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Respekt gezollt wird, weil sie sich um die Wahrung der Sicherheit „friedlichen“ Demonstrierens verdient machen –, ist in Russland ein einziger Beleg dafür, dass die Demokratie mit Füßen getreten wird. Putin hört seinem Volk, also uns, einfach nicht zu. Dass der Mann sich so renitent an der Macht hält, liegt in den Augen deutscher Beobachter wahrscheinlich einzig daran, dass sein Unterdrückungsregime derart erfolgreich ist, dass sich das Volk nicht mal traut, seinem Unterdrücker in der Wahl die Stimme zu verweigern.
4. Bloß ‚il popolo‘ tanzt mal wieder aus der Reihe
Die deutsche Brille guckt sogar in italienische Städte hinein, in denen Bürgermeister gewählt werden. Selbst hier kann nämlich ein Volk nach deutschen Vernunftmaßstäben manches richtig oder falsch machen. In der ersten Runde der Kommunalwahlen der 5-Sterne-Bewegung eine Niederlage zu bescheren, bleibt jedenfalls von deutscher Seite nicht ungewürdigt: Immerhin bekommt ihr vorsitzender Clown für seinen gegen Europa und gegen das deutsche Sparregime gerichteten Kurs seine verdiente „kalte Dusche“. Die Enttäuschung folgt jedoch prompt in der zweiten Wahlrunde: Was nutzt es Deutschland, wenn die „ehemaligen linken Hochburgen“ von Genua bis zum ehemaligen „Stalingrado“ Sesto San Giovanni von einem Mitte-Rechts-Bündnis „gestürmt“ werden, das sich selbst nicht einig und mit seinen „Hahnenkämpfen“ zum Regieren kaum geeignet ist, und der nächste Clown, Berlusconi, wieder die Bühne betritt? Die Kommunalwahlen sind somit ein schlechtes Omen für die anstehende große Wahl: Es steht zu befürchten, dass die Italiener wieder nicht liefern, worauf es bei einer ordentlichen Wahl doch mindestens ankäme: eine Regierung, mit der Deutschland kalkulieren kann. Wer ‚unser Mann in Italien‘ ist, bleibt bis auf Weiteres eine große Leerstelle.
© 2017 GegenStandpunkt Verlag
Chronik (3)
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz:
Ein Etappensieg im Kampf des Sozialstaats für ein Leben im Alter
Das mit dem Wortungetüm ‚Betriebsrentenstärkungsgesetz‘ bezeichnete Werk ist ein weiterer Etappensieg in dem jahrzehntelang geführten ‚Kampf‘ des Sozialstaats gegen die ‚Altersarmut‘, die nach Auskunft der Politik längst nicht mehr bloß diversen ‚Einzelschicksalen‘, sondern der Klasse der Lohnabhängigen überhaupt droht. Dass die erste Front in diesem ‚Kampf‘ auf dem Feld der gesetzlichen Rente liegt, ist allen Beteiligten klar – schlicht deswegen, weil ihnen ebenso klar ist, dass ohne staatliche Intervention in die privaten Einteilungskünste der Bürger ein Leben im Alter einfach nicht zu haben ist. Auch darüber herrscht Konsens: Dass dieser Umstand einen Einspruch gegen das nationale Lohnniveau begründen würde, ist als üble Nachrede der Linkspartei zu verbuchen, die sich damit außerhalb der Debatte stellt; dass die Höhe dieses Lohnniveaus in Ordnung geht, hat man ja schwarz auf weiß in den einschlägigen Statistiken zu Wachstum und Beschäftigung. Und schließlich gilt unter den marktwirtschaftlich verantwortlicheren Parteien jenseits aller Differenzen in der Frage, wie die Modalitäten der gesetzlichen Rente denn umzugestalten sind, seit Jahren als ausgemacht, dass auch die schönste Reform der gesetzlichen Rente nicht ausreichen wird, um sicherzustellen, dass es auch nach einem Leben in Lohnarbeit möglich ist, von ihr zu leben. Zusätzliche ‚Säulen‘ bei der Altersvorsorge müssen also her; und die müssen die Leute, die sie brauchen, selbst auf dem Fundament aufbauen, auch wenn – dies der Ausgangspunkt der ganzen Angelegenheit – der Lohn der Einzelnen ein Leben im Alter niemals hergibt.
