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Treibsand und andere seltsame Geschichten. Ruedi StreseЧитать онлайн книгу.

Treibsand und andere seltsame Geschichten - Ruedi Strese


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ich finden. Ich ging um das Haus herum, auf die Straße, denn ich mußte genau in diese Richtung.

      Ich warf noch einen kurzen Blick zurück auf den Laden, und mir wurde schlecht. Hinter der Auslage stand eine Person in Schweinemaske und winkte mir zu. Ich trat taumelnd an das Geschäft heran, und die Person hob die Maske ab und lächelte. Ich schrie auf und rannte und rannte, bis ich den Ort lange hinter mir gelassen hatte. Dann, ganz plötzlich, verließ mich jegliche Kraft und ich brach zusammen… es war so… ich selbst war es gewesen, der dort gestanden und mich angelächelt hatte.

      AM DORFTEICH

      Ein paar Erlen standen um den kleinen Dorfteich, doch waren sie bereits sehr alt und beantworteten jeden Windstoß mit ausgiebigem Knarren, während nur das Ufer in Richtung des Marktplatzes mit etwas Schilf und Rohrkolben gesäumt war. Die Oberfläche des Teiches war restlos mit Wasserlinsen bedeckt, und wenn doch dann und wann eine lichtere Stelle zu sehen war, so hatte wohl gerade eine Karausche Luft geholt oder war ein großer Frosch ins Wasser gesprungen.

      Gerade war ein flüchtiger Regenschauer vorübergegangen, schon warf die Sonne wieder ihre Strahlen auf den Ort, lebensspendend für die zahlreichen Blumen und Gräser auf den nahegelegenen Weiden, doch so manchem Wassergetier, welches versehentlich an das Ufer geraten war, unerbittlich den Tod bringend.

      Ein paar Dorflümmel kamen laut johlend herbeigerannt, sie waren wohl alle zwischen zehn und zwölf Jahren alt, bis auf einer, welcher vielleicht ein, zwei Jahre älter sein mochte; anscheinend war er ihr Anführer, was sich aus seinen fordernden Gesten und seiner markigen Stimme entnehmen ließ. Einer der kleineren Jungen nahm einen Stein und warf ihn ein paar Meter, daß er laut plumpsend in den Teich fiel. Ein weiterer tat es ihm gleich, und bald war ein richtiger Weitwurfwettbewerb daraus geworden. Der Anführer beteiligte sich anfangs nicht, eine ganze Weile schaute er scheinbar desinteressiert, doch schließlich nahm auch er einen Stein in die Hand. Er wartete, bis sich die Augen aller anderen auf ihn gerichtet hatten, holte aus und warf, weit, bis fast an das gegenüberliegende Ufer.

      Kaum war der Stein jedoch im Wasser gelandet, hob sich die Wasserlinsendecke, und es ertönte ein markerschütternder Schrei. Die Dorflümmel stoben in alle Richtungen auseinander wie aufgescheuchte Hühner. Nur der Anführer blieb stehen und schaute griesgrämig drein. Gerade hatte er seinen Vater, den Dorfriesen, bei seinem Mittagsschlaf im Tümpel gestört. Das bedeutete zwei Wochen gekürztes Taschengeld! Der Dorfriese hatte sich nun ganz erhoben, er war über dreißig Meter hoch, seine Haut hing in langen Falten herab und war über und über mit Schlamm und Wasserlinsen bedeckt. Sein gräßlicher breiter Mund war weit geöffnet und verbreitete einen widerlichen Fäulnisgeruch, seine unzähligen Augen glotzten in die Ferne. Rasch bemühte sich der Anführer der Dorflümmel um eine Entschuldigung, doch der Riese winkte ab und sprach: „Du meinst es ja doch nicht ehrlich.“ Dann brach er in bittere Tränen aus und lief mit großen Schritten davon.

      DAS EINSCHREIBEN

      Die Zeit war stehengeblieben. Zumindest, wenn ich der Ansicht meiner Uhr folgen durfte. Vielleicht war aber auch einfach die Batterie leer. Der Blick aus dem Fenster bestätigte diese Interpretation, Menschen liefen und Autos fuhren. Auch ein Blatt fiel herab, anstatt in der Luft an einem Ort zu verweilen.

      Auf der anderen Straßenseite brannte lichterloh die Postfiliale. Möglicherweise ärgerlich, denn ich sollte ein Einschreiben abholen. Wir würden sehen, dachte ich, und verließ meine Wohnung, rutschte das Geländer herunter und wäre fast auf einen älteren Herrn gefallen, der mit einkaufsvollen Papiertüten den Weg nach oben, zu seiner Wohnung, suchte. Sein Schimpfen hallte durch den Hausflur wie die Schreie der Gepeinigten in den Folterkellern der Tyrannen, berührte mich jedoch kaum, denn auf mich wartete ein Einschreiben.

