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Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III. Erhard HeckmannЧитать онлайн книгу.

Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III - Erhard Heckmann


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wieder aufgenommen, weil Preußen leichte, zähe, wendige und flinke Pferde für das Heer brauchte. Die dafür notwendigen Veredlertypen mussten jedoch erst eingeführt oder gezüchtet werden. „Veredlungs-Material“ kam einige Jahre später auch aus Neustadt an der Dosse, das 1787 von König Friedrich Wilhelm II. als Gestüt gegründet worden war.

       Das Graditzer Schloss am Tag der offenen Tür „300 Jahre Graditz“am 11.10.1986 – inzwischen hat der Freistaat Sachsen die Gestütsanlage in altem Glanz wiederhergestellt – (Foto: Siegfried Müller, Leipzig)

      Hier traf 1790 auch die erste vom Staat angekaufte Vollblutstute, die Godolphin Arabian-Urenkelin Gentle Kitty (1774; Silvio) ein, deren Familie später in der österreichisch- ungarischen Zucht eine wichtige Rolle spielte. 1787 war in Neustadt auch der erste nachweisbar importierte Vollblutbeschäler aus England ausgeladen worden, doch deckte der von dem Cade-Sohn Matchem stammende Alfred (1970), dessen Mutter Snap Mare eine Flying Childers Urenkelin war, hier nur ein Jahr. 1805 folgte ihm der 1800 geborene Saxony, der von dem Highflyer-Sohn Delphini stammte, und den Stallmeister C. J. Stubberg im gleichen Jahr auf der Insel gekauft hatte. Im Oktober 1806 musste der Hengst, zusammen mit weiteren 45 Gestütspferden und unter der Führung des „Pferdearztes“ G. Gottlieb Ammon aus Neustadt zu Fuß vor Napoleon fliehen. Zunächst ging es nach Trakehnen, wo sich der dortige Bestand dem Tross anschloss, um gemeinsam in das Gebiet von Szawlen nach Russland zu ziehen. Auf der Rückreise deckte der Vollblüter als Hauptbeschäler einige Jahre in Trakehnen, später wieder in Neustadt.

      An dieser Stelle sei auch ein kurzer Blick auf das einstige Trakehnen gerichtet, das der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. 1732 mit mehr als 1.100 Pferden als das „Königliche Stutamt Trakehnen“ im Osten seines Reiches gründete, um die Kavalleriepferde selbst zu züchten. Das Land um den Gründungsort „Trakischken“ – zwischen Gumbinnen und Stallupönen – wurde gerodet und trocken gelegt. Die Gestütsanlagen wurden parkähnlich gestaltet, und im Laufe der Zeit entstand ein Staat im Staate, der sich selbst versorgen konnte, und in dem 1940 etwa 1.000 Menschen Arbeit fanden. Auf den 10.000 Hektar verteilten sich 16 Zuchthöfe mit großer Landwirtschaft, eigenen Handwerksbetrieben, mehreren Schulen, Krankenhaus, Apotheke, Post, einer damals hochmodernen Mühle mit angeschlossenem Speicher, Verwaltung, Wohnungen, dem zentral gelegenem, bekannten Hotel Elch und Friedhöfen. Am Ende des zweiten Weltkrieges mussten die Trakehner aus Ostpreußen fliehen, und eine kleine Population, die den Treck in den Westen schaffte, sicherte den Fortbestand dieser traditionsreichen und ältesten Reitpferdrasse Deutschlands, die auch international als Ursprungszucht längst anerkannt ist. Logisch auch, dass sich die Trakehner Zucht genetisch lückenlos auf die Gründung des Hauptgestüts Trakehnen zurückführen lässt. 1947 wurde in Hamburg der Trakehner Verband gegründet, der heute in Neumünster seinen Sitz hat, und 2007, anlässlich des Trakehner Hengstmarktes, „275 Jahre Trakehner“ mit einer eindrucksvollen Gala feierte.

      Als Hofgestüt gegründet, ging das Hauptgestüt 1786 nach dem Tod Friedrich II., mangels privater testamentarischer Verfügung, in das Eigentum des Staates über. Der Aufbau der Zucht wurde durch Kriege und Evakuierungen – 1806/7 nach Russland; 1812/13 nach Schlesien oder durch den Ersten Weltkrieg (1914/1918) – erschwert. Die Hauptaufgabe des Gestüts bestand für etwa 200 Jahre darin, Hengste für die Landespferdezucht zu liefern, während nach dem Ersten Weltkrieg Militär und Landwirtschaft ganz konkrete Anforderungen an die Trakehner stellten, wobei die Landstallmeister Graf Siegfried von Lehndorff, der mit 143 Siegen (495 Starts) im Rennsattel drei mehr notierte als sein Vater Georg, und Dr. Ehlert sich ganz besonders engagierten. Und bis heute werden die Trakehner als einzige Reitpferderasse nach den Prinzipien der Reinzucht mit hohen genetischen Anteilen des englischen und arabischen Vollblüters, des Shagya- und Anglo-Arabers unter Berücksichtigung vorgegebener Selektionskriterien gezüchtet. Und als Hauptaufgabe dazu sieht der Verband „diese Ursprungszucht in ihrer besonderen trakehnerspezifischen Ausprägung zu fördern und durch geeignete Maßnahmen einen bestmöglichen Zuchtfortschritt sicherzustellen,“ um ein „im Trakehnertyp stehendes, rittiges und vielseitig veranlagtes Reit- und Sportpferd mit gutem Exterieur und Charakter zu erhalten.“ Als berühmtester Trakehner gilt bisher Tempelhüter, dessen Vater Perfectionist ein von Lord Wolwerton 1899 gezogener Vollblüter war, der Persimmon zum Vater hatte. Und dieser St. Simon-Sohn zählte zu seinen größten Rennerfolgen das Englische Derby, das Doncaster St. Ledger und einen zweifachen Sieg im Ascot Gold Cup. Tempelhüter war zunächst Landbeschäler in Braunsberg, danach, von 1916-1931, Hauptbeschäler in Trakehnen. Dort deckte er 495 Stuten, die 333 lebende Fohlen hinterließen. 59 davon wurden Trakehner-Mutterstuten, 65 Beschäler.

