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Lauritz’ Hund und andere Weihnachtsgeschichten. Bernd H. KämperЧитать онлайн книгу.

Lauritz’ Hund und andere Weihnachtsgeschichten - Bernd H. Kämper


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aber immerhin – und haben sich, wie die meisten Ihrer Landsleute, wohl kaum je darüber Gedanken gemacht, was es mit diesem ‚Ho, ho‘ auf sich hat. Ihre neuen Landsleute haben im Laufe der Zeit so viele verrückte Kürzel erfunden, dass man gar nicht mehr nachkommen kann, um nach dem ursprünglichen Sinn zu fragen. Aber wenn Sie immer nur an allem rummeckern und alles ins Negative ziehen und mit nichts, aber auch gar nichts, was um Sie herum geschieht, etwas zu tun haben wollen, werden Sie an sich selbst scheitern und ein armes Leben führen.

      Diese Geschichte sollte Ihnen mit Ihrer schrecklichen Weihnachtsverdrossenheit eines vor Augen führen, nämlich dass Sie nie etwas bewegen können, wenn Sie das, was vielleicht möglich wäre, immer nur an dem orientieren, was Sie vorfinden oder vorfinden wollen. Diese kleine Geschichte ist die reine Weihnachtsbotschaft. Das meinen die Worte, die der Engel des Herrn verkündete: Wir alle tragen unser ‚Ho, ho‘ mit uns herum und glauben und hoffen inbrünstig, keiner merkt es. Warum eigentlich? Denn wenn wir uns dazu bekennen, dann öffnen wir unsere Herzen auch für die Hohos anderer Menschen, und dann können wir trotz aller hektischen Geschäftigkeit innehalten und die Weihnachtsbotschaft weitertragen. Und dann ist auch oder gerade heute noch der Sinn dieses wunderbaren Festes erfüllt.“

      Als Henry erneut von seinen Schuhen aufblickte, musste er feststellen, dass er allein im Abteil war. Ich hatte mich zurückgezogen. Ich glaube, ich konnte ihn jetzt auch guten Gewissens alleine lassen. Ich musste noch mit vielen Leuten sprechen und versuchen, ihnen etwas von der Weihnachtsbotschaft zu vermitteln. Und vielleicht begegnen mir ja auch Menschen, die mir etwas über ihr Weihnachten berichten möchten, die mir ihre ganz persönliche Weihnachtsgeschichte erzählen wollen. Denn wenn kein Mensch mehr an das glaubt, was da vor zweitausend Jahren in irgendeinem Stall irgendwo in Bethlehem geschehen ist, würde auch ich aufhören zu existieren. Und alle meine Kollegen. Und das wäre doch sehr schade, wenn wir aus dieser Welt, die immer fragwürdiger geworden ist, einfach verschwinden würden. Und sicher wären die Menschen nicht glücklicher, ganz besonders die kleinen und großen Kinder nicht.

      So, nun werde ich auch Sie alleine lassen, ich muss weiter, ich habe noch viel zu tun. Ach übrigens, Sie wollen wissen, wieso ich diese Geschichte erzählen konnte, ohne an bestimmten Stellen zu stottern? Nun, glauben Sie denn nicht an Wunder? Dabei ist doch jetzt die beste Zeit dafür …

      ALLE JAHRE WIEDER

       Eine weihnachtliche Betrachtung

       (Ähnlichkeiten mit lebenden oder sonstigen Personen sind beabsichtigt und keineswegs zufällig.)

      Es kommt, wie es kommen musste. Es ist jedes Jahr das Gleiche, daher hat für uns das Weihnachtsfest durchaus etwas Bleibendes. Angeblich spielen sich ja alle Schicksale gleich ab, was wiederum etwas Tröstliches hat und daher durchaus dem tieferen Sinn dieser Gedenkfeier entspricht.

      Es beginnt mit dem Weihnachtsbaum. Weihnachten beginnt immer irgendwie mit dem Weihnachtsbaum. Opas Lieblingschanson „Am Weihnachtsbaume die Lichter brennen …“ feiert jedes Jahr fröhliche Urständ, wenn – gewissermaßen – der gnädige Mantel dieses voller Inbrunst gesungenen Liedes die angeborenen Unzulänglichkeiten unserer Edeltanne umfließt und zudeckt. Das Ganze ist natürlich meine Schuld, weil ich in all den Jahren, die ich glücklicher Miteigentümer einer Familie bin, nie Zeit gefunden habe, beim Einkauf dieses wichtigen Utensils mitzukommen. Es klappt einfach nicht, weshalb der schwarze Peter immer an mir hängen bleibt.

      Damit könnte ich eigentlich gut leben, wenn der Blumenhändler an der Ecke, der meiner Frau jedes Jahr diesen nadelbewehrten Ladenhüter andreht, sich nicht immer, wenn ich an seinem Laden vorbeigehe und er mich zufällig durchs Schaufenster sieht, zu seiner Frau umdrehen, irgendetwas sagen und dann der ganze Laden lachen würde.

      Auch dieses Jahr ist der Baum eine einzige Katastrophe. In der Mitte sind zu wenige Zweige, oben und unten stehen sie zu dicht. Er ist viel zu groß und unten passt der Stamm nicht in den Christbaumständer, weshalb er – wie jedes Jahr – mit der Axt bearbeitet werden muss, wobei ich mich regelmäßig verletze, weil meine Frau den Baum nicht richtig festhalten kann. Und die Kinder, wie immer, wenn man sie mal braucht, nicht aufzufinden sind.

