100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1. Erhard HeckmannЧитать онлайн книгу.
indianische Gesichtszüge ja, aber geprägt von der neuen Welt, die jedem Naturvolk feindlich gesonnen ist.
Unsere ersten Eindrücke sammelten wir in Vancouver. Eine schöne grüne Stadt mit Parks, einer Waterfront und einer alten Gasuhr, deren Zischen und Dampfen viele Touristen einhalten lässt. Für mich ein besonderes Geschenk: Im Hafen lag zufällig die „Veendam“ der Holland-Amerika-Linie. Mein Vater, den ich nie sah weil er im Krieg blieb, war vor 70 Jahren mit ihr als Koch um die Welt gefahren. Sentimentale Gefühle, und eine Träne an die Vergangenheit, auch das bin ich.“
Vancouver
Im 19. Jahrhundert schrieb ein englischer Journalist über das heutige British Columbia, dass es nichts weiter sei, als ein kaltes, unfruchtbares Bergland, das selbst fünfzig Eisenbahnenlinien nicht zum erblühen bringen könnten. Diese „kalten Berge“ waren jedoch voller Bodenschätze und um sie in die Welt exportieren zu können entwickelte sich am Burrard Inlet, dem Zugang zum Pazifischen Ozean, eine Stadt. Zuerst hieß sie Granville, dann Gastown. Erst 1886 erhielt sie ihren heutigen Namen. Neun Jahre früher landete dort auch ein ehemaliger Raddampfer-Kapitän aus der Goldgräberzeit, mit seiner indianischen Frau, einem gelbfarbenen Hund, einigen Hühnern und einem Fass Whisky. Es war der Grundstock zur Eröffnung von Jack Deighton’s Kneipe und der Grundstein für „Vancouver“.
Damals waren aber schon fast einhundert Jahre vergangen seit Käpt’n James Cook am 29.3.1778 in den Nootka Sound gesegelt und mit den Nuu-chah-nulth Indianern und ihrem Häuptling Maquinna Seeotterfelle eingetauscht hatte. In China machte seine Besatzung damit riesige Profite, sodass der Pelzhandel sehr schnell mit London, Canton, Macao und Bosten verknüpft war. Auch Mackenzie war früh dran. Als erster Europäer hatte er 1793 die Rockies überquert und den Pazifik zu Fuß erreicht. Indianer hatten sich aber schon zehntausend Jahre früher hier niedergelassen, an der heutigen Küste von British Columbia, auf deren vorgelagerten Inseln und entlang der Flüsse im Inneren des Landes. Im Laufe der Zeit entwickelten sich über dreißig Gruppen, jede mit sprachlicher und kultureller Eigenart, eigenem Namen und territorialem Anspruch. Im nördlichen Interior lebten diese Ureinwohner in nomadenartigen kleinen Gruppen und verbrachten den Winter in rasenbedeckten Erdhäusern entlang des Thompson- und Fraser Rivers. Fisch und Wild galten als Hauptnahrung. Die Küstenbewohner praktizierten strukturierte Hausgemeinschaften in denen Dutzende Großfamilien unter einem Dach wohnten. Jede Gemeinschaft mit eigenen Jagd- und Fischgründen, Tänzen und Liedern. Aus den Roten Zedern machten sie Kleidung, Körbe, Matten, Totem Pools und bauten daraus auch Behausungen und Kanus. Letztere wurden für Jagd, Handel und Kommunikation genutzt.
In dieser Stadt am Pazifik waren wir nun angekommen und mit dem „Porter Bus“ auch schnell in unserem Hotel am Stanley Park. „The Coast Plaza Suite“ war gut, die Aussicht aus unserem Zimmer im 19. Stock ebenfalls. Vom Restaurant machen wir keinen Gebrauch, sondern konsumieren bei einem kleinen Rundgang ein paar Spaghetti „um die Ecke“ und fallen bald müde in unsere Betten. Drei Tage wollen wir bleiben und alles abmarschieren was sehenswert ist. Und dafür muss man ausgeschlafen sein.
Die Millionenstadt ist eine der schönsten Metropolen der Welt und ganz gewiss ein echter Konkurrent zu Sydney oder Kapstadt. Sie erinnert mich auch an Neuseelands Auckland, denn hier wie dort mischen Gemütlichkeit, Moderne, Flair, Freude am Dasein und die Küstenlinie einen wunderschönen Cocktail. Allein die grandiose Lage begeistert. Umgeben von eindrucksvoller Naturkulisse mit glitzernden Fjorden, langen Stränden entlang der Buchten, grünen Wälder voller Leben und weißgepuderten Bergspitzen heißt die Schönet am Pacific ihre Gäste willkommen. Dazu ist die Stadt mit mildem Klima gesegnet, das ihr das Meer garantiert. Die Strait of Georgia begrenzt die Halbinsel der Downtown im Westen; Burrard Inlet und False Creek umschlingen sie im Norden und Süden. Trotz aller Dynamik einer quirligen Innenstadt mit Szenenkneipen, restaurierten historischen Bezirken, zahlreichen Parks, schicken und modernen Läden, bunten Märkten, Yachthafen, noblen Vororten, Galerien und Strandcafés scheint diese Perle am Pazifik dennoch keinerlei Hektik zu kennen. Neben Oper, Casinos, Theater, Synphonieorchester, einer umfangreichen Clubszene, zahlreichen Festen oder Sportveranstaltungen sind die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung schier unendlich. Wassersport in jeder Version, Campen, Reiten, Wandern, Biken oder Klettern, alles ist hochaktuell. Man kann also getrost unterschreiben, was einst „Queen Mum“ über Kanadas drittgrößte Stadt sagte. „Das scheint mir ein Ort zu sein, an dem ich leben könnte.“ Und dazu gehören auch die Blicke hinüber nach Vancouver Island und auf die nördlichen Küstengebiete, die bei klarem Wetter ebenso unvergesslich sind wie der Charme der Gastown oder die Exotik des Chinesenviertels. In den hochmodernen Glastürmen der Skyline spiegeln sich grüne Kupferdächer alter Bauten. Die „Shopping-Meile“ Robson Street ist ebenso turbulent und interessant wie die Geschäfte in Chinatown mit ihren exotischen Gewürzen oder die Superyachten mit eigenem Hubschrauber an Bord, die im Hafen schaukeln. Nord- und West Vancouver, die sich auf der Nordseite des Burrard Inlet an die Hänge anschmiegen, sind begehrte Wohnorte und Westminster und Richmond gehören zu den großen Vorstädten.