      Heute befindet sich das frühere Trakehnen im russischen Teil des ehemaligen Ostpreußens und heißt Jasnaja Poljana. Pferde gibt es dort nicht mehr, doch der „Mythos der Elchschaufel“ der einstigen Pferdehochburg hat noch viele Freunde. Und so gelang es auch dem „Verein der Freunde und Förderer des ehemaligen Hauptgestüts Trakehnen“, dessen Ziel es ist, „Trakehnen“ mit Spenden als Kulturgut vor dem Verfall zu retten. Der Anfang ist längst gemacht, und im Einvernehmen mit der örtlichen Bevölkerung und den russischen Behörden konnte von den verfallenden Gebäuden bereits das Landstallmeister-Haus, in dem seit 1940 eine russische Schule untergebracht ist, restauriert, mit neuem Anstrich versehen und im Ostflügel zwei Museumszimmer eingerichtet werden.

      Und auch das „Trakehner Tor“ erstrahlt wieder in neuem Glanz. Die 1932 aufgestellte, lebensgroße, bronzene Tempelhüter-Statue verluden die Russen 1944 Richtung Moskau, doch kam dreißig Jahre später ein Originalabguss dieser Skulptur in die Reiterhauptstadt Verden/Aller auf einem russischen Tieflader zurück und wurde dort vor dem Deutschen Pferdemuseum aufgestellt.

       Das Landstallmeister-Haus im ehemaligen Trakehnen mit der Tempelhüter-Statue (Foto: Archiv Trakehner-Verband)

      1822 gelangten zu den Pferden in Graditz, außer denen in Neustadt, noch 24 edle Stuten aus der Normandie und später weitere Pferde aus Neustadt und Trakehnen. Den Grundstein für das Preußische Hauptgestüt Graditz, das diesen Namen schon seit Oktober 1815 trug und 1817 den ersten Vollbluthengst aufgestellt hatte, legten 1833 sechs Vollblutstuten, fünf davon aus England importiert. Der Beschäler war der Engländer Elector, den Lord Egremont 1813 von dem Eclipse-Urenkel Election gezogen hatte, und dessen Urgroßmutter Venus gleichfalls eine Eclipse-Tochter war. Ab 1845 kamen die in Graditz gezogenen Vollblüter in den Rennstall nach Neustadt. Zu den 12 Hengsten, die damals im Hauptgestüt standen, zählten die Vollbrüder Bayard und Swaran, die einen Hengst namens Türk-Main zum Vater hatten, und Bayards Sohn Alcides. Von sechs weiteren Beschälern werden drei als Originaltraber benannt, während drei Stallions als Vollblüter diese Rasse in Graditz seit 1826 vertraten: Der 1819 in England gekaufte Blackamoor war ein 1811 geborener Highflyer-Enkel von Stammford aus der Scorer Mare, deren Mutter Whiskey Mare von Whiskey aus einer Dorimant-Tochter gezogen war. Von 1819 bis 1828 deckte der Hengst in Trakehnen, danach bis 1832 in Graditz. Als weiteren Beschäler führt Martin Beckmann in seiner Sport-Welt-Serie von 1981 den Hengst Hogard von Rubens auf, den jedoch die Pedigree-Datenbank nicht benennt, und der einzige „Rubens“, der infrage käme, wäre der 1805 vom Prince of Wales gezogene Buzzard-Sohn, zu dem jedoch keine weiteren Angaben existieren. Als Mutter von Rubens wird die Ascot Gold Cup-Siegerin Pranks genannt, die eine Hyperiontochter war und 1809 geboren wurde. Der damals dritte Vollblüter im Hauptgestüt war der 18017 von Lord Egremont gezogene Old Dicky-Sohn Dicky aus der Pot8os-Enkelin Parapluie.

      Ab 1832 kommen immer mehr Vollblüter nach Graditz, und mit zunehmender Beliebtheit des Englischen Vollblutes auf dem Kontinent wurde diese Zuchtstätte zum Zentrum der Vollblutzucht auf deutschem Boden, nachdem Baron Maltzahn als Leiter der Preußischen Gestütsverwaltung 1866 die in verschiedenen Gestüten stehenden Vollblüter in Graditz zentralisierte und Graf Georg von Lehndorf (ab 1887 gleichzeitig Oberlandstallmeister) zum Leiter von Graditz ernannt hatte. Aus Trakehnen kamen damals 24 Vollblutstuten, aus Neustadt 20 und der Hengst Ibicus (1849; Grey Momus), der ein Inländer war.

      In jenen Jahren betrieb Graditz auch eine starke Halbblutzucht mit Oldenburgern, Hannoveranern, Ostpreußen, irischen und normannischen Stuten, um ein starkes


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