Das alles muss man aber nicht gleich so negativ sehen:
„Wer ein Leben lang gearbeitet hat, der muss im Alter abgesichert sein. Das ist für mich eine der Kernaufgaben des Sozialstaates in unserem Land. Meine persönliche Überzeugung ist: Jede und jeder muss die Möglichkeit haben, den gewohnten Lebensstandard im Alter zu erhalten. Das Fundament dafür ist mit Sicherheit die gesetzliche Rentenversicherung.“ (Arbeitsministerin Nahles vor dem Bundestag, 10.3.17)
Man kann den Mangel ja auch als Beitrag fassen, egal wie hoch die gesetzliche Rente ausfallen mag. Die Errichtung und der Ausbau aller zusätzlichen ‚Säulen‘ gelten aus dieser konstruktiven Sicht eben nicht als das Stopfen einer Lücke, die die gesetzliche Rente hinterlässt, sondern als ein Bonus – und sei er noch so notwendig: „Die zusätzliche Altersvorsorge muss dann – das ist meine Überzeugung – als Plus oben draufkommen.“ Und an der Stelle kommen die schwarz-roten Sozialpolitiker auf einen alten Freund zurück:
„Vor allem für Geringverdienende schlagen Kollege Schäuble und ich mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz deutliche Verbesserungen vor. Dabei sind Betriebsrenten – das will ich deutlich hervorheben – die älteste, die wichtigste und die kostengünstigste Zusatzversorgung im Alter.“ (Ebd.) Das Gesetz schafft „neue attraktive Möglichkeiten für zusätzliche Altersvorsorge für Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen und für kleine und mittlere Betriebe“ (www.bundesregierung.de, 7.7.).
Die Betriebsrente ist zwar bei großen Unternehmen längst etabliert, doch ansonsten erscheint diese bislang viel zu wenigen so „attraktiv“ wie der Ministerin.1) Dafür muss zuerst alles beseitigt werden, was die Unternehmen, vor allem die kleinen und mittleren, bisher abgeschreckt hat. Der erste große „wesentliche Hemmschuh“ besteht bislang darin, dass den Unternehmen als Folge etwaiger Zusagen bei der Organisation einer Betriebsrente ein „Haftungsrisiko“ erwächst, das wiederum darin besteht, dass sie ihren Beschäftigten die vereinbarte Rente allen Ernstes zahlen müssen, auch wenn es sich für den Betrieb nicht rechnet – ein einziger Verstoß gegen die marktwirtschaftliche Vernunft. Mit einem ‚Garantieverbot‘ bannt das neue Gesetz dieses Risiko und stiftet Rechtssicherheit. Die Unternehmen vereinbaren mit dem gewerkschaftlichen Tarifpartner stattdessen eine ‚Zielrente‘, die den Arbeitnehmern keinen festen Rentenbetrag zusichert; vereinbart werden vielmehr „sogenannte reine Beitragszusagen“, die die Unternehmen an „Versorgungseinrichtungen, etwa an den Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung“ zahlen – und damit hat sich die Sache für sie erledigt. Das Prinzip heißt ‚pay and forget‘ und entbindet die Unternehmen von einem Stück Verantwortung; von der haben sie beim Geschäftemachen ohnehin genug zu tragen. Umso mehr Verantwortung haben die Gewerkschaften zu tragen, die zusammen mit ihren unternehmerischen Sozialpartnern dazu befähigt werden, „sachgerechte und angemessene Betriebsrenten zu erreichen“ – eben solche, die der Sache der Unternehmer besser gerecht werden, damit es die Betriebsrenten überhaupt gibt. „Angemessen“ ist das durchaus, jedenfalls aus Sicht der Gewerkschaften, die die Stärkung der Betriebsrente längst zum wesentlichen Bestandteil ihres Forderungskatalogs gemacht haben. Sie sind sich an der Stelle – als Experten in Sachen Solidarität – mit Frau Nahles einig:
„Wie bei der gesetzlichen Rente gilt auch hier: Niemand kann alleine für ein sicheres und gutes Auskommen im Alter sorgen. Nur alle zusammen bekommen das hin.“ (Nahles vor dem Bundestag, 10.3.)
Daher muss die Betriebsrente im Sinne der Solidarität auch für die sogenannten ‚Versorgungseinrichtungen‘ attraktiver werden, an die die Unternehmer die einschlägigen Beiträge zahlen und gegenüber denen die Arbeiter Rentenansprüche haben. Für diese Finanzkapitalisten ist die Innovation aus dem Haus Nahles ein wahrer Befreiungsschlag, weil ein Versicherungsgeschäftsangebot der besonderen Art. Denn laut der Ministerin bietet das Gesetz „eine Antwort auf die lange Niedrigzinsphase“, die diesen finanzkapitalistischen Risikoexperten derzeit kaum Gelegenheit bietet, aus ‚Pensionsfonds‘ oder dergleichen ein ‚Renditeobjekt‘ zu machen, solange der Gesetzgeber sie verpflichtet, das Geld der Beschäftigten ‚mündelsicher‘ anzulegen. Auch diesen „Hemmschuh“ beseitigt das Gesetz, indem es die engagierten Versicherungsunternehmen von „Garantien und Mindestleistungen“ entbindet, also auch sie von einem „Haftungsrisiko“ befreit – umso freier sind sie dann, mit dem eingesammelten Geld die Risiken einzugehen, die sie für lohnend erachten. Die „Zusatzversorgung“ namens Betriebsrente muss also den Unternehmen zusätzlichen Schutz gegen Kosten und den Versicherungsunternehmen zusätzliche finanzkapitalistische Freiheiten bieten, damit sie überhaupt zu einer angebotenen Option wird – für die Geringverdiener, die das Geld für die zusätzliche Altersvorsorge aufzubringen