber ungefähr vergleichbar mit Zahlen für Betroffene der Multiplen Sklerose (ca. 200.000 Betroffene in Schätzungen von 2014). Für die Parkinson-Erkrankung handelt es sich dabei im Vergleich zu 1990 um einen Anstieg der Patientenzahl um etwa 15 %. Die Häufigkeit der Erkrankung nimmt mit steigendem Lebensalter deutlich zu, nur etwa 5 % aller Betroffenen erkranken vor dem 50. Lebensjahr und in der Altersgruppe der 80-Jährigen sind etwa vier- bis fünfmal mehr Menschen betroffen als in der Altersgruppe der 60-Jährigen (
Durch die Zunahme der Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten wird weltweit ein deutlicher Anstieg der Erkrankungszahlen für die Parkinson-Erkrankung in den nächsten Jahrzehnten erwartet.
Abb. 3: Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) der Parkinson-Erkrankung nach Alter und Geschlecht (in Prozent).
Im Geschlechterverhältnis sind Männer etwa 1,4 Mal häufiger betroffen als Frauen.
1.5 Symptome
Von einem Parkinson-Syndrom spricht man, wenn die hierfür charakteristischen motorischen Symptome vorliegen, die auch als Kardinalsymptome (von lat. cardinalis - »wichtig, vorzüglich«) bezeichnet werden. Zu den Kardinalsymptomen zählt man Bradykinese, Rigor und (Ruhe-)Tremor. Manche Diagnosekriterien führen auch die posturale Instabilität als Kardinalsymptom auf.
Der Begriff Bradykinese stammt aus dem griechischen und setzt sich aus »brady« (langsam) und »kinese« (Bewegung) zusammen. Manchmal werden auch die Begriffe Hypokinese (Ausmaß/Amplitude der Bewegungen vermindert) oder Akinese (Schwierigkeiten, eine Bewegung überhaupt zu beginnen) verwendet. Da die Erkrankung häufig einseitig und langsam zunehmend beginnt, fällt die Bradykinese anfangs oft nur im Seitenvergleich oder nur bei bestimmten Bewegungsabläufen auf. Bei der klinischen Untersuchung werden verschiedene Bewegungen an beiden Körperseiten verglichen (häufig werden hierfür eine Drehbewegung in den Handgelenken, das wiederholte Öffnen und Schließen der Faust oder schnelles Tippen von Daumen und Zeigefinger genutzt). Verteilung und Schwere der Bradykinese können stark variieren, letztlich kann aber jede Willkürbewegung betroffen sein.
Typische Formen der Bradykinese können u. a. sein:
• Starrer Gesichtsausdruck (Hypomimie) und leises (hypophones) Sprechen
• Verkleinerung des Schriftbildes (Mikrographie)
• Einschränkung in der Feinmotorik, z. B. beim Zähneputzen, beim Rasieren oder beim Kämmen sowie Schwierigkeiten beim Knöpfen eines Hemdes oder dem Binden der Schuhe
• verlangsamtes/kleinschrittiges Gangbild, vermindertes Mitschwingen des Armes der betroffenen Seite
Bei der Diagnose stellt die Bradykinese das zentrale Kardinalsymptom dar: ein Parkinson-Syndrom kann ohne Vorliegen einer Bradykinese nicht diagnostiziert werden.
Rigor ist ein lateinischer Ausdruck für »Starrheit« und wird im Zusammenhang der Parkinson-Erkrankung als Bezeichnung für Muskelsteifigkeit verwendet. Von Betroffenen wird dies