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Alexa und das Zauberbuch. Astrid SeehausЧитать онлайн книгу.

Alexa und das Zauberbuch - Astrid Seehaus


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Bewegung wippte sie hin und her wie eine Krähe, die ihre Flügel ausbreitet, um das Gleichgewicht zu halten.

      Ach Strobel!, dachte Alexa enttäuscht, was machst du denn hier? Der Schweiß lief ihr den Rücken hinunter, und sie sehnte sich nach einem erfrischenden Bad im Weiher ihres kleinen Dorfes Hasenwinkel.

      Derweil gestikulierte Strobel wild mit seinem Stöckchen in der Luft herum, wie ein Tanzäffchen mit der Rassel, als ob er jemanden durchbohren wollte. Sein lächerliches Gehampel steigerte Alexas Unruhe ins Unerträgliche. Sie verlagerte das Gewicht wieder auf das andere Bein. Das zynische Grinsen des Totenschädels irritierte sie. Die Kirchenglocken setzten erneut mit ihrem Geläut ein.

      „Teufelsdreck und Schweineblut“, platzte es plötzlich in blindwütigem Zorn aus Alexa heraus. „Niemals meine Seele ruht! Sturm und Hagel werden schwemmen, Blitz und Donner niederbrennen, alles, was gar Lüge ist!“ Sie schrie über die johlende Menschenmasse hinweg. Ihre Blicke schleuderten vernichtenden Hass auf die dürren, schwarzen Gestalten, die sie bis dahin stumm angestarrt hatten und sich nun ängstlich in die Nähe des sicheren Kirchenportals zurückzogen.

      „NIEDER MIT DER HEXE!“, intonierte das Volk unterdessen.

      „Brennt sie auf, das WEIBSSTÜCK!“

      „Wir wollen die Hexe BRENNEN sehen!“

      „Eure Seele wird ersterben und die all eurer Erben, so ruf ich bei Sturm und Wind, die meine Kinder sind!“ Alexa richtete ihre gesamte Konzentration auf den Totenschädelmann. Das Feuer schlug hoch und der Rauch nahm Alexa für einen Moment den Atem, doch sie ließ sich nicht beirren und schrie sich die Kehle wund: „Meister! MEISTER!

      Strobel stand so nah bei Alexa, wie es in der schiebenden und schubsenden Menge möglich war. Seine Nerven vibrierten, als er sah, dass die Flammenzünglein sich Alexas Füßen näherten. Verschwitzt und zutiefst besorgt wedelte er mit seinem Stock hektisch herum und murmelte bruchstückhaft eine Beschwörungsformel nach der anderen. Er vergaß dabei jede Vorsicht, doch die Kirchenmänner achteten nicht auf ihn, sondern beobachteten die Hexe, wie sie auf dem brennenden Scheiterhaufen stand und Fluch um Fluch aneinanderreihte wie Perlen an einer Kette.

      „Schweinemist! Schweinemist! Dass du bald von dannen bist!“ Strobel richtete den Stock auf Alexa, als er versuchte, sich an die korrekte Beschwörung zu erinnern.

      Der Rauch zog über ihn hinweg. Er duckte sich zu spät, verschluckte sich und hustete. Als er wieder aufblickte, stand Alexa immer noch in der Mitte des lodernden Flammenmeeres. Zart und zerbrechlich, aber ihre Wut ließ sie um ein Vielfaches größer erscheinen. Sie starrte Strobel an, als ob sie vorhätte, ihn mit Blicken zu durchbohren. Er versuchte, sein Unbehagen zu ignorieren, indem er seinen Stock nach oben stieß, als ob er die Wolken wie mit einem Messer zerschneiden wollte.

      Über die grölende Menge hinweg rief er: „Klee und Schweiß und Wasserralle! Schlangenbrut und Teufelskralle! Fahr hinaus und fahr hinunter, geh vom Scheiterhaufen runter!

      Er wartete ab.

      Es geschah nichts. Wieder geschah nichts.

      „Mach schon!“, schalt er sich. „Strobel, du Esel, du wirst doch jetzt keinen Fehler machen.“

      Es kam auf die richtigen Handbewegungen an, das wusste er. Nicht nur die Worte waren bei einer Beschwörung entscheidend, sondern auch alle Bewegungen, die er dabei auszuführen hatte. Wieder und wieder hatte er diese Formel einstudiert. Stundenlang, tagelang die gleiche ruckartige Bewegung der rechten Hand durch die Luft geübt, zwei Mal nach rechts, zwei Mal nach links, dann über den Kopf hinweg einen großen Kreis gezogen und den Stock nach vorne auf den Gegenstand gerichtet, der sich fortbewegen sollte. Er hatte jede einzelne Bewegung einstudiert. Jede einzelne! Aber warum tat sich dann nichts? Er schien irgendetwas falsch zu machen. Irgendetwas war nicht richtig an der Ausführung. Aber sie musste korrekt sein! Er hatte doch bisher alle Gegenstände erfolgreich verschwinden lassen können. Sogar sein Lieblingsschwein Trulle hatte er von einem Ort zum anderen gehext. Und das war ziemlich schwer gewesen, denn Trulle wühlte ständig nach irgendwelchen Wurzeln oder schnüffelte nach Pilzen und war ein ziemlich ungehorsames Schwein, weil es beim Weghexen nicht still stehen wollte. Und nun sollte er plötzlich versagen? Das durfte nicht sein! Es war lebenswichtig, nicht zu versagen. Nicht hier! Nicht jetzt! Nicht bei Alexa! Sie würde ihm nie verzeihen. NIEMALS! Sie würde ihn ein Leben lang verhöhnen. Vor Aufregung vergaß er dabei, dass sie das wohl kaum könnte, wenn er versagte und sie nicht mehr da war. Er wiederholte die Beschwörung und zog erneut seine Stockkreise in der Luft.

