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Der Zug hält nicht in Pasewalk. Ulfried SchrammЧитать онлайн книгу.

Der Zug hält nicht in Pasewalk - Ulfried Schramm


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Daneben war ein Kaffeeausschank. Die Reisenden belegten Stühle und Tische. Bald war der Wartesaal mit Menschen gefüllt, dicke Wintersachen hingen über den Stühlen, Taschen standen auf dem Boden, Zeitungen wurden aufgeschlagen und Kaffeeduft zog durch den Raum, Papier knisterte. Die Leute unterhielten sich gedämpft. Es war zeitiger Morgen, Geschirr klapperte, ein Kind weinte.

      Kahlisch hatte einen freien Tisch gefunden, an dem er und seine Kollegin Platz nahmen. Sie sprachen wenig miteinander, schauten sich im Raum um und gingen zum Kaffeeausschank. Sie kauften zwei Salamibrötchen aus der Vitrine und der gebrühte Kaffee stand schon bereit. Am Tisch lächelte A. wieder und nickte Kahlisch zu. Er biss mit außergewöhnlichem Appetit in das Brötchen und nickte mit vollem Mund zurück. Schweigend waren sie bei ihrer Morgenmahlzeit. Sie waren mit sich, dem Kaffee und dem Brötchen mit der rutschenden Salamischeibe beschäftigt.

      Kahlisch genoss den Augenblick, schaute auf seine Kollegin und verspürte ein unergründliches Glück in diesem Wartesaal, mitten in Pasewalk.

      Im Lehrgang waren sie getrennt. A. bildete sich künstlerisch weiter und Kahlisch wollte seine Französischkenntnisse verbessern.

      Die Stadt, in der sie jetzt waren, kannte Kahlisch gut. Ein Freund von ihm, ein Theologiestudent, lebte hier.

      An einem Abend saßen Kahlisch und seine Kollegin A. in einem Weinausschank und führten ihr erstes vertrautes Gespräch. Während sie sprach, schaute sie ihn offen an und er erkannte ihre äußere Schönheit im Kerzenlicht.

      Kahlisch machte Fotos. Er durfte. Er sah lange auf ihre blonden, schulterlangen Haare und löste die Kamera ruhig aus. Sie sprach nicht viel dabei.

      Kahlisch erklärte die Mechanik des Fotoapparates und die Verarbeitungstechnik zu einem Schwarzweißfoto und wie ihr tiefblaues Folklorekleid bei dieser Kerzenbeleuchtung später auf dem Foto aussehen würde, ziemlich dunkelgrau, hm, dafür leuchteten die roten Ornamente schön hell. Sie lachten über die Technik.

      Auf der Rückreise saß A. eng an Kahlisch angeschmiegt und hatte den Kopf an seine Schulter gelegt. Kahlisch las in einem Prospekt, denn die neue Vertrautheit mit A. verunsicherte ihn hier im Zugabteil.

      Am Sonntag lud A. Kahlisch zum Frühstück ein. Sie kochte Kaffee und er musste die frischen Brötchen mit Salamischeiben belegen. Kahlisch sagte sich, das Leben wiederholt sich, aber die Liebe ist neu.

      A. zeigte Kahlisch ihre Wohnung. Sie blieben an der Staffelei mit dem Selbstporträt stehen und er fühlte sich zu Hause, angekommen und somit ließ er sich noch eine Tasse Kaffee von A. geben.

      Fünfzehn Jahre später, A. und Kahlisch hatten einen freien Schultag. Ihre drei Kinder waren auf dem Weg zur Schule. Kahlisch hatte in der Küche so stark geheizt, dass die Fenster beschlagen waren. Er malte eine dampfende Tasse Kaffee und zwei Salamibrötchen auf die Fensterscheibe. A. lachte und nickte ihm zu. Kahlisch ging zum Bäcker und A. kochte den Morgenkaffee.

      Kahlisch sitzt am Küchenfenster, eine Tasse Kaffee vor sich und blickt auf die Straße mit den vorbeieilenden Passanten – Mütter bringen ihre Kinder in den Kindergarten –, der Mann vom Nachbarhaus schleppt, wie jeden Morgen, sein Bier nach Hause –, Kinder fahren mit dem Fahrrad zur Schule –, und im Wohnblock gegenüber rauchen zwei Frauen auf dem Balkon. Der Wind bläst eine leere Plastikflasche schräg über die Straße.

      Kahlisch sieht alles durch das Fenster ablaufen, aber seine Gedanken sind bei dem Telefongespräch von eben. Es hat ihn in seine Kindheit zurückversetzt. Die Stimme des Schulfreundes, dessen sich wiederholende Art, seine Gedanken vorzubringen und sein stetige Monolog, zur Vergangenheit, bringen ihn ebenfalls dort hin – in den Birkenbusch – einen Ort, ihrer Kindheit, ein kleine Wäldchen, das inmitten der Felder, am Rande des Dorfes lag.

