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Leere Hand. Kenei MabuniЧитать онлайн книгу.

Leere Hand - Kenei Mabuni


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ihren persönlichen Eigenheiten und Auffassungen arrangiert. Die Ishimine no Passai beispielsweise ist besonders für den Kampf mit kleinen Personen geeignet. Also kann man vermuten, daß Meister Ishimine selbst nicht klein war. Allein von der Kata Passai gibt es fünf Varianten, benannt nach Itosu, Matsumura, Matsumora, Tomari und Ishimine.

      Im Gegensatz zu den großen Meistern Itosu und Higaonna vermittelten die meisten anderen Lehrer ihren Schülern oft nur eine einzige Kata. Unter den heute üblichen Kata des Itosu-Stils sind viele nach den Lehrmeistern oder den Herkunftsorten benannt, so z. B. die Kata Chatan Yara no Kōsōkun, Tomari no Passai, Matsumura no Passai oder Ishimine no Passai. Tomari ist ein Ortsname,35 Matsumura und Ishimine waren Lehrer. Chatan Yara no Kōsōkun bedeutet die Kata Kōsōkun (Kushanku), welche von Meister Yara aus dem Dorf Chatan stammt. Diese neuerdings auch in Wettkämpfen gern vorgetragene Kata ist im übrigen die repräsentative Kata des Shuri-te. In der von Yara überlieferten Form ist allerdings auch eine für das Naha-te sehr typische Technik, ein kreisförmiger Block (mawashi uke), enthalten. Als Wettkampfkata wurde sie jedoch erheblich umgestaltet. Die authentischen Kata des Shuri-te sind die Kata in der Form, wie Meister Itosu sie überliefert hat.

      In jüngster Zeit gibt es Forschungen, die den Grundtypus der Karate-Kata in den Tao des chinesischen Kempō suchen. Sicher ist es möglich, hier Spuren zu finden, aber das Karate ist sowohl geistig als auch technisch etwas grundsätzlich anderes als das chinesische Kempō. Dies soll auf den folgenden Seiten erläutert werden.

      Wie bereits erwähnt, entstammen die okinawanischen Techniken des Kampfes mit der bloßen Hand im wesentlichen zwei Hauptströmungen, dem Shuri-te und dem Naha-te. Das Shuri-te wurde als Geheimlehre innerhalb des Adels von Shuri weitergegeben und schließlich durch Matsumura Sōkon (1800-1896), dem unvergleichlichen Meister der Faust, vervollkommnet. Sein Lehrer war Sakugawa Shungo (1733-1815). Dieser war in Shuri als großer Könner auf dem Gebiet der Kampfkünste bekannt. Er hatte das chinesische Kempō, das Tōde, in China studiert und dem Adel in Shuri vermittelt. Deshalb nannte man ihn auch Tōde-Sakugawa. Er hatte sich den nördlichen Stil aus Peking angeeignet, der für manche auch als Urtyp des Shuri-te gilt. Matsumura wurde im Alter von 20 Jahren auf Befehl des Ryūkyū-Hofes nach Satsuma geschickt. Hier studierte er die Jigen-Schwerttechnik und erlangte darin den höchsten Meistergrad, den man als unyō (»Flammenwolke«) bezeichnete. Mit 27 Jahren kehrte er auf Okinawa zurück, aber schon bald hatte er Gelegenheit, Meister Sakugawa auf einer Reise mit dem Tributschiff nach China zu begleiten. So konnte er in Peking das nordchinesische Kempō studieren.

      Im Jigen ryū gibt es keine obere, mittlere und untere Schwertposition. Es gibt nur eine einzige, hassō genannte Stellung. Die Arme werden dabei hochgehoben, als wolle man in den Himmel stechen. Dann schnellt man mit einem bis ins Mark gehenden kiai36 einen Schritt nach vorn oder man geht nach unten und läßt das tachi-Schwert heruntersausen.

      Die Philosophie der Jigen-Schwerttechnik besteht darin, immer das kommende Geschehen zu beherrschen und die innere Einstellung anzustreben, stets mit dem ersten Schlag zu siegen. Kondō Isamu von der shinsen gumi37 erinnerte sich, daß man nichts mehr fürchtete als diese Technik und daß die Soldaten immer wieder ermahnt wurden, jenem ersten Hieb der Satsuma-Leute auszuweichen. Im Feldzug zum Sturz der Tokugawa-Regierung im Jahre 1868, aber auch während der Samurai-Rebellion von 1877 verschafften sich die Satsuma-Samurai mit diesem gefürchteten ersten Schwerthieb wirkungsvoll Respekt. Die Leichen ihrer Gegner waren für gewöhnlich mit einem »Schärpenhieb« von der Schulter bis zum Bauchnabel durchtrennt. Bei einigen war sogar das Stichblatt des eigenen Schwertes in die Mitte der Stirn gedrückt. Sie hatten ihr Schwert zur Abwehr gehoben, aber die Wucht und die Schnelligkeit des niedersausenden Satsuma-Schwertes weit unterschätzt, so daß das abwehrende Schwert in den eigenen Schädel geschlagen wurde.