Vancouver lebt jedoch vor allem vom Handel. Seine Hafenanlagen sind die größten an der nordamerikanischen Pazifikküste. Autos und Kleidung sind die Hauptposten bei der Löschung der Frachten; Erze, Holz, Zellulose oder Weizen, wenn die Ozeanriesen wieder auslaufen.
Als die ersten Europäer hier ankamen – 1791 Kapitän Jose Maria Narvaez, Captain George Vancouver ein Jahr später – lebten an diesem Küstenstreifen die Cowichan Indianer von reichen Fischgründen. Die großen Wälder lockten aber auch Sägewerke an, die sich am Burrard Inlet und Fraser River niederließen. Aus ihrem Holz entstand Vancouver, und auch die Masten für die Segelschiffe brachten gutes Geld. Und als „Gassy Jack“ hier seine Whisky-Taverne eröffnete, hatten die Holzarbeiter auch endlich ihren ersten „Saloon“. Der wirkliche Aufstieg begann, als 1885 die Gleise der transkontinentalen „Canadian Pacific Railroad“ auch diesen 2.500-Seelen-Ort erreichten. Zwei wichtige Einwanderungswellen formten die Hafenstadt auf ihre Art. Die zahlreichen Neuankömmlinge, die nach dem Zweiten Weltkrieg eintrafen, machten Vancouver zu einer kosmopolitischen Metropole. Schließlich brachten Hongkong-Chinesen, die 1997 bei der Rückgabe der Kronkolonie nicht mehr dabei sein wollten, erhebliches neues Kapital in die Stadt.
Das Stadtzentrum ist ziemlich kompakt und zu Fuß erkundbar, und für die etwas weiteren Ziele braucht man nicht unbedingt eine organisierte Tour. Der Verkehr ist gut organisiert, und die „Waterfront Station“ verbindet den Sea-Bus mit der Sky Train, die ihrerseits viele Busrouten verknüpft. 2000 war die Sky Train nur auf 28 Kilometern unterwegs und die „Millennium Line“ noch im Bau. Inzwischen sind beide Linien längst als eines der längsten automatischen, fahrerlosen Systeme der Welt zusammengewachsen. Als Expo- und Millenium-Lines verbinden sie Vancouvers Zentrum mit den Orten Burnaby, New Westminster und Surrey, während die Canada-Linie den International Airport und die Stadt Richmond mit der Downtown verbindet.
Das Burrard Inlet trennt die auf einer Halbinsel liegende Stadt von West- und Nord Vancouver. Zwei Brücken stellen jedoch die Verbindung her. Im Westen schwingt sich die Lions Gate Bridge, im Osten, bei Hastings, der Trans Canada hinüber. Wer zu Fuß unterwegs ist benutzt den „Sea Bus“, der in der Nähe des Canada Place’s im festen Zeitrhythmus hinüber nach Nord Vancouver ablegt. Im Westen zwängt sich die Downtown-Halbinsel mit dem Stanley Park an ihrer Nordspitze in die Bucht, und im Süden bilden English Bay und Falsh Creek „Granville Island“ heraus, das daher mitten in der Stadt liegt und über die Granville Bridge erreicht wird. Ein Stückchen weiter kreuzt die „Granville“ den „Broadway“, der in westlicher Richtung zur Universität von British Columbia führt und entgegengesetzt nach Burnaby, New Westminster und, ganz im Südosten, Surrey verbindet. Auf diesem letzten Zipfel der großen Halbinsel liegen unterhalb des Fraser-Südarmes Delta und, ganz im Westen, der Fährhafen und Grenzort Tawassen. Der Nordarm des Flusses zieht mit seinem Südufer am Ortsteil Richmond entlang und umspült vor der Mündung in den Pazifik mit seiner Gabel auch noch die kleine Insel „See-Island“, dem Standort des Internationalen Flughafens.
Auch die „99“, die über Delta den George Massey Tunnel ansteuert, Granville- und Georgia Street hinter sich lässt und die Lions Gate Bridge benutzt, um in West-Vancouver an den „Trans Canada“ anzubinden, ist als Fortsetzung der amerikanischen