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100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1. Erhard HeckmannЧитать онлайн книгу.

100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1 - Erhard Heckmann


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ist sicherlich ein Fleckchen Erde, wie man sich Alaska im fernen Europa vorträumt. Zusätzlich befindet sich auch der berühmte Glacier Bay National Park ganz in der Nähe, den nur die Fairweather/St. Elias Mountain Range von dem sympathischen Ort trennt, die zu den höchsten Küstengebirgen der Welt zählt. Und diese Wildnis aus Wasser, Fels, Eis und dichtem Wald ist ein weiteres Reiseziel, das Sehnsucht weckt. Die Gezeitengletscher haben sich dort zwar so schnell zurückgezogen wie nirgendwo in der Welt, doch zeigen sich immer noch Eisgiganten, die das Meer aus drei Meilen Höhe erreichen. Solche wie der „Margerie Gletscher“, der seine kalte Fracht vom 4.671 Meter hohen Mount Fairweather zu Tal schiebt, oder der „Grand Pacific“, ein anderer Star dieser Bucht, der sich am schnellsten zurückzog. Als Georg Vancouver 1794 hier vorbeikam, blockierte der weise Koloss noch die „Icy Street“, war 85 Jahre später schon 48 Meilen von ihr entfernt und hatte sich 1916 um siebzehn weitere zurückgezogen. Damit war die Glacier Bay von heute eisfrei und nicht mehr das, was Vancouver sah und notierte:

      „Ein kompakter Berg aus Eis bis zum Wasserrand, zwanzig Meilen breit und 4.000 Fuß dick …“ Dieser „Berg voller Eis“ ist heute nur noch ein Monument. Es ist der größte Nationalpark in Südost-Alaska, der Welt größter Marinepark und Weltkulturerbe. Diese 1,3 Millionen Hektar eisige Wildnis voller Schönheit vereint 12 Gezeitenwasser-, 30 alpine und wenigstens ein Dutzend weitere namenlose Gletscher, die aus den Saint Elias Bergen in die beiden Arme der Glacier Bay fließen. Das Eis, das sich am Mount Fairweather auftürmt, der an der Grenze zu Alaska aber noch zu British Columbia gehört, stürzt pro Meile etwa 300 Meter nach unten, wo der Margerie Gletscher 25 Stockwerke hohe Eisbrocken in die Bucht kalbt. Der Ausflug in diesen Park, mit Schiff oder Buschpilot, ist gleichzeitig auch eine Reise durch zwei Jahrhunderte. Eine vielfältige Vogelwelt bevölkert hier die Felsen, an den Ufern schlendern Bären entlang und die lautlos auftauchenden Wale hinterlassen den Eindruck, als ginge es ihnen um einen flüchtigen Blick auf die Welt oberhalb ihres Lebens. In Wirklichkeit sind sie nur hier um zu fressen, nachdem sie in Hawaiis Gewässern ihre Jungen gebaren und eine langen Reise hinter sich haben. Und es ist hier in der Icy Street, wo der Naturliebhaber am ehesten das große Glück haben kann, sie beim gemeinsamen fischen zu erleben. In der Tiefe unterhalb eines Fischschwarmes kreisförmig versammelt, lassen diese gewaltigen Meeressäuger Luftblasen aufsteigen, um anschließend die Panik der Fische zu nutzen und mit weit geöffneten Mäulern senkrecht nach oben zu schießen, wo der eingekreiste Schwarm wie in großen Trichtern verschwindet.

      Der Glacier Bay Nationalpark ist ein majestätischer, mystischer Ort und Gustavus dafür der Ausgangspunkt. Wir werden ihn auf unserer Reise nicht erleben, aber ich glaube schon, dass wir das noch irgendwann nachholen. Heute können wir uns von diesem riesigen Land noch gar kein Urteil erlauben, denn unterwegs gab das Wetter von Alaskas Kulisse nur wenig frei, und unser wirkliches Abenteuer beginnt erst, wenn wir dieses Schiff verlassen. Andererseits habe ich das Gefühl, dass es uns schon längst „gepackt“ hat. Warten wir ab ob es wirklich so wird, wie es das Gefühl verspricht: Die große Freiheit auf vier oder sechs Rädern inmitten einer gigantischen Landschaft, in der einhundert Kilometer gleich um die Ecke bedeuten? Ich denke schon …

