Alexa und das Zauberbuch. Astrid SeehausЧитать онлайн книгу.
war herzförmig und das Kinn spitz. Sie sah richtig niedlich aus. Wie eine liebe Hexe aus einem Bilderbuch.
„Was willst du?“, fragte Alexa wachsam.
Gisela lächelte schüchtern. „Ich wollte dich nicht erschrecken.“
Empört reckte Alexa ihr spitzes Kinn. „Niemand kann mich erschrecken“, entgegnete sie und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihr Herz hämmerte.
Giselas Lächeln wurde noch zaghafter. „Das war dumm von mir. Entschuldigung. Magst du vielleicht ein Stück Kuchen essen?“ Oh Mann! Konnte ihr nichts Besseres einfallen? Musste sie auch jetzt noch ans Essen denken? Sie fing an zu stottern: „Ich kann dich einladen, wenn du willst, ich meine, ich ...“ Sie wusste nicht mehr, wo sie hingucken sollte. Der Blick dieses Mädchens ließ sie ganz unsicher werden. Hatte sie sich ihr jetzt aufgedrängt? Und wäre es vielleicht besser zu gehen? Warum sagte die Fremde denn nichts? „Ich wollte dich nicht beleidigen. Ich dachte, du willst ... du hast vielleicht Hunger?“ Gisela merkte, wie ihre Stimme vor Aufregung quietschte. „Ich gehe oft hierher, um etwas zu essen.“ Schon wieder redete sie vom Essen! „Es ist das beste Café in der Fußgängerzone.“ Meine Güte, fiel ihr denn kein anderes Thema ein?
Alexa blickte noch einmal in die Auslagen des Geschäfts. Sie sah Gebäck in allen Farben und Formen, und wenn sich diese Zaubertür aus Glas öffnete, umspielte der wunderbare Duft von süßen Köstlichkeiten ihre Nase wie daheim bei der Bäckermeisterin. Sie hatte von Giselas Geplapper nur eines begriffen. Und sie hatte Hunger. Essen war also gut.
„Kuchen?“, entschlüpfte es ihr sehnsüchtig. „Ja richtig, mein Bauch hat ein Loch. Es sollte mit einer guten Mahlzeit gefüllt werden“, und als ob es ihr erst jetzt aufgefallen wäre, beendete sie ihren Satz vergnügt: „Und ein kühles Bierchen soll meinen Durst löschen.“
Giselas Gesichtszüge entgleisten, und sie hauchte schwach: „Nun, äh, Bier? Das vielleicht nicht, aber vielleicht magst du Apfelsaft?“
„Ja, Apfelsaft ist auch gut, wenn auch nicht so gut wie Bier.“ Alexa nickte ernsthaft.
Gisela überdachte ihre spontane Einladung. War es falsch gewesen, dieses Mädchen anzusprechen? Wenn sie es recht betrachtete, sah sie aus wie eine, die von zu Hause weggelaufen war. Eine, die womöglich bettelte, oder schlimmer: die stahl. Wieso musste sie ihre Nase auch überall reinstecken? Sie hätte sie doch gar nicht anzusprechen brauchen. Sie wandte sich abrupt ab. „Tut mir leid.“ Mit einem hastigen Blick auf ihre Armbanduhr fuhr sie fort: „Ich muss mich beeilen. Meine Mutter wartet mit dem Essen auf mich.“ Das stimmte zwar nicht, aber das konnte die eigenartige Fremde ja nicht wissen. Ohne ein weiteres Wort hastete Gisela davon.
Alexa sah ihr bestürzt nach. Dieses Mädchen hatte sie einer Prüfung unterzogen, und sie hatte sich verraten. Hexen liebten Bier über alles, das war bekannt. Und nun wusste die Hexenjägerin, was sie war. Sie musste ihr folgen, um ihr den Bannzauber aufzuerlegen. Das Mädchen durfte unter gar keinen Umständen die Kirche erreichen.
Alexa hob die Arme und intonierte: „Klariplex und Würgeschnack, ich aus dir ein Backstein macks...ks...ks ...“ Leider fing sie fürchterlich an zu niesen. Damit war der Zauber wertlos und die Jägerin immer noch kein Pflasterstein. Erneut fuchtelte sie mit den Armen. „Hacksehickse-dickse-du, ich habe endlich vor dir Ruh.“ Auch das half nichts, und Alexa sprach einen anderen Zauber. „Hammelbart und Ziegendreck, bist du bald vom Flecke weg!“
Nichts geschah. Sie hielt ratlos inne. Was war mit ihrer Hexenkunst geschehen?
Plötzlich drehte sich Gisela um, und Alexa blieb nichts anderes übrig, als sich, so schnell sie konnte, ihren Blicken zu entziehen. Ohne nachzudenken schnippte sie und sprach die Ortsveränderung. In der nächsten Sekunde fand sie sich in einer vollen Regentonne wieder.
