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Der Tag des Schmetterlings. Jens BöttcherЧитать онлайн книгу.

Der Tag des Schmetterlings - Jens Böttcher


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      „Und wie gesagt, das ist Herr Meier. Wir reisen immer zusammen. Ach, wir sind sowieso unzertrennlich, nicht wahr, Herr Meier?“

      Schließlich streckte Bergmann auch der jungen Dame rechts von sich die Hand entgegen.

      „Und wie ist Ihr werter Name, entzückendes Frollein?“, sagte er wieder mit dem gewinnenden Charme eines Gentleman der alten Schule.

      Sein Tonfall und sein Lächeln schafften es tatsächlich, die harte Schale der jungen Frau immerhin so weit aufzuweichen, dass sie ihm ihren Namen verriet. Außer ihren Lippen bewegte sich an ihr allerdings nichts, während sie sprach.

      „ Jasmin de la Roché“, sagte sie und reichte ihm hochnäsig die Hand, wie eine englische Adelige, die sich dazu herablässt, einen Lieferanten zu beachten.

      „Oh, was für ein bezaubernder Name“, sagte Bergmann schwärmerisch, „ Jasmin de la Roché! Das klingt fantastisch, so edel ... und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf ... gerade deshalb passt der Name ganz vortrefflich zu Ihnen.“

      Jasmin fälschte ein Lächeln, bevor sie sich mit steinerner Miene wieder ins Studium ihres Modemagazins stürzte.

      Herr Bergmann wandte sich zu Herrn Meier, als wäre er gerade schon wieder von ihm angesprochen worden.

      „Oh ja, das finde ich auch. Ganz wunderbar! Oh, meinst du? Aber ich glaube, so etwas fragt man eine junge Dame nicht. Nein, wirklich nicht, das geht nicht.“

      Er richtete seinen Blick nach vorn und schüttelte den Kopf.

      „Tss ... also du kommst auf Ideen“, wiegelte er ab.

      Jasmin schaute erneut von ihrem Magazin auf. Immerhin schien es ja bei dem, was Herr Meier da gerade wissen wollte, wohl um sie zu gehen. Auch die Griesbachs und Daniela hätten gestehen müssen, dass sie durchaus neugierig waren, wenn sie gerade jetzt jemand gefragt hätte.

      Herr Bergmann wehrte derweil einen weiteren Versuch von Herrn Meier ab: „Nein, das tue ich nicht. Dann mach es doch selbst.“

      Er schaute wieder nach vorn und lächelte nun schweigend Herrn und Frau Griesbach an. Dann wandte er sich zu Daniela.

      „Ist das nicht herrlich? Mal einfach so dazusitzen und ein kleines Päuschen von der Arbeit machen? Es ist bestimmt furchtbar anstrengend, immer so herumzurennen, oder?“

      Daniela mochte nicht antworten und lächelte nur etwas unsicher. Herr Bergmann schien es zu spüren und setzte die Konversation einfach fort:

      „Haben Sie sich eigentlich jemals Gedanken darüber gemacht, dass man sich ja nicht nur physisch bewegt, wenn man mit dem Zug oder auch mit dem Auto oder mit dem Flugzeug reist, sondern dass auch die Seele dabei stets in Bewegung ist? Das ist eine große Anstrengung, wissen Sie? Immer von hier nach da, immer unterwegs. Also, ich bewundere Sie, dass Sie das so können. Meine Hochachtung, wirklich. Sie haben eine sehr tapfere Seele. Ja, wirklich. Ihre Seele hat schon viel erlebt und ist viel gereist. Sehr beeindruckend.“

      Daniela wollte es nicht gleich akzeptieren, aber sie spürte, dass es ihr gut tat, was der Verrückte da gerade sagte. Oh, wie wahr das ist, dachte sie und nickte ganz vorsichtig.

      „Und wissen Sie, was ich glaube, was dabei die allergrößte Anstrengung und gleichzeitig umso wertvollere Frucht ist?“, fragte Herr Bergmann in die nun höchst irritierte Runde.

      „Bei all der inneren und äußeren Bewegung, diesem permanenten Stress, dem die überarbeitete Seele ausgesetzt ist, immer noch so unglaublich nett und freundlich zu den Fahrgästen zu bleiben, wie Frau Kurtz. Das ist doch phänomenal. Also wirklich!“

      Es war nicht der Hauch von Spott in Bergmanns Worten. Er meinte es so, wie er es sagte. Daniela fühlte sich nun fast verpflichtet, da etwas gerade zu rücken.

      „Aber, ich ...“, versuchte sie einen Widerspruch.

      „Oh, nein, da gibt es kein Aber, gnädige Frau“, sagte Bergmann mild und nun wieder entwaffnend charmant. Dabei lächelte er ein solch warmes Lächeln, das in Sekunden sogar einen vereisten Schneeball geschmolzen hätte.

