100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1. Erhard HeckmannЧитать онлайн книгу.
denn sie gilt an dieser Küste als der Pionier und ist seit Jahrzehnten auch ab Ucluelet im Geschäft. Zodiaks oder das Zwanzigmeterboot „Leviathan II“? Wir zogen die große Version vor, denn wie negativ sich feuchtes Wetter und morgendliche Nebel auf die empfindlichen Videokameras auswirken können, das hatten wir auch schon erfahren. Letztlich spielte aber diese Überlegung auch keine Rolle, denn die Tour war, wie es der Volksmund formuliert, „vollkommen für die Katz“. Anfangs zäher Nebel, danach weder Graunoch Buckelwale dort, wo das Schiff nach ihnen suchte, und am Ende eine Herde Robben, die mit erstaunlichem Tempo die Felsen ansteuerte, auf denen weitere Exemplare ihrer Art fett und faul den Tag zu betrachten schienen. Ob zutraf, dass sich die gigantischen Meeressäuger in diesem Jahr nicht so ganz genau an ihre Hauptwanderzeit hielten, oder ob das Schiff ganz einfach nur zur falschen Zeit am falsche Ort war, spielte dann auch keine Rolle mehr. Fazit: 228 $ für drei Stunden frische Seeluft, allerdings für zwei Personen.
Tofino selbst liegt am oberen Ende des Pacifc Rim National Parks, den 1.000 Jahre alte Regenwälder, menschenleere Naturstrände und raue See prägen. Südlich des Barkley Sounds beginnt (oder endet) bei Bamfield der 77 Kilometer lange West Coast Trail, der durch diese Regenwald-Wildnis führt und bis zu seinem südlichen Ende zu Port Renfrew den Wanderer auf eine harte Probe stellt. Dass die Sonne oft Stunden braucht, um die Nebelschwaden zu vertreiben, nehmen die Menschen eher gelassen. Hier lebt jeder wie er will, doch respektiert er dabei seine Nachbarn und akzeptiert auch neuere Abenteurer wie die internationale Szene der Surfer, die am legendären Long Beach Strand auf die richtige Welle wartet. Das muss wohl auch so sein, denn Tofinos Einwohner sind ja auch der Meinung, dass sie in der Welthauptstadt der guten Laune leben. Nachdenklicher stimmt mich allerdings, was mir der Indianer Joh Martin sagt, der kunstvolle Gegenstände schnitzt und auch den alten Bootsbau noch beherrscht: „Wenn du ein Kanu bauen kannst, dann bist du frei, denn dann kannst du auch den großen Reichtum nutzen, den die Natur dir bietet.“
Nach „Fisch und Chips“, einer ordentlichen Portion Heilbut für je 12 $, verlassen wir gegen Nachmittag das Touristenörtchen und machen uns auf den „Heimweg“, denn in zwei Tagen soll uns die vorgebuchte Fähre von Victoria hinüber nach Port Angeles im amerikanischen Bundesstaat Washington bringen. Eile bestand zwar nicht, aber wie gut es ist, zeitliche Reserven zu haben, das sollte sich schon am gleichen Abend auf dem sehr schönen Campingplatz im Little Quallicum Falls Provincial Park zeigen. Dort hatte ich gegen 18 Uhr unsere Selbstregistrierung erledigt, den Obulus in die eiserne Box eingeworfen und war zum Fahrzeug zurückgegangen wo wir beschlossen, vor dem Grillen noch einen Rundgang zu unternehmen. Der Rest ist schnell erzählt. Die Tür fiel ins Schloss, das Auto war zu, der Schlüssel drinnen und wir draußen. Was ich nie tue, war passiert: Beim Notieren der Kilometer hatte ich den Schlüssel vor mir auf den Sitz gelegt und beim Aussteigen die Türsicherung nach unten gedrückt. Glück im Pech: Die Parkrancherin Carmen fuhr an diesem Abend eine Kontrollrunde und rief über Funktelefon aus einem der Küstenorte einen „Lock-Smith“, der eine Stunde später eintraf, innerhalb von Sekunden die Tür öffnete und mit siebzig Dollar einen mehr als fairen Preis verlangte. Das Unglaubliche aber kam zu Schluss: Carmen kam nochmals wieder und brachte mir meine 20 $ Übernachtungsgebühr mit der Bemerkung zurück: „Dieser Tag ist für Dich schon teuer genug.“ Glück hatten wir auch am nächsten Tag in Victoria: Das Grand Royal Pacific Hotel löste unser Übernachtungsproblem für 18 $ mit einem Standplatz beim Partnerhotel „Royal Scotts“, und am nächsten Morgen bekam Sabine als Geburtstagskind auf der Black Ball Fähre MV Coho, die bis zu 1.000 Passagiere und 115 Autos nach Port Angeles mitnehmen kann, ein Freiticket. Bei der hilfsbereiten Rancherin haben wir uns zum folgenden Weihnachtsfest entsprechend bedankt, und wie jene Reise weiterging, erzählt ein späteres Kapitel, denn hier machen wir wieder den Sprung zurück in das Jahr 2000, als sich mein Busnachbar John zu Campbell River verabschiedet und mir seine Visitenkarte mit den Worten reicht „wenn Du wiederkommst und Zeit hast …“ Dann tippt er sich mit dem rechten Zeigefinger an die Hutkrempe, wirft seine Tasche über die linke Schulter und schlürft zu seinem geparkten roten Pick-up. Er wohnt in Gold River und hat auf der „28“ noch 90 Kilometer vor sich. Diese Fahrt führt ihn auch durch den nördlichen Teil des Strathcona Provinzparks, in dessen Grenzen sechs der sieben höchsten Inselberge, alpine Seen, Wildblumenwiesen, Wasserfälle und schöne Wanderwege zu finden sind.