      In Kahlichs Erinnerung war es für Kinder ein Wagnis, dieses Waldstück zu betreten, trotzdem taten sie es, um dort V e r s t e c k z u s p i e l e n, herumzutoben, mit Decken ein Zelt zu bauen oder einfach hindurchzustreifen. Die Bauern, denen die umliegenden Felder gehörten, trieben die Kinder sofort aus dem Wäldchen, wenn sie sie erwischten. Dann stob die Kinderschar auseinander und blieb unauffindbar, auch Kahlisch. Er hockte unter der Brücke des Dorfbaches, hielt einen Stock in die Strömung und war froh, dass ihn das Durcheinander nicht erreichte. Es wurde ihm mehr und mehr zum Bedürfnis, den Birkenbusch für sich zu erobern, ohne dass es jemand merkte.

      An einem Tag schlich er sich durch Rübenfelder, Wiesenstücke und Ackerfurchen bis zum Waldrand hin, schlüpfte ungesehen ins Wäldchen und wartete auf seinen Schulfreund, der aus einer anderen Richtung kam.

      Sie flüsterten, als sie sich begegneten, warteten und sicherten sich ab, dass sie allein waren.

      Es waren nicht viele Bäume hier und es gab Büsche und Sträucher, die nie angepflanzt worden waren – Wildwuchs, Wildnis inmitten von Ackerland, zugängig, nur über einen Feldweg.

      Vom Dorf aus ging dieser Weg über eine kleine Brücke am Bach, durch Wiesen zum Feld. Der kürzeste Weg zum Birkenbusch führte jedoch querfeldein über die Wiesen. Kahlisch hatte ihn für sich erprobt. Von zu Hause aus s p r a n g er über den Zaun, lief schräg am Ententeich vorbei, nahm sich vom Birnenbaum Proviant für den Nachmittag, s p r a n g an einer engen Stelle über den Dorfbach und erreichte die Wiesen. Im Wäldchen stand er still unter einer Buche und biss hastig in eine der Birnen. Hier hörte man die Kirchturmuhr schlagen und wenn der Schmied arbeitete, drang der helle Hammerschlag bis in den Birkenbusch. Stimmen aus dem Dorf waren selten zu vernehmen.

      Aus dem Wäldchen, konnte man ungesehen nach draußen blicken. Wir sind in einer guten Deckung – sagte Kahlischs Freund, an jenem Nachmittag, als sie die Vogelnester ausfindig machten wollten. Dann ging es an die Arbeit – die Vogeleiersammlung sollte vervollständigt werden, eine verbotene Sache, das wussten beide. Die Pappschachteln mit den einzelnen Fächern und den vorbereiteten Namensetiketten der Vögel lagen auf dem Waldboden. Sie hatten einen Schnellkleber zum Befestigen der Eier und eine Papiertüte für die Pappschachteln dabei. Kahlisch kletterte als Erster zu einem Vogelnest, entnahm zwei Eier, grün mit kleinen Sprengseln. Amseleier, sagte sein Freund. Die kleinen, weißen Eier aus einem andern Nest, konnten sie nicht bestimmen, nahmen sie aber und klebten sie vorsichtig ein, steckten die Schachteln in die Papiertüten und diese wiederum in ihre Hemden, damit die Hände frei waren. Die Baumhöhle des Buntspechtes wollte sich Kahlisch in den nächsten Tagen vornehmen.

      Kahlisch gießt sich Kaffee nach und blickt immer noch auf die Straße. Was war so besonders am Birkenbusch, überlegt er. Die Erinnerungen sind ihm gegenwärtig und die Eigentümlichkeiten des Ortes haben für ihn immer noch den gleichen Zauber. Wenn sich ein Mensch tief genug mit einem Ort verbindet, sagt er sich, dann bleibt diese Verbindung im Laufe seines Lebens bestehen, nährt seine Gedanken und Empfindungen und wird zum Bezugspunkt für ähnliche Sinneseindrücke, die wiederum Impulse geben, für das Denken und Handeln.

      Dass der Birkenbusch für Kinder eine verbotene Zone war, wusste Kahlisch schon als Kind. Den Grund verstand er erst, als reifer Mann. Die Zeit lüftete ihm ihre Geheimnisse. Kahlisch begriff Zusammenhänge, die er als Kind bereits spürte, aber bedeutungslos fand.

      Wenn er damals in der Wohnung auf der Nähmaschine der Mutter saß, konnte er den Birkenbusch gut erkennen. Er blickte vom Fenster auf das Teerdach des Anbaues, über den Teich des Bauerngehöftes, mit den vielen Enten, zu den Wiesen, zum Dorfbach, auf die Felder und schließlich zum Birkenbusch. Anziehend war für Kahlisch, die ständige Gegenwart des Waldstückes, gleich ob er sich draußen im Dorf aufhielt oder in der Wohnung war. Alle Jahreszeiten erlebte Kahlisch mit dem Birkenbusch. Das Waldstück zog ihn magisch an, doch war er darinnen, verspürte er Einsamkeit. Diese gedrückte Stimmung hielt ihn nicht lange im Wäldchen, er machte sich immer bald auf und davon. Sein Freund empfand dies ähnlich und auch er glaubte noch heute an die Magie dieses Ortes.

      Während des letzten Krieges war eine gut getarnte Flakstellung im Birkenbusch.

      Amerikaner beschossen von dort die russische Stellung im nahen


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