      Nichts!

      Er versuchte es noch einmal und änderte ein klein wenig die Bewegungen.

      Wieder nichts!

      Alexa rollte mit den Augen und zischte: „Strobel, du nichtsnutziger Esel eines Esels!“ Dann fing sie noch einmal von vorne an. Der Rauch nahm ihr fast die Stimme, hinderte sie aber nicht daran, mit hoch erhobenem Kopf ihre Verwünschungen auszustoßen. Sie verwünschte die Kirche, die sie auf den Scheiterhaufen gebracht hatte, sie verwünschte den korrupten Stadtrat, der nichts dagegen unternahm, sie verwünschte die gierigen Geldsäcke von Kaufleuten, die an dem Spektakel verdienten, und zu guter Letzt verwünschte sie die Gaffer, die sich daran erfreuten. Sie wünschte Donner, Blitz und Sturm herbei, was ihr nicht gelang, denn sie konnte ihre Hände nicht bewegen, und die waren unerlässlich bei der korrekten Ausführung eines Schadenzaubers. Aber sie hingen gefesselt am hölzernen Pfahl in der Mitte des Scheiterhaufens und waren zum Hexen nicht zu gebrauchen.

      Was machst du da, Strobel?, dachte Alexa erzürnt, als sie den Schweinehirten herumfuchteln sah, als ob er einen Schwarm Mücken vertreiben wollte. Mir geht hier die Luft aus und du Esel unterhältst das Publikum mit deinen Kunststückchen?! Sie beobachtete, wie sich Strobel mit dem Stock abmühte, und fast hätte sie gelacht, wenn die Lage nicht so tödlich ernst gewesen wäre. Dann sah sie, wie er erneut die Hände in die Luft reckte ... und lächelte erleichtert.

      Er war gekommen!

      Ihr Hexenmeister!

      Alexa fühlte es mehr, als dass sie ihn sah, denn der anfänglich rauchige Qualm war zu einer dicken Nebelwand geworden, die sich wie ein Vorhang vor ihre Augen legte. Sie hustete.

      Der Hexenmeister Meldec Schrawak war in seinen kostbaren Gewändern als solcher nicht zu erkennen. Nur sie und Strobel und die anderen Hexenbrüder und -schwestern wussten, wer er wirklich war. Für die Nichteingeweihten war er lediglich ein angesehener Kaufmann.

      Sie lachte. Jetzt würde alles gut werden, wenn Meister Schrawak die Dinge in die Hand nahm. Sie mochte ihn. Mehr noch als das, sie verehrte ihn.

      Meldec Schrawak war groß, noch größer als Strobel, hatte schulterlange, schwarze Haare und braune Augen, und er rollte das Rrrr, wie nur er es rollen konnte. Er war ihr Lehrmeister, obwohl sie keinen mehr gebraucht hätte.

      Minne Vrouwe hatte sie und Strobel nach sieben anstrengenden Lehrjahren mit vierzehn als ausgebildete Hexe und Hexer entlassen. Dass sie und Strobel zur gleichen Zeit von ihr ausgebildet worden waren, war ungewöhnlich, denn die traditionelle Hexenregel besagte, dass nur ein Lehrling zur gleichen Zeit und dann auch nur ein Bursche, von einer Hexe ausgebildet werden durfte. Mädchen lernten üblicherweise bei Hexenmeistern. Doch Minne Vrouwe hatte eine Ausnahme gemacht, als sie Alexa zum ersten Mal gesehen hatte. Alexa wurde geboren, kaum hatte die Kirchturmuhr mit zwölf Schlägen den letzten Tag des Aprils beendet. Und danach war die Meisterin zum Tanzplatz geflogen und hatte mit ihren Schwestern die ganze Walpurgisnacht hindurch Alexas Geburt gefeiert.

      Alexa lächelte, als sie daran dachte. Natürlich konnte sie sich nicht daran erinnern, dass Minne Vrouwe sie am Tag ihrer Geburt besucht hatte. Ihre Mutter Zerte hatte es ihr erst erzählt, als sie zu ihrer Hexenmeisterin gebracht wurde. Alles musste seine Ordnung haben. Mit sieben Jahren war sie, Alexa – das siebente Kind von sieben – zur Meisterin gekommen, und sieben Jahre später, mit vierzehn, hatte sie ihre Lehre beendet, um ihr Wissen anzuwenden und Gutes zu wirken. Aber dann war Meldec Schrawak gekommen und hatte sie gefragt, ob sie nicht vielleicht noch einmal für sieben Jahre in die Lehre gehen wollte, und zwar bei ihm, und sie hatte ohne Zögern


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