Wir wechseln in Campbell River, wo Autofähren die nahem Ziele Quadra, und das für seine sanften Seen und rauen Schluchten bekannte Cordes Island offerieren, nur den Bus. Bei Sayward beginnt die eigentliche Nordinsel, und als das Ortsschild Woss vorbeihuscht sind wir im Nimpkish Valley von einsamen Waldregionen mit uralten Zedern und Fichten umgeben und von der Küste sehr weit entfernt. In diesem Berggebiet brummt der Bus auf und ab bevor es für ihn an der Ostseite des Nimpkish Lakes wieder leichter wird und kurz später ein Abzweig Telegraph Cove ankündigt. Auf dem Fahrplan steht diese Schotterpiste zwar nicht, aber hier tut man schon mal jemandem einen Gefallen der schwer zu tragen hat oder schlecht zu Fuß ist. Der Stopp war kurz, und auf das Örtchen selbst sollten wir noch zehn lange Jahre warten müssen. Und wie das ausging, war bereits zu lesen. Erwähnt sei noch, dass der Name von der Telegraphenstation kam, die vor dem 1. Weltkrieg hier etabliert worden war, und deren Kabel sich entlang der rauen Küstenlinie von Baum zu Baum schwangen. Danach kam Alfred Wastell. Zusammen mit japanischen Investoren errichtete er eine „Chum-Salmon Saltery“ und ein Sägewerk, um die haltbar gemachten Lachse auch verschicken zu können. Dann baute er Post, Schule und weitere Gebäude, von denen einige, restauriert, in unsere Tage überlebten, während Killerwhale Cafe und Old Saltery Pub neuere Errungenschaften sind und dem Tourismus dienen. Für diesen sorgen Wale, Grizzlys und die Firmen Stubs Island Whale Watching und Howard-Tide Rip Tours. Während etwa 16 Schulen mit über 2.000 Orcas, die nach dem Mythos der Indianer die Seelen der Ahnen durch die Unterwelt tragen und somit größte Hochachtung genießen, ab Ende Juni Stubs beschäftigen, hat sich das andere Unternehmen mit Zwanzigmeter-Booten auf die Bären im Knight Inlet auf der Festlandseite spezialisiert. Und sofern man nicht mit dem Wasserflugzeug ab Vancouver oder Campbell River einen Direktflug zur Knight Inlet Lodge bevorzugt, die 60 Kilometer von der Bucht entfernt zu „Glendale Cove“ im Inneren liegt, und eine Bootstour wählt, sind durchaus auch Wale und Seeadler inbegriffen. Die Lodge selbst, die am 25.9.2012 abbrannte und im Frühjahr 2013 neu eröffnet wurde, bietet ihrerseits auch Wal-, Regenwald- und See-Kajaktouren an. Und was die Bären angeht: Im Umkreis von rund fünf Meilen leben etwa fünfzig Bären, denen mehr als drei Kilometer Laichgewässer zur Verfügung stehen. Im Mai und Juni ist die Zeit der „Cubs“, die ihr erstes Frühjahr an der Seite ihrer Mütter erleben, die Hochsaison ist der Herbst, denn dann kommen die Lachse. Zwischendurch ziehen sich die Grizzlys verstärkt in den Wald zurück. Der Zug der Fische ist vom Vollmond abhängig, doch zieht der „Pink“ in der Regel am 5. oder 15., seltener am 28. August in die Bucht ein. Anfang Oktober sind die meisten Touristen längst wieder zu Hause, aber die „Bärenzeit“ hält noch immer an. Im letzten Drittel des Monats, wenn das Wetter wieder schlechter wird, sollte man aber wieder auf dem Heimweg sein. Auf eigenen Rädern lässt sich das Night Inlet nicht erreichen, und der Klinaklini River, der sich kurz vor seiner Einmündung ins Inlet von den Kunaklini und Franklin Gletschern in drei bis viertausend Meter Höhe flankiert sieht, wäre nur für routinierte „Kajaker“ eine Möglichkeit. Die mit Abstand beste Adresse für Bären heißt aber Homer, und das liegt etwa fünf Autostunden südlich von Anchorage in Alaska.
Unser Bus hat zwischenzeitlich auch in Port McNeill noch ein paar Passagiere aufgenommen, dessen Grundstein 1937 die Pioneer Timberland Company legte, den Namen jedoch Käpt’n William McNeill spendierte, der 1825 an diese Küste gekommen war und zehn Jahre später das Hudson’s Bay Company-Schiff „Beaver“ kommandierte. Wenig später sind wir am Ziel, die „Nummer 19“ ist zu Ende und Port Hardy erreicht. Unser aus Holz gebautes Hotel „North Shore Inn“ liegt in Meeresnähe, hat Gasthofcharakter und ist innen um einige Klassen besser als von außen. Die Formalitäten beschränken sich auf ein „Welcome“ und kurz später stiefeln wir los, um den 5.000-Einwohner-Ort zu erkunden. Die Beschreibung im Reiseführer ist zwar nicht aufregend, aber abmarschieren muss man ihn schon.
Das Wichtigste ist hier ohnehin das B.C.-Ferries-Terminal, das nicht nur für die neuere Discovery Passage verantwortlich ist, sondern ganz besonders für die großen und komfortablen Autofähren der Inside Passage. Das ist ein weltberühmter Seeweg durch das Labyrinth von Fjorden und Inseln entlang der vergletscherten