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Der Zaun. Dietmar TelserЧитать онлайн книгу.

Der Zaun - Dietmar Telser


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mit den US-Amerikanern zusammengearbeitet habe. Sein Englisch ist sehr gut, und manchmal verwendet er medizinische Fachbegriffe, die es nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass seine Geschichte stimmt. Ehzanullah zeigt Bilder, die er in seinem Handy gespeichert hat. Auf einem sieht man einen Treck Hunderter Menschen, die im dichten Nebel über einen Bergkamm steigen, auf einem anderen eine verdreckte Unterkunft in Bulgarien. Er sagt, er habe auch Videos aufgenommen, Polizisten, die ihn schlecht behandelten, Mitarbeiter der Flüchtlingslager, von denen er, wenn er um Hilfe bat, nur Gleichgültigkeit erntete. Er will das alles vorweisen können, wenn er es später vielleicht nach Deutschland oder in ein anderes mitteleuropäisches Land schafft und seinen Asylantrag stellt. Er möchte dann nicht wegen der Dublin-Regeln zurückgeschickt werden.

      Es ist spät am Abend. Das Freitagsgebet in der Banja-Baschi-Moschee ist zu Ende gegangen. Das Gebäude mit dem schlichten Minarett ist eine der ältesten Moscheen in Europa. Erbaut um das Jahr 1576 von Mimar Sinan, einem der Stararchitekten des Osmanischen Reichs, Überbleibsel eines halben Jahrtausend osmanischer Herrschaft über Bulgarien. An Freitagen ist sie oft so voll, dass die Gläubigen draußen vor dem Eingang ihre Gebetsteppiche auslegen müssen. Und wenn nach dem Gebet, wie jetzt im Ramadan, aus großen Töpfen Linsensuppe geschöpft und dazu Basmatireis und Milch verteilt werden, reicht die Schlange bis auf die Straße hinaus.

      Ehzanullah ist seit 47 Tagen in Bulgarien. Er hat auch das genau notiert. Die Sorge, in diesem Land bleiben zu müssen, bestimmt seither sein Leben. Seit drei Tagen wohnt er in Sofia in einer Wohnung mit anderen Migranten. Ein Schlepper hat sie zur Verfügung gestellt. Dort wartet Ehzanullah, bis die Menschenhändler einen Wagen für den letzten Abschnitt seiner Flucht organisiert haben.

      Auch Ehzanullah gerät im Jahr 2014 ins Visier der Taliban. Über Facebook versuchen sie ihn für einen Anschlag anzuwerben. „Du arbeitest doch bei den Amerikanern“, schreiben sie. „Töte die Ungläubigen und das Paradies steht dir offen.“ Ehzanullah ignoriert die Nachrichten. Aber sie lassen nicht von ihm ab. Sein Vater wird im Ort angesprochen, sein siebenjähriger Bruder in der Moschee. Ehzanullah will das nicht. „Ich weiß, was gut und schlecht ist.“ Seine Eltern schicken ihn zu Verwandten nach Kabul. Aber dort kann er nicht bleiben. „Ich habe eine junge Tochter, du kannst nicht im selben Haus leben“, sagt der Onkel schon nach wenigen Tagen.

      So verlässt Ehzanullah gemeinsam mit seinem Vater das Land. 10.000 Dollar kostet die Reise pro Kopf. Sie verkaufen dafür ihr Grundstück. Die Flucht soll über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland führen. Das Geld hinterlegt er am Flughafen in Teheran in einer Wechselstube. Er erhält dafür einen Code. Gelingt die Flucht, wird er dem Schlepper das Passwort übermitteln. Dieser kann dann das Geld auslösen. Das System wird „Hawala“ genannt. Es ist ein auf Vertrauen basierendes Geldtransfersystem, das auch beim Schmuggel von Menschen verwendet wird. Die Methode hinterlässt kaum Spuren und kann deshalb von Ermittlern und Bankaufsichten nicht zurückverfolgt werden. Flüchtlingen gibt sie ein wenig Sicherheit, damit die von Schleppern versprochene Leistung auch tatsächlich erbracht wird. Das System aber ist entsprechend teuer und nur wenige können es sich leisten.

      Wofür kein Schlepper garantieren kann, ist die sichere Ankunft. Ehzanullahs Vater wird auf der Flucht im Iran festgenommen und abgeschoben. Ehzanullah reist allein weiter. In der Türkei hält man ihn bei der Einreise fest. Er verbringt 29 Tage im Gefängnis, dann überquert er mit zwölf anderen die Grenze nach Bulgarien. Zwei Tage lang versteckt er sich mit der Gruppe im Wald, sie haben ein GPS-Gerät dabei und Handys. Aber irgendwann ist die Batterie des GPS-Gerätes leer. Wieder werden sie festgehalten, diesmal von der bulgarischen Grenzpolizei. Die Beamten speichern seine Fingerabdrücke.

