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Frostige Gefühle. Sigrid UhligЧитать онлайн книгу.

Frostige Gefühle - Sigrid Uhlig


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die Luft, der Nebel und die Kälte haben zugestimmt. Wir sind fünf, also die Mehrzahl.“

      „Ich stimme für „Nein“, mischte sich der Nebel ein, „und die Meinung von Mutter Erde haben wir eben gehört.“

      Die Kälte enthielt sich ihrer Stimme.

      Der Wind entschied sich für „Nein“. Die Menschen sollten nicht sterben. Es war doch lustig, den Mädchen und Frauen unter die Kleider zu fahren, sie hinter den davonfliegenden Handtaschen oder Hüten her laufen zu lassen und sie ungestraft überall berühren zu dürfen. Er trieb aber nicht nur Unfug. Erhitzen Gemütern kühlte er die glühenden Gesichter. Die trocknende Wäsche umgab er mit seiner unnachahmlichen Frische.

      Die Luft bewegte sich wie auf einem Schaukelstuhl. Wippte sie nach vorn, sagte sie „Ja“. Ging der Schwung nach hinten, sagte sie „Nein“.

      Nach einigen Minuten machte Mutter Erde dem Spiel ein Ende. Alle wussten, dass von der Luft keine Entscheidung kommen werde.

      Mürrisch prasselte das Feuer: „Dann soll es eben so sein, mögen die Menschen leben. Hoffentlich rauben sie jedem Einzelnen von euch ganz brutal den Nerv.“

      „Mutter Erde, ich möchte daran erinnern, dass Vollmond ist. Du weißt sicher schon, wie es weitergehen soll?“

      „Ja, in der Tat. Alle Elemente und Wandler sollen in Extreme verfallen, nicht gleichzeitig, sondern nacheinander. Die Kälte beginnt. Ist diese Periode überwunden, wird die Sonne den Planeten zum Glühen bringen. Schauen wir mal, wie die Menschen darauf reagieren und was sie zu tun gewillt sind, um das Gleichgewicht wieder her zu stellen. Ihr werdet euch selbstverständlich gegenseitig unterstützen. Und noch eines ist mir wichtig! Bestraft nicht immer die Ärmsten der Armen. Lasst ihnen ihre Hütten. Nehmt die, die das Sagen haben. Macht die Paläste zeitweilig unbewohnbar, damit sie lernen, wie wertvoll Hütten sind.“

      „Ich nehme an, der Vorschlag von Mutter Erde ist einstimmig angenommen“, und ohne eine Antwort abzuwarten, stieg der Mond mit Siebenmeilenstiefeln zum Himmel empor. Dort nahm er sein aus dem Flaum der Himmelsschäfchen gewebtes Tuch und putzte die Nebelfeuchtigkeit von seinem Körper. Dann schickte er einen Strahl in Peters Zimmer und kitzelte ihn an der Nase.

      „Hatschi“, nieste Peter und schlief weiter.

      Der Mond lächelte und begab sich auf seine Himmelstour. „Hoffentlich sitzen sie im Canyon nicht noch ewig“, dachte er. „Es wird Zeit für die Flut. Dazu brauche ich das Wasser.“

      Dem Mond war nicht entgangen, dass die Furchen im Gesicht von Mutter Erde noch tiefer geworden waren, als die Kälte den Wasserfall abstellte. Er betrachtete das Wasser als das Blut der Erde, während das Feuer behauptete, es sei das Blut der Erde. „Warum sollte Mutter Erde bei ihrer Größe nicht zwei unterschiedliche Blutbahnen haben?“, überlegte der Mond.

       ZUHAUSE

      hatte Peter von seinen Erlebnissen erzählt. Oft waren auch Marions und seine Clique dabei. Dann wurde eifrig gestritten, ob ein anderes Wort gleichen oder ähnlichen Inhaltes gereicht hätte, um in den nächsten Kreis zu gelangen. Die älteren Jugendlichen waren der Meinung, sie hätten dieses oder jenes anders gemacht. Marion glättete die Wogen und gab zu bedenken, dass nicht sie, sondern Peter die Aufgaben lösen musste und er fünf bis sechs Jahre jünger sei als sie.

      Meistens hörten die Eltern schweigend zu. Anfangs konnte Peter seine Enttäuschung über Hillarius nicht verbergen.