      Die Jigen-Schwerttechnik zielte auf eine besonders hohe Geschwindigkeit des Schwerteinschlags beim Gegner ab. Über die höchste Vollendung dieser Technik, die »Flammenwolke«, hieß es im »Handbuch über die soldatischen Techniken des Jigen ryū« wie folgt: »Ein Achtel einer Minute ist ein byō. Ein Zehntel von einem byō ist ein shi. Ein Zehntel von einem shi ist ein kotsu. Ein Zehntel von einem kotsu ist ein kō. Ein Zehntel von einem kō ist ein rin. Wenn man bis zu einem rin gekommen ist, dann hat man die Flammenwolke (unyō) erreicht.«

      Von den Meistern des Jigen-Stils hieß es, sie hätten einen Regenwasserschwall, der vom Dach strömt, dreimal durchtrennt, bevor er auf der Erde auftraf. Um die Konzentration zu trainieren, die ein solcher Hochgeschwindigkeits-Schlag erforderte, gab es im Jigen-Stil eine spezielle Trainingsmethode, die man »einen stehenden Baum schlagen« (tachi ki uchi) nannte. Partnerübungen wie in anderen Schulen gab es nicht. Man schnitt einfach ein yusu genanntes Holz auf die richtige Länge, ergriff es wie ein Schwert und schlug dann mit einem lauten kiai diagonal von links nach rechts auf einen großen Holzklotz ein. Angeregt durch diese Methode, dachte sich Meister Matsumura die im traditionellen Karate übliche Trainingsmethode des Einschlagens auf mit Stroh umwickeltes Holz (makiwara zuki) aus, wie sie dann beispielsweise durch seinen Schüler Itosu Ankō praktiziert wurde.38

      Von Meister Nakayama Hiromichi (1869-1958), den man auch den »Musashi (Musashi Bō Benkei oder nur Benkei) der Shōwa-Zeit« oder den »letzten Heiligen des Schwertes« nannte, stammen die folgenden Worte: »Karate macht die bloße Hand zum Schwert. Und das ist mehr als nur eine Metapher. Die Karate-Faust ist ein Schwert.«

      In historischen Dramen sieht man die Kämpfer meist munter aufeinander einschlagen. Japaner nennen dies chanbara.39 Aber ein solcher Schlagabtausch ist nur möglich, wenn, wie beim Kendō, zwei mit Kopf- und Körperschutz bekleidete Trainingspartner, immer auf die richtige Distanz achtend, die Schläge aufeinander einprasseln lassen. Im Kampf mit dem wirklichen Schwert entscheidet der Moment des Schwertziehens über Sieg oder Niederlage, und der erste Schlag entscheidet über Leben oder Tod. Einen zweiten gibt es nicht. Auch wenn der erste Schlag nicht mit der Wucht der Jigen-Technik geführt wird, ist er tödlich.

      Die Tatsache, daß Meister Matsumura die Jigen-Schwerttechnik, den »Hausstil« der Samurai aus Satsuma, perfekt beherrschte, sollte einen entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung des Shuri-te ausüben. Jene Samurai, die Okinawa seit 1609 besetzt hielten, waren es schließlich, die jedem, der auf Okinawa die Kampfkunst mit bloßer Hand lernte, beim Training als Gegner »vorschwebten«. Ohne Zweifel war es Matsumura Sōkon, der Vollender des Shuri-te, der Karate nach dem Grundsatz gestaltete, den Gegner mit dem ersten Schlag oder Tritt zu töten.

      Das Shuri-te hat diese Idee des »tödlichen ersten Schlags« uneingeschränkt übernommen. Im chinesischen Kempō dagegen gibt es diese Idee nicht. Hier gilt die Regel »Hände und Beine suchen« (tanshu tantai). Der Kampf beginnt damit, daß die Gegner sich gegenseitig auf ihre technischen Fähigkeiten hin »abtasten«, einander studieren. Man beginnt mit hohen kamae (Haltungen), verringert schrittweise die Distanz und geht über zu niedrigen kamae, und nach einem Schlagabtausch zieht man sich wieder zurück. Dann nähert man sich einander wieder, und es kommt zu einem erneuten Schlagabtausch. So entwickelt sich ein relativ spektakulärer oder theatralischer Kampf. Das ist aber nur deshalb möglich, weil hier die bloße Hand nicht zum Schwert geworden ist.

      Karate hingegen ist eine Kampfkunst, die entwickelt wurde, um sich gegen einen Gegner zu verteidigen, von dem man annehmen mußte, daß er, im Jigen-Stil geschult, den ersten Schlag wie eine »Flammenwolke« ausführen konnte. Also wurde es zur lebensentscheidenden Frage, den ersten Schwerthieb des Gegners richtig zu beurteilen und mit der eigenen Faust tödlich treffen zu können. Aus diesen Gründen ist es gerechtfertigt zu sagen, daß die Meister Matsumura und Itosu das Shuri-te unter dem Einfluß der japanischen Schwertkunst, vor allem der Jigen-Schwerttechnik, zur Vollendung gebracht haben.

      Im chinesischen Kempō ist die Grundlage der Bewegung der Kreis. Auch im Boxen und Kickboxen werden die Schläge und Tritte mit kreisförmigen Bewegungen ausgeführt. Im Karate der Nachkriegszeit sind unter dem starkem Einfluß dieser Techniken die Bewegungen ebenfalls kreisförmig geworden.

      Vor einiger Zeit zeigte mir ein Schüler


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