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Tödliche Offenbarung. Cornelia KuhnertЧитать онлайн книгу.

Tödliche Offenbarung - Cornelia Kuhnert


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sondern bin in die Wohnung gegangen. Und jetzt ist es genug, auf Wiedersehen.

      |88|Dora Müller, Jahrgang 1908, 44 Jahre alt, Stenotypistin, wohnhaft Denickestraße

       Sie wohnen also bei der Elfriede. Setzen Sie sich, Fräulein Clara. Wollen Sie eine Tasse Kaffee trinken? Und ein Stück Butterkuchen? Wirklich nicht? Aber Sie sehen ganz mitgenommen aus. So schmal. Hier, bitte, seien Sie nicht so schüchtern.

       Es ist schön, Besuch zu bekommen. Als Witwe ist man viel allein. Mehr als einem lieb ist. Früher, als mein Mann noch lebte, … Aber lassen wir das. Sie sind so jung, Sie sollten sich mit diesen alten Geschichten nicht plagen. Das ist alles vorbei und vergessen. Das interessiert keinen mehr. Schon gar nicht in Amerika. Genießen Sie lieber das herrliche Wetter. Da hinten im Neustädter Holz kann man wundervolle Spaziergänge machen oder im Wietzenbruch. Da ist es richtig idyllisch, eine wunderbare Heidelandschaft. Gehen Sie dort den Hermann-Löns-Weg entlang.

       Was, Sie kennen unseren Heimatdichter nicht? Der hat so schöne Gedichte über die Heide geschrieben, auch einiges über Celle. Der hat die Seele der Menschen hier verstanden.

       Das Ende des Krieges war eine schlimme Sache. Alle reden ja immer nur davon, was wir Deutschen angeblich gemacht haben. Keiner redet von dem Leid, das wir erlitten haben. Da wurde keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung genommen. Überhaupt nicht. Ganz zum Schluss fielen Bomben auf Celle. Völlig überflüssig, der Engländer stand doch sowieso vor den Toren. Das wussten alle, trotzdem mussten die Amis vorher alles kaputtmachen.

      Ja, das war der 8. April, ein Sonntag. Ich kann mich genau erinnern. Meine Mutter war früh in die Stadt gegangen. Es sollte Bohnenkaffee geben. Endlich mal wieder. Kaffee war zu der |89|Zeit eine Rarität. Ich blieb zu Hause, weil ich am Nachmittag arbeiten musste.

       Erst gab es Voralarm. Dreimal kurz mit der Sirene. Das war am Vormittag. Hat aber keiner drauf reagiert. Meine Freundin kam gegen Mittag vorbei und sagte, dass die Erdölraffinerie in Nienhagen getroffen sei. Alles brannte dort lichterloh und man sah von meinem Küchenfenster aus den schwarzen Rauch am Himmel. Sie wollte mit dem Fahrrad dorthin fahren. Das ist nämlich eine ganz Neugierige, die Babette; aber ich blieb daheim. Schließlich habe ich drei Kinder und mein Mann ist im letzten Kriegswinter gefallen. Da konnte ich mir solche Sperenzien nicht erlauben.

       Vorsichtshalber habe ich wegen des Alarms unseren Keller überprüft. Ich hatte so ein komisches Gefühl, aber mein Ältester, der Herbert, hatte alle Fenster vernagelt, sogar die Wände mit Kanthölzern versteift. Der Herbert war mir mit seinen 14 Jahren sowieso eine große Hilfe. Auf den konnte ich mich immer verlassen. Nur in jenen Tagen war er kaum da. In den Osterferien hatten die mit so einem Wehrertüchtigungslager in der Hehlentorschule angefangen und jeden Tag gab es Übungen. An dem Morgen hatte er mir stolz erzählt, dass er vielleicht sogar als Flakhelfer ran dürfte. Da habe ich gelacht. Die Flak war doch bis dahin in Celle noch nie zum Einsatz gekommen.

       Meine Mutter kam mit dem Kaffee und dem frischen Brot gegen drei Uhr am Nachmittag zurück, das weiß ich genau. Sie musste auf die kleinen Kinder aufpassen. Ich musste ja zum Schloss, da habe ich nämlich als Stenotypistin gearbeitet. Im Schloss war die Luftschutz-Befehlstelle unter dem Befehl von Oberbürgermeister Meyer untergebracht.

      Nein, mit dem hatte ich nicht viel zu tun. Ich saß nicht bei |90|ihm im Zimmer, das war die Elvira, aber natürlich hat man das eine oder andere mitbekommen, Elvira redet gerne.

      Martha geht zum Wasserhahn und trinkt einen Schluck Leitungswasser. Vom Fenster aus sieht sie Beckmanns Auto auf den Hof fahren. Er scheint neue Prioritäten zu setzen, so sauber hat sie den alten Volvo noch nie gesehen.

      Martha stellt das Glas auf der Spüle ab und fährt sich durch die Haare. Soll sie ihm die Tür öffnen?