      Kurz nach 21 Uhr legt unsere Fähre in Haines auch schon wieder ab und eine gute Stunde später stehen wir mit beiden Füßen im Hafen einer Stadt, deren Keimzelle ein einziges Blockhaus eines weißen Siedlers war, in Skagway. Die Hütte gehörte William Moore, der zusammen mit dem Indianer Skookum Jim Mason die Route über den White Pass etablierte, als 1897 die Kunde vom „Gold im Yukon“ ihren Lauf nahm und Tausende Schürfer, Unternehmungslustige, Risikobereite und Gauner die Inside Passage herauf kamen, um den Weg nach Dawson, tief im kanadischen Yukon, fortzusetzen. Sie alle mussten sich über den Chilkoot- oder White Pass quälen, und so mancher „Miner“ bis zu fünfunddreißigmal. Erst dann hatten er, seine Ausrüstung und Habseligkeiten die erste Klippe gemeistert. Doch bevor sie sich auf den qualvollen Weg machten wurden sie mit einer „Stadt“ konfrontiert, die innerhalb weniger Monate zwanzigtausend Goldsucher zum Ziel hatten. Hier und im benachbarten Dyea, das auf dem Land eines indianischen Dorfes entstand, wuchsen urplötzlich Zelte, Hütten und Holzhäuser empor, die aus dem Nichts zwei Städte mit unglaublicher Geschäftigkeit entstehen ließen. Mitten drinnen auch achtzig Saloons, grell geschminkte Damen, Spieler, Betrüger, Gauner jeder Art und die flinken Finger der Diebe. Berüchtigt war damals ganz besonders Jefferson R. „Soapy“ Smith. Mit seiner erbarmungslosen Gang erpresste er Schutzgelder, kontrollierte etwa 200 Ganoven und kassierte für Telegramme, obwohl gar keine Telegrafenleitung existierte. Der heutige Tourist findet sein Grab auf dem „Goldrush Grave Yard“ in der Nähe der Stadt und kann auch sein Ende, eine Schießerei vom 8.7.1898 nacherleben, in der abendlichen Show „The Days of ’98“, die die Eagles Hall präsentiert. Außerdem: An jedem 8. Juli wird zu Skagway auch der „Soapy Smith’s Wake“ zelebriert. Die Erinnerung an jene wilden Tage wird auch in einem Teil des Stadtzentrums als „Klondyke Gold Rush National Historical Park“ weitergelebt und die vergangene Zeit angehalten. Was sonst noch für die Stadt wichtig ist, darüber informiert eine Broschüre des Visitor Centers: „Skageway hat fünf Kirchen, eine Bibliothek, eine Bank, und neben B&B decken die 382 Hotel- und Motel-Zimmer in 12 Unterkünften von modern bis historisch alles ab. In der 12-klassige Schule mit 17 Klassen-Zimmern unterrichten 12 Lehrern und ein Direktor durchschnittlich 125 Schüler; The Skagway News erscheint zweimal wöchentlich, eine Mittel- und Kurzwellenstation stellt der Nachbarort Haines bereit und die Fernsehversorgung stellt das ARC System sicher. Der Kabelserve mit 14 weiteren Programmen kostet monatlich 46.84 $ zusätzlich. Zwei Parks, ein Spielplatz, Museum, Bowlingbahn, Zelt- und Wohnmobilplätze ergänzen Freizeitmöglichkeiten wie wandern, angeln, campen oder Ski und Snowmobil im Winter.“ Soweit das kleine Faltblatt im Jahr 2000, in dem mindestens 600.000 Besucher erwartet wurden. Für einen Rundgang ist eher die Rückseite des Faltblattes interessant, denn dort ist unter der Überschrift „Skagway, Gateway to the Klondyke“ die schachbrettartige Stadt fein säuberlich skizziert. Rechts liegen die Dogs, links verlässt der Klondyke Highway das Städtchen in Richtung Carcross, während der Skagway River die Skizze im Vordergrund begrenzt. Parallel dahinter der Airstrip, der in Alaska nicht fehlen darf. 23 Avenues kreuzen vier Parallelstraßen rechtwinklig, wobei aus der dritten, der State-Street, der Klondyke Highway hervorgeht und die Eisenbahn am oberen Rand den Stadtplan abschließt.

      Unser Hotel, das Westmark-Inn, liegt in der Nähe der Ferry-Dogs, 3rd Ave/Broadway Street, und für fünf Taxidollar ist die Entfernung in wenigen Minuten überbrückt. Seine vier Sterne stehen für eine solide und saubere Herberge mit geräumigem Zimmer und Bad, TV, Radio und Mini-Bar. Mit einem Burbon aus ihrem Inneren stoßen wir auf das Ende unserer erste Etappe an und stiefeln dann sofort ins Zentrum, um einen Überblick zu gewinnen. Kurz vor Mitternacht lassen wir uns noch im hellrot gestrichenem „Mascot-Saloon“ nieder, denn ein Bier in einem solchen ist hier schlichtweg ein Muss. In der alten Zeit soll er einer der übelsten gewesen sein, doch scheint die rustikale, gut besuchte Einkehr, in der Country-Musiker für Stimmung sorgen, auch heute noch sehr beliebt zu sein. Verständlich, dass auch wir schnell Kontakt finden und uns nach dem zweiten Bier aus dieser lustige Runde gar nicht so gern verabschieden. Wir müssen aber unbedingt ins Bett, denn morgen früh 8 Uhr startet unser Zug nach Whitehorse, und vorher möchten wir den Ort noch kurz bei Tageslicht erkunden.

      Vom Hotel bis zum Broadway sind es am nächsten Morgen nur wenige Schritte, und damit sind wir auch schon im Freilichtmuseum der Goldrauschzeit, dem denkmalgeschützten Teil, angekommen. Inmitten geschichtsträchtiger Gebäude, falscher Fassaden und Holzstege lässt sich jene alte Zeit schon ein wenig erahnen, doch ist das Überleben dieser Atmosphäre auch der Tatsache zu danken, dass die Stadt von den Feuern verschont blieb, die so viele andere Orte jener Zeit ganz oder teilweise vernichteten. Schwerer vorstellbar allerdings, dass Skagway damals die größte Stadt Alaskas war und eine Gruppe britischer Finanziers in der Erschließung des Yukons schon recht früh eine lukrative Zukunft voraussah, und im Juli 1898 mit der Konstruktion einer Schmalspurbahn über den White Pass begann. Zwei Jahre später war der Schienenstrang bis Whitehorse gelegt, das regionale Dampfschiffsystem angebunden und von der White Pass Corporation ein Transportnetz auf den Weg gebracht, das noch heute existiert. Während des Goldrausches boomte Skagway, und dank seines eisfreien Hafens zusätzlich auch als Warenumschlagsplatz und Tor zum Landesinneren. 1899, als sich die Goldgier nach Nome verlagerte, erschlaffte die Stadt, und während der Jahrhundertwende wurden viele Geschäfte aus den Straßen an


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