      Der Stamm ist in einer Weise verbogen, die ein Mediziner als Lordose diagnostizieren würde. Wenn Sie bei Gelegenheit in einem geeigneten Lexikon oder im Internet mal nachschlagen würden, hätten Sie eine ungefähre Vorstellung von dem Problem, dem ich mich gegenübersehe. Nun habe ich noch jedes Jahr in liebevoller Kleinarbeit einen ansehnlichen Christbaum hingekriegt, was mir zumindest die uneingeschränkte Bewunderung der Omas einbringt und meine Frau jedes Mal zu der völlig unpassenden Bemerkung veranlasst, sie hätte den Baum ja schließlich auch mit Liebe ausgesucht.

      Zu Beginn unserer Ehe hatten wir ein zusätzliches Problem mit der Tanne: Bei mir zu Hause war es Tradition, den Baum nur silberfarben zu schmücken. Die Familie meiner Frau erfreute sich zu Weihnachten an einem bunten Baum. Seitdem haben wir auch einen bunten Baum, weil es für die Kinder viel schöner ist und meine Frau zu Weihnachten dann nicht so viel Heimweh haben muss. Aber ein paar silberne Kugeln hänge ich trotzdem in die Zweige und meine Schwiegermutter findet sogar, dass dies edel aussehe.

      Eigentlich sind Tannen oder Fichten kein geeignetes Symbol, um die Niederkunft der Mutter Maria zu feiern. Wo hat es denn bitte in Bethlehem und Umgebung solche Nadelbäume in ausreichenden Mengen gegeben? Jedenfalls sind sie keinesfalls typisch für diese Landschaft. Da wären Palmen viel angemessener, nicht nur, weil man speziell zur Weihnachtszeit sehr leicht auf eine eben solche gebracht werden kann, sondern auch, weil wegen der fehlenden Zweige im unteren und mittleren Bereich selbst meine Frau Wachstumsstörungen nicht übersehen könnte und ich weniger Arbeit mit dem Schmücken hätte. Außerdem hätte besagter Blumenhändler dann auch nichts mehr zum Lachen. Obwohl ich bekennen muss, Weihnachten unter Palmen ist nicht mein Ding, wie man heute so schön sagt. Also: „Alle Jahre wieder …“, lassen wir es dabei.

      Wie ich anfangs erwähnte, beginnt auch bei uns alles mit dem Weihnachtsbaum. Nicht, dass Sie etwa denken, bloß weil er jetzt in voller, bunter Schönheit dasteht, könnte das Freudenfest beginnen. Bis dahin ist es noch ein langer dornenvoller Weg. Ich bitte, dies nicht als Blasphemie aufzufassen.

      Ich finde, zum Weihnachtsfest gehören Weihnachtslieder und diese gehören gesungen. Von allen Anwesenden und man darf dabei ruhig ein bisschen Gefühl zeigen. Nun sind die Omas und Opas bei solchen Gelegenheiten immer voll bei der Sache und meine Mutter singt sich manchmal etwas peinlich in den Vordergrund. Aber schon bei meiner Frau lässt die Begeisterung nach, um bei unseren Kindern unter den Gefrierpunkt zu sinken. Versuche der Großeltern, unsere musikalisch hochbegabten Kinder zu einer gemeinsamen Darbietung unterm Weihnachtsbaum zu veranlassen, schlagen stets schon im Vorfeld fehl, weil sie mit den Blockflöten in einer Weise aufeinander losgingen, die zu den schlimmsten Befürchtungen Anlass geben. Da kann auch das begnadete Spiel meiner Frau mit den Triangeln nichts mehr retten. Weil die Tradition des Weihnachtsliedersingens ohnehin in meiner Familie höher gehalten wurde als in der meiner Frau, wird diesem Programmpunkt keine besondere Bedeutung beigemessen. Allerdings habe ich mich einmal durchgesetzt und meinen älteren Sohn dazu gedrängt, sich auf einer privaten Weihnachtsfeier mit anderen ebenso fröhlich gestimmten Leibeigenen musikalisch zu betätigen. Das hat er mir – obwohl inzwischen einige Jahre vergangen sind – bis heute nicht verziehen. Nun ja.

      Um nicht ganz auf weihnachtliche Hausmusik zu verzichten, spiele ich auf dem Klavier einige fromme Weisen, während die Kinder ihre Geschenke auspacken, und auch später, wenn das Essen aufgetragen wird. Ich bemühe mich, dabei nicht allzu sehr aufzufallen. Die Mieter unter uns, die jedes Jahr am ersten Weihnachtstag viel zu früh vor der Haustüre stehen, um ein frohes Fest zu wünschen, erwähnen bei dieser Gelegenheit mein Spiel stets sehr lobend. Es sei so stimmungsvoll und sie freuten sich schon aufs nächste Jahr. Ich sage dann, ohne rot zu werden, dass ich mich über dieses schöne Kompliment freue und meine Familie ebenso denke. Dann sieht mich meine Frau immer so seltsam gequält an.

      Zusammenfassend kann man festhalten: Bisher haben wir einen pathologisch verkrüppelten Weihnachtsbaum, der aufs Schönste geschmückt wurde, um seine anatomischen Defizite zu verbergen, und eine angemessene Pausenmusik, sehr piano auf einem ebensolchen schüchtern


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