      Diese Geschichte, die nicht überprüfbar ist, erzählt uns Ehzanullah in der Moschee von Sofia. Inzwischen ist er seit sechs Monaten unterwegs. In dem Apartment des Schleppers in Sofia hat er einen Cousin aus Afghanistan wiedergetroffen. Sein Cousin kämpfte für die Taliban. Es ist eine bizarre Situation. Ausgerechnet einer, der dafür verantwortlich sein soll, dass Ehzanullah das Land verlassen musste, wird nun zu seinem Fluchtgefährten. „Wir sind Freunde geworden“, sagt er. Es gibt nicht viele Menschen, die Ehzanullah noch an seiner Seite hat. Er hat sich einen großen Teil der Reise allein durchgekämpft. Von der Gruppe, mit der er über die Berge des Irans flüchtete, hat er keinen mehr gesehen. Er weiß von einem, der es in die Schweiz geschafft hat, zwei sind in London, einer landete im Gefängnis von Athen.

      Es gibt Tage, da denkt Ehzanullah an die Zeit, die er in seinem Land verbracht hat, und an die vielen Jahre, die die Religion das Leben dort bestimmte. „Ich wünsche mir dann, dass ich besser nie geboren worden wäre.“ Ehzanullah kann eine Kalaschnikow in drei, vier Minuten auseinandernehmen und reinigen, sagt er. „Aber warum kann ich nicht einen Computer reparieren? Warum habe ich nichts gelernt, das Gutes bringt?“ Er träumt von Deutschland und davon, dort Geld zu verdienen, um in Afghanistan einen Fernsehsender aufzubauen. Er würde den Menschen erklären, dass sie nicht in der Vergangenheit verharren sollten. „Ich würde ihnen sagen: Kommt in dieses Leben!“ Ehzanullah ist in den nächsten Tagen immer wieder in der Nähe der Moschee anzutreffen. Dann taucht er plötzlich nicht mehr auf. Niemand in der Moschee weiß, was aus ihm geworden ist. Aber man hört, dass er das Land verlassen habe.

      Wir wollen mit Nikolai Alexandrov Tchirpanliev darüber sprechen, warum die Menschen dieses Land, das Mitglied der EU ist, so schnell wieder hinter sich lassen wollen. Wir möchten wissen, wie das Land versucht, Flüchtlinge zu schützen. Tchirpanliev leitet die Staatliche Flüchtlingsagentur Bulgariens. Flüchtlinge, die die EU-Außengrenze überwunden haben, werden in der Regel mit seiner Behörde konfrontiert. Sie ist oft die erste Anlaufstelle in der EU. Und sie ist, so finden viele, kein besonders ehrenwertes Aushängeschild für Europa.

       Staatliche Flüchtlingsagentur von Bulgarien, Sofia

      Die beiden Vertreter von „Amnesty International“ haben sich für heute beim Direktor der Staatlichen Flüchtlingsagentur, Nikolai Alexandrov Tchirpanliev, angekündigt. Tchirpanliev weiß, dass ihm dieser Termin wieder Ärger bringen wird. Er hat ihren Bericht gelesen, auch den davor, und es ist wahrscheinlich, dass sie auch nach diesem Besuch wenig Nettes über seine Behörde schreiben werden. Wieder wird es heißen, dass sein Amt mit der Flüchtlingssituation überfordert sei, dass es nicht in der Lage sei, würdevolle Unterkünfte bereitzustellen, überhaupt, dass die Bedingungen in Bulgarien für Menschen auf der Flucht nicht zumutbar seien. Tchirpanliev weiß, sie sind hier, um noch mehr Schwachstellen in seinem System zu finden.

      Nikolai Alexandrov Tchirpanliev ist ein Bär von einem Mann. 57 Jahre alt, hemdsärmelig und jovial, einer, der nie zu lange nachdenkt, bevor er spricht. Er hat Psychologie und Soziologie studiert, lange in der Armee gedient. Zuletzt war er im Verteidigungsministerium beschäftigt. Auch als Leiter der Flüchtlingsbehörde versteckt er seine Vergangenheit nicht und setzt auf militärische Strenge. Er ist stolz, dass jeder Vierte seiner Heimleiter aus der Armee kommt. „Das sind die richtigen Leute für diesen harten Job, nur sie können mit diesem Stress umgehen.“ „Soldaten“, sagt er uns einmal, „sind einfacher zu führen als Migranten.“

      Die Amnesty-Delegation hat einen Dolmetscher mitgebracht. Auch Tchirpanlievs Übersetzerin sitzt mit am Tisch, als würden sie nicht einmal den Dolmetschern trauen. Der Amnesty-Programmleiter für Europa und Zentralasien, John Dalhuisen, zitiert zum Gesprächsauftakt eine veraltete Statistik und wird sofort von Tchirpanliev korrigiert. Dalhuisens Kollegin lässt ein Exemplar des neuen Reports über den Tisch rutschen. Sie hat dem Bericht versehentlich etwas zu viel Schwung gegeben. Viel zu schnell schlittert er über die Tischplatte auf Tchirpanliev zu. Als wolle sie ihn provozieren. Es ist ein denkbar schlechter Beginn für das Gespräch.

      „Ich kenne den Bericht“, sagt Tchirpanliev und lässt ihn wie ein schmutziges Tuch vor sich liegen. „Wir haben uns bereits einmal getroffen, wir haben viele Dokumente übergeben“, sagt er, „wir machen das auch gern weiterhin.“ Es ist ein höflicher Satz, aber er spricht ihn in einem Tonfall aus, als meine er das Gegenteil, als habe er die Geduld verloren. Tchirpanliev ist zurückhaltend, er lächelt nicht, er ist jetzt ungewöhnlich schmallippig.

      Jede Frage der Amnesty-Referentin ist ein charmant verkleideter


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