      28

      Felix rennt, ohne hinzusehen, weiter, stolpert über eine knorrige Baumwurzel und fällt flach hin. Unter den Knien fühlt er spitze Äste, mit der Nase liegt er in einer Heidelbeerpflanze, atmet den fauligen Dunst gegorener Früchte ein.

      Wieder peitscht ein Schuss an ihm vorbei, gefolgt von grölendem Gelächter.

      »Hast du den gesehen?« Matusch lacht immer lauter. »Der läuft wie ein Hase.«

      Felix krabbelt in gebückter Haltung weiter, sucht Schutz hinter einer Reihe dichter Büsche. Erneut ein Schuss, keine zwei Meter entfernt von ihm. Am Ende des Grabens steht eine dickstämmige Birke. Er wartet den nächsten Schuss ab, dann sprintet er los. Nach drei Sätzen hat er den schützenden Stamm erreicht. Plötzlich hört er Motorengeräusche. Der Nissan nähert sich. Und jetzt?

      Ohne nachzudenken, rast er los, spürt weder den Schmerz in den Rippen, noch am Kopf, geschweige denn den an Knien |91|und Waden. Die nächste Kugel trifft den Birkenstamm; da ist Felix aber schon über die ausgetrocknete Furche gesprungen, hat die krumme Kiefer hinter sich gelassen und durchquert ein wogendes weißes Meer von Wollgras, um zu dem schützenden Dickicht zu gelangen. Wieder ein Pistolenschuss, doch dieses Mal in erheblicher Entfernung. Felix atmet durch. Hoffentlich schafft es der Kerl mit dem Auto nicht über den Graben.

      Felix macht einen Sprung ins Buschwerk, Zweige peitschen in sein Gesicht. Er rennt, ohne zu denken, quetscht sich durch dornige Sträucher und kommt auf einer breiten Ebene mit Glockenheide heraus. Die Kratzer im Gesicht bluten, aber das bemerkt er genauso wenig wie die anderen Schmerzen. Atemlos drückt er sich an einen Birkenstamm und lauscht. Stille. Außer dem Surren der Insekten ist nichts zu hören. Vorsichtig löst er den Knoten des Knebels, wischt sich mit dem Unterarm über die Lippen und spuckt aus.

      »Verdammte Schweine!«, flucht er. Sein Selbstmitleid ist in Wut umgeschlagen. Irgendwie muss er hier heil wieder rauskommen – und dann könnten die beiden was erleben.

      Felix atmet einmal tief ein, dann läuft er weiter. Er schlägt einen Haken, überspringt eine Furche, quert eine wildwuchernde Fläche mit Heidelbeeren. Seine Füße laufen wie von alleine. Als er einen tiefen Graben vor sich sieht, springt er hinein und presst seinen Bauch fest auf den moorigen Boden. Die Angst lässt sein Herz bis zum Hals schlagen. Ist es klug, hier liegen zu bleiben?

      |92|29

      Auf Beckmanns Klopfen antwortet niemand. Er öffnet nach dem dritten Versuch die Tür und betritt die Wohnküche, die den Mittelpunkt des renovierten Fachwerkhauses bildet. Martha sitzt auf dem Sofa und liest. Mit ausdruckslosem Gesichtsausdruck hebt sie die Augen und sieht ihn an. Kein Gruß kommt über ihre Lippen.

      »Ich dachte schon, du wärst noch mal fortgegangen.«

      »Hallo Max.« Sichtlich um einen gelangweilten Ton bemüht, verschränkt Martha die Arme vor ihrer Brust. Sie mustert Beckmann von oben bis unten. Sein Igelschnitt ist verschwunden, die Haare sind länger. Das steht ihm gut. Er ist unrasiert, graue Bartstoppeln sprießen. Das macht ihn älter. Aber vielleicht stehen junge Mädchen auf so etwas. Marthas Blick wandert zu seinem Bauch. Er ist schlanker geworden. Ein guter Hahn wird selten fett. Sie zieht die Arme noch enger an sich.

      »Was ist passiert?« Beckmann sucht ihre Augen, doch Martha starrt an ihm vorbei zum Gläserschrank. Blass sieht sie aus, fremd und doch vertraut. Warum lächelt sie ihn nicht wenigstens einmal an? Sie kann sich doch denken, dass es für ihn auch nicht leicht ist, einfach wieder vor ihrer Tür zu stehen, als wäre nichts passiert. Aber was ist eigentlich passiert? Diese eine Nacht, dieser eine Ausrutscher. Beckmann möchte Martha am liebsten an sich drücken, sie trösten, aber er traut sich nicht.

      Martha starrt auf den Holzfußboden. Was ist passiert? Was für eine blöde Frage. Vieles ist passiert, seit sie ihn das letzte |93|Mal gesehen hat. Soll sie ihm etwa sagen, dass sie sich elend fühlt, dass sie ihn vermisst hat?

      »Nun sag schon!« Beckmann wirft ihr einen aufmunternden Blick zu, obwohl er sich von Sekunde zu Sekunde unwohler in seiner Haut fühlt. Wenn sie ihn doch wenigstens einmal ansehen würde. Er hat schon immer gut in ihren Augen lesen können. Dort und nirgends anders zeigen sich ihre Gefühle.

      Endlich


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