      „Auch wenn du enttäuscht bist“, sagte der Vater. „Hillarius hat pflichtbewusst gehandelt. Du weißt doch, dass ich von meinen Soldaten oft Unmögliches verlangen muss, was du als normal betrachtest. Du tust es nur, weil du Einiges über meine Arbeit weißt. Was aber weißt du über die Arbeit von Hillarius? Und sei mal ehrlich: Bringst du für andere immer die Geduld auf, die du für dich erwartest?“

      Peter wurde sehr nachdenklich. „Vielleicht hätte ich den Garten nicht umzugraben brauchen, hätte ich es erkannt und ‚Pflichtbewusstsein‘ gesagt.“

      „Ob es so war oder nicht, werden wir nie erfahren. Verlangst du nicht zu viel von dir? Denke an dein Alter. Auf Grund dessen fehlen dir die Erfahrungen, die du erst im Laufe deines Lebens erwerben wirst.“

      Nach einiger Zeit trat Ruhe ein. Alle „Aber“, „Täte“, „Hätte“, „Könnte“, „Würde“ waren von allen Seiten behandelt und ausdiskutiert worden. Die Familie führte ein ganz normales Leben.

      Ein Schuljahr war vorbei. Das nächste hatte begonnen. Bereits Mitte September wurde es empfindlich kalt. Auch der Oktober brachte keine warmen Herbsttage mehr. Der Sommer glitt von einem Tag auf den anderen in den Winter über. Die Menschen stürmten die Geschäfte nach warmer Kleidung. Selbst die sehr alten Leute konnten sich nicht an eine so langanhaltende extreme Kälte erinnern. Das alte Jahr ging zu Ende. Das neue war bereits zwei Monate alt. Jeder hatte gehofft, dass es Ende Februar endlich wärmer werde. Nichts geschah.

      Die Eltern betrachteten Peter mit Besorgnis. Ständig sah er blass und erschöpft aus. Sogar Marion fragte: „Sag mal, Kleiner, bist du krank?“

      „Könntest dir das endlich mal abgewöhnen, bin genauso groß wie du“, knurrte er.

      Gemeinsam hatten sie sich zu einem Parkspaziergang durchgerungen. Vor einem Teich blieben sie stehen. Marion und Peter waren traurig, wenn es Winter ohne Kälte gab und sie auf ihm nicht Schlittschuhe laufen konnten. Obwohl er in diesem Jahr sicher bis auf den Grund zugefroren war, verspürten sie bei den Temperaturen nicht die geringste Lust dazu.

      „Ich schließe mich Marion an“, sagte der Vater. „Du siehst wirklich schlimm aus. Warum redest du nicht mit uns über deine Sorgen oder Probleme?“

      Ständig diese lästige Fragerei!

      „Ob es wichtig ist, weiß ich nicht“, meinte Peter einlenkend. „Ich schlafe schlecht und träume fast jede Nacht den gleichen Traum. Bestimmte Personen aus dem Land der Gefühle rufen dauernd um Hilfe. Wie soll ich da hinkommen?“ Er hob ratlos die Schultern. Das Eis schien zu bersten. Dicke Schollen wurden vom Grund hochgeschoben. Peter und Bella waren verschwunden.

      „Bitte, bitte, nicht schon wieder! Warum können wir keine ganz normale Familie sein?“ Den Tränen nah, sah die Mutter Marion und ihren Mann fragend an.

       IM UNBEKANNTEN LAND DER FROMMEN

      Dunkelheit umgab Peter. Er schien zu schweben. Neben ihm winselte Bella. Bei dem Versuch, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen, wollte er nach dem Arm des Vaters greifen. Doch er griff in Bellas Fell. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das Dunkle. Bella und er befanden sich in einer durchsichtigen Luftblase. Daneben tauchte Prinzesschen auf und winkte ihnen zu. Mit einem kräftigen Schwanzschlag schwamm sie an ihnen vorbei, ergriff ein Seil, das an der Blase angebunden war, und zog sie wie ein Luftballon hinter sich her. Die Reise schien Stunden zu dauern. Versuchte Peter, Halt zu finden, beulte die Hülle aus, und er griff ins Leere. Endlich, endlich war mit dem Erscheinen des Tageslichtes das Ende der Reise in Sicht.

      Vorsichtig wurde die Blase aus dem Wasser auf einen Laufsteg gehoben. Die Kälte nahm sie sofort in Besitz, und sie platzte. Helfende Hände befreiten Peter und Bella vom Rest. Peter sah sich um. Es war der Steg zum Unbekannten Land der Frommen. Prinzesschen winkte ihnen zu und tauchte ab.

      Bella hatte ihre Begrüßungszeremonie bereits beendet. Vier Männer umringten Peter. „Da seid ihr ja endlich. Hätten wir noch länger warten müssen, wären wir erfroren.“

      Hillarius kam ihnen entgegen. „Kommt schnell ins Warme.“ Sie betraten das Kloster. In einem Raum standen auf einem Tisch sechs Tassen, aus denen Dampf stieg. Der Koch schnupperte: „Ingwertee, der wärmt durch.“

      Nachdem alle ihre Handschuhe ausgezogen hatten und die Hände an den Tassen wärmten, sagte


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