      Ich stand dann vor der Postfiliale, ein brennender Mitarbeiter rannte heraus, und ein Sack voller Sand wurde zum Löschen über ihn geschüttet, worauf er begann, wild zu schauen, und der Speichel lief ihm die Mundwinkel herab, tropfte auf den Sand, aus dem er schließlich Kleckerburgen baute, die es ohne Weiteres mit dem Palais Idéal des Briefträgers Cheval aufnehmen konnten. Anschließend brach er zusammen, zu stark waren seine Verletzungen. Mein Anliegen sollte ich nicht vergessen.

      Flammen schlugen mir durch die Drehtür entgegen, ich sah, daß dort eine Zahl Angestellter dennoch weiter an den Schaltern stand, es handelte sich um Androide, deren Kleider jedoch verbrannt waren; die Plastikbeschichtung, aus welcher einst ihre Gesichter bestanden hatten, tropfte herab und verschwand zischend in den vom Boden züngelnden Lohen.

      Ich ging an einen Schalter, war der einzige Mensch hier drinnen und legte einem der Androiden meinen Benachrichtigungszettel hin. Er ging in das Lager und kam mit einem Umschlag zurück. Ich bedankte mich und verließ die Filiale. Es wurde auch höchste Zeit, denn zahlreiche kleine rote Wesen krochen an meinem Gewand empor.

      Draußen regnete es mittlerweile, wodurch eine Mitarbeit der Feuerwehr bei meiner Befreiung vom Feuer sich erübrigte, lächelnd überquerte ich die Straße und ging die Treppe hinauf, wo immer noch zeternd der ältere Herr mit den Papiertüten zu einem Kunstwerk geworden war, so sehr hatte er sich seinen Worten entsprechend geformt, war halb mit dem Geländer verwachsen, um mir ein erneutes Herabrutschen zu erschweren.

      Kurz darauf war ich in meinem Wohnzimmer angelangt, setzte mich an den Tisch und las den Brief. Ich erfuhr Dinge, die ich bereits wußte, so sollte eine mir einst vertraute moderne Wunderheilerin mehrere Jahre nach ihrem Tod mit einem Roboterhund ein Wesen geschaffen haben, welches nun allein für sein Dasein mit dem Großen Freiheitspreis ausgezeichnet worden war – letztlich nur eines von vielen Symptomen brutalster Belanglosigkeit.

      Ich lächelte melancholisch. Nicht mehr lange, dann würden derartige Schöpfungen an meinem Doppelfenster vorbeifliegen und mir die Betrachtung meiner darin gedeihenden Mittagsblumensammlung verleiden. Vielleicht sollte ich die Zeit bis dahin umso intensiver nutzen, dachte ich, und begann, einigen von mir selbst ausgesäten Exemplaren der Gattung Lithops einen passenden Platz zu suchen, als plötzlich ein Schatten vor dem Fenster erschien. Es war ein Baum, der seine Wurzeln verloren hatte und nun umherirrte, in seiner neuen Freiheit wohlmeinend Tod und Zerstörung statt Leben bringend. Ich holte Flammenwerfer und Gebetsbuch aus dem Schrank: der Kampf um die Relevanz des Seins hatte begonnen.

      DER GALERIST

      Der Galerist saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Hocker und las. Auf dem kleinen runden Tisch neben ihm, im hinteren Raum der Galerie, stand eine Flasche Rotwein, auf den Mehraufwand eines Glases verzichtete er heute, denn er erwartete keine Besucher. Er rauchte einen Zigarillo nach dem anderen.

      Die letzte Ausstellung war ein eher mäßiger Erfolg gewesen, die nächste Vernissage konnte ruhig noch etwas warten, erst einmal wollte er etwas Zeit für sich haben, das finanzielle Polster war vollkommen ausreichend. Dennoch, es ging ihm nicht gut, wie er sich eingestehen mußte. Abends einsam in der Galerie zu sitzen und Rotwein aus der Flasche zu trinken schien ihm da noch die sinnvollste Weise, um Lebenszeit loszuwerden.

      Da klingelte es.

      Das konnte doch nicht wahr sein!

      Sollte er sich rasch ein Glas nehmen, um seriöser zu wirken? Die Kunstszene war ein Dorf, zumindest, was den Klatsch anging. Ihm lag etwas daran, nicht als das psychische Wrack, das er war, sondern als achtbarer Geschäftsmann von hohem Sachverstand zu gelten. „Die Maröttchen sind ein Privileg der Künstler“ zitierte er sich selbst immer wieder schmunzelnd, wenn seine kunstinteressierten Kunden derartige Dinge ansprachen.

      Erneut klingelte es. Nein, er bräuchte kein Glas. Seine Kunden kannten die Öffnungszeiten, sie kamen eh nur zu den Ausstellungen. Die Künstler machten sich nur nach vorheriger Verabredung auf den Weg. Wenn es aber kein Kunde und kein Künstler war, konnte er den Wein auch aus der Flasche trinken.

      Noch ein Klingeln. Nun reichte es aber! Er stand auf und ging zur Tür. Dort stand ein junger Mann mit kurzen, blonden Haaren, einer lächerlichen Brille mit überaus plumper Fassung und einem roten Wollpullover.

      „Darf


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