      „Sie haben eine wirklich nette, sehr menschenfreundliche und herzerwärmende Seele, Frau Kurtz. Ich habe das gleich gemerkt, als Sie hereinkamen. Herr Meier übrigens auch, nicht wahr, Herr Meier?“

      Er nickte Herrn Meier zu und schaute gleich wieder zu Daniela.

      „Sehen Sie?“

      Daniela wurde etwas verlegen. Auch wenn sie es so bislang nicht betrachtet hatte, aber was Herr Bergmann da sagte, war schon irgendwie die Wahrheit. Sie war ja eigentlich wirklich sehr menschenfreundlich und warmherzig. Jedenfalls gewesen. Früher irgendwann. Bevor sie sich aufgegeben und sich dieses dicke Fell angeschafft hatte, durch das schon lange niemand mehr hindurchschauen durfte.

      „Sie sind bestimmt verheiratet, oder, Frau Kurtz?“, fragte Herr Bergmann nun interessiert und ganz beiläufig, als wäre es nicht die Spur einer Grenzüberschreitung.

      „Ich ... äh, ja“, sagte Daniela.

      „Oh, das haben wir ja gleich gesehen, nicht wahr, Herr Meier? Herr Meier hat sogar vorhin gesagt, das war nämlich, als Sie hereingekommen sind und mit so einer Engelsgeduld gewartet haben, bis der arme Herr Griesbach seine Fahrkarten gefunden hat. Also, da hat Herr Meier gleich gesagt, dass Ihr Mann ein wahrer Glückspilz ist, dass er eine Frau mit so einem wunderschönen Wesen als Gattin bekommen hat.“

      Daniela errötete etwas. So etwas Nettes hatte sie schon lange nicht mehr gehört. Eigentlich hatte sie so etwas Nettes noch nie gehört, schon gar nicht von Thorsten selbst.

      „Sie sind überhaupt sehr schön“, setzte Bergmann dem Ganzen nun noch die Krone auf. Daniela schaute instinktiv für einen kurzen Moment hinaus auf den Gang, um zu verbergen, dass sie ganz rot wurde.

      „Herr Meier sagt, dass Ihre innere Schönheit so sehr nach außen strahlt, dass es das reine Vergnügen ist, Sie anzusehen. Ich habe ihm gesagt, dass man so etwas einer Dame, die man nicht gut kennt, nicht einfach so aus heiterem Himmel sagt, aber er hat darauf bestanden. So ist er manchmal, der Herr Meier.“

      Er lachte und schaute in die Runde. Natürlich lachte niemand mit.

      Bis auf Daniela, die weiter verlegen zum Gang hinausblickte, schauten sich alle Fahrgäste nur befremdet an. Sogar Jasmin de la Roché und Hertha Griesbach tauschten einen kurzen Blick miteinander, der sich nach einer Sekunde der Unentschlossenheit jedoch sofort wieder für das Genre unfreundliche Härte entschied. Hertha schaute daraufhin wieder aus dem Fenster. Ihre Hände hielt sie weiter in den Untiefen ihrer Handtasche versteckt. Und sie zuckte leicht zusammen, als Herr Bergmann nun auch sie ansprach.

      „Und an Ihnen, Gnädigste, wenn ich das auch so offen sagen darf, bewundere ich Ihr Durchsetzungsvermögen und Ihre kraftvolle, selbstbewusste Entschlossenheit. Ohne diese wunderbaren Charaktereigenschaften wären Sie und Ihr werter Gatte ganz sicher nicht so hoch hinausgekommen. Die Gattin des Direktors Bezirk Nordwest. Alle Achtung.“

      Rolf Griesbach freute sich darüber, dass Bergmann etwas Nettes über seinen Posten und seine Hertha äußerte, auch wenn er sich sogleich fragte, ob das, was er da über ihren Charakter sagte, nicht totaler Unsinn war. Hertha Griesbach verzog vorsichtshalber keine Miene. Sie schaute aus dem Fenster und übte weiter die Rolle der distanzierten und latent beleidigten Leberwurst. Bergmann aber fuhr unbeeindruckt fort.

      „Herr Meier findet das übrigens auch. Und er hat mich gebeten, Sie zu fragen, woher Sie ursprünglich stammen? Würden Sie uns die Ehre erweisen, es uns zu verraten?“

      Hertha starrte tapfer hinaus, auf die letzten Meter des leeren und verregneten Osnabrücker Bahnsteigs, den der EC 306 gerade hinter sich ließ. Jetzt wurde sie allerdings angestupst. Ihr Mann stupste dabei nicht genauso, wie sie es vorher getan hatte, also nicht fordernd, sondern ermutigend. Fast wie ein Bruder, der seine kleine, schüchterne Schwester anspornt, doch endlich auch mal wenigstens eine Runde Topfschlagen mitzuspielen. Aber Hertha zog es vor, in ihrer Blümchen-rühr-mich-nicht-an-Rolle zu verharren.

      Herr


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