Gurgelnd sprudelte sie: „Wasserralle, Ochsenblut, als Fisch bist du mir auch sehr gut.“ Und gurgelte sicherheitshalber hinterher: „Schuppenflechte, Karpfenmaul, sollst dich strecken zu ‘nem Gaul.“
Nichts! Einfach gar nichts!
Die Situation wurde vollkommen verrückt. Missmutig krabbelte sie aus der Tonne und eilte der Hexenjägerin patschnass hinterher. Irgendwann würde das mit dem Bannen schon klappen.
Zwei Tage ging das so. Nach diesen Tagen intensivster Beschattung stellte Alexa fest, dass die Hexenjägerin gar nicht daran dachte, eine Kirche aufzusuchen, sie kam noch nicht einmal in die Nähe einer Kirche. Am Morgen ging das Mädchen in die Schule. Am Nachmittag saß sie in ihrem Zimmer und betrieb ihre Studien. Danach holte sie einen kleinen Jungen ab und spielte mit ihm. In der Nacht blieb sie im Zimmer und verließ für keinen Moment das Bett, obwohl die Nächte so lau und schön waren.
Verhexte Hexerei
Alexa saß wieder in einem Baum im Park und hatte dieses Mal die Eingangstür der Schule im Auge. Sie hatte von Minne Vrouwe und den anderen Hexen viele Geschichten vernommen, aus denen hervorging, dass Hexenjäger nur mit äußerster Vorsicht von den Hexenmeistern gebannt werden konnten, weil sie verschlagen und hinterhältig waren. Man musste um das eigene Leben fürchten, nahm man den Kampf mit einem von ihnen auf.
Das Mädchen, auf das sie nun wartete, erschien ihr überhaupt nicht verschlagen, sondern eher freundlich. Doch Freundlichkeit konnte auch der Speck sein, mit dem die Maus gefangen werden sollte. Und Alexa beschloss, nicht die Maus zu sein, sondern die Katze.
Plötzlich öffnete sich die Schultür und zehn Jungen und Mädchen traten aus dem Gebäude, lärmend wie die Spatzen. Einige rannten ungeduldig die Stufen hinunter, angeführt von einem Mann mit silbergrauen Haaren, andere gingen gelangweilt hinterher, über die Straße in den Park. Dort fielen sie zusammen in einen lockeren Trab.
Alexa beobachtete, wie sie im Kreis rannten, ohne ein einziges Mal die Wege zu verlassen. Die Hexenjägerin war das Schlusslicht der Gruppe. Ihr Gesicht war rot, und sie schnaufte wie ein Zugochse, der seine Last bergauf zog. Alexa konnte ihre Neugier nicht unterdrücken. Sie schnippte sich neben Gisela und lief locker neben ihr her. Keiner achtete auf sie.
„Unterliegt ihr alle einem mächtigen Bannzauber?“ Alexa musterte Gisela fragend. „Hat euch der Mann mit dem Silber im Haar diese Folter auferlegt?“
Gisela glotzte das Mädchen an, das so locker neben ihr herlief wie ein junges Fohlen. Sie waren kaum zehn Meter gelaufen und schon fing Gisela an zu keuchen. Im Stillen fluchte sie, dass sie überhaupt auf der Welt war. Sie hasste Sport.
„Was machst du denn hier?“, presste sie hervor. „Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen?“
Alexa musterte sie misstrauisch. Wollte ihr die Hexenjägerin damit etwa sagen, sie habe sie bereits im dunklen Verließ der Kirchenknechte geglaubt?
„Deine Augen täuschen dich nicht, ich bin noch da. Hast du etwas anderes erwartet?“
Gisela reagierte nicht weiter. Sie war schon jetzt total fertig.
„Wieso quält euch dieser Schurke?“, fragte Alexa erneut.
Gisela blickte Alexa verstört an. – Dieser Schurke? – Dieses Mädchen hatte eine seltsame Art zu sprechen. Wo kam die denn her? Sie lachte freudlos auf. „Das ist Herr Bastian, unser Kursleiter für das Freeclimbing, und er versucht, uns fit zu machen. Bei mir hat er leider keinen Erfolg.“
„Warum nicht? Du tust schwere Arbeit. Schwerer als ein Bierkutschengaul.“
Gisela grunzte beleidigt.
Sie drehten ihre Runden, und es schien kein Ende zu nehmen, bis sie an eine Wand kamen, die aussah wie ein Felsen. Alexa schnippte sich, unbemerkt von Gisela und den anderen, auf einen Baum und wartete. Die Sportler streckten und dehnten ihre Körper. Manche gingen in die Grätsche und beugten sich vornüber, andere legten sich auf den Rücken und strampelten mit den Beinen in der Luft herum.
„Clemens, du wirst zuerst klettern!“, beschloss Silberhaar und beendete damit diese wunderlichen