100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 3. Erhard HeckmannЧитать онлайн книгу.
denen feiern, die das auch tun. Und dazu ist der „Red Onion Saloon“ die richtige Destination; historisch, urig, und die Band mit Sängerin mischt ordentlich auf. Auf die Preise wirkt sich dieser Service aber nicht aus, denn für zwei Portionen Chilibohnen und sechs große dunkle Bier standen am Ende ganze neun Dollar auf der Rechnung, und das sind momentan weniger als fünfeinhalb Euro. Rechnerisch kann das eigentlich nicht stimmen, doch listet die Getränkekarte nur die Biersorten auf, aber keine Preise. Da bleibt also nur anzunehmen, dass es heute Freibier gibt, und lediglich die Bohnen zu bezahlen waren. Mysteriös ging es hinter diesen alten Holzwänden aber schon immer zu, und der Grund, weswegen der Red Onion Saloon heute als „National Historic Building“ geführt wird, ist dann auch eher ein schmunzelnder: 1897 aus Planken gebaut, die Skagways Gründer Capt.William Moore im Wald selbst geschlagen hatte, entwickelte sich das ein Jahr später eröffnete „Business“ zum exklusivsten Bordell des Ortes. Während im Parterre Alkohol ausgeschenkt wurde, hatten die zehn kleinen Räume der zweiten Etage neben drei Ausgängen – zwei davon in das jeweilige Nebenzimmer – auch je eine Kupferrohrverbindung vom Fußboden des Zimmers zum „Cash Register“ an der Bar, wo jeweils eine Puppe pro Zimmer signalisierte, welche der Damen Besuch hatte oder nicht. Wenn das Geschäft blühte, legte der Mann hinter dem Tresen die Figur solange auf den Rücken, bis das Geld durch das Kupferrohr an der Bar angekommen war und dem Minipüppchen wieder auf die Beine verhalf. Die Sicherheit des Honorars, üblicherweise fünf Dollar in Gold, garantierte der Barkeeper, der es solange verwahrte, bis Birdie Ash, Big Dessie, Popcorn Lil, The Oregon Mare, Babe Davenport, Pea Hull Annie, Kitty Faith, The Bell of Skagway – auch die berühmte Klondike Kate soll dabei gewesen sein – ihre Münze abholten. Als das Geschäft 1899 zu stagnieren begann, zogen die meisten der Damen nach Norden, wo sie in Dawson den Goldfeldern wesentlich näher waren und Casinos, Spiel- und Tanzhallen von erheblichem Aufwind beflügelt wurden. Der Red Onion Saloon selbst veränderte sich auch, denn die Eisenbahn begann das Geschäft in Skagway zu bestimmen, und viele der Geschäfte rückten nun näher an die Station heran. Auch der „Red Onion“, für den ein einziges Pferd genügt haben soll, um die Konstruktion von der 6th- / State Street zum heutigen Broadway-Standplatz zu ziehen, machte den Transport mit. Unglücklicherweise soll das um die letzte Ecke herum rückwärts erfolgt sein, so dass Front- und Rückseite demontiert und umgetauscht werden mussten, damit vorn wieder vorn war und nicht hinten. Zur Zeit des Zweiten Weltkrieges diente das Gebäude unterschiedlichen Zwecken. Es war Wäscherei, Bäckerei, Armeebaracke, Fernsehstation und Souvenir-Laden. Erst als Jan Warentmore 1980 eine „Liqueur-Licence“ erwarb, eröffnete es wieder als Saloon, in dem heute kaum ein Platz zu bekommen war. Immerhin ist uns nun auch das „Frontcover“ der Speisekarte klar, dass eine flotte Dame durch eine Sprechblase lächelnd sagen lässt: „ So you thought I was the only dish at the Red Onion Saloon“ …
Eine Institution war auch das „Pullen House“, das für ein halbes Jahrhundert den Ruf genoss, das beste Hotel in Alaska zu sein. Verdankt hat es diesen der unermüdlichen Harriett Pullen. Die vierfache Mutter kam im September 1897 nach Skagway, arbeitete im Zeltrestaurant und formte an den ersten Tagen Büchsen zu Pfannen, um darin „Dried Apple-Pie“ zu backen. Der Apfelkuchen schlug ein, sie holte ihre Kinder nach und ging mit deren Hilfe ins Horse-packing Geschäft. Auch damit verdiente sie gut, kaufte Captain William Moore’s großes Heim und änderte es in ein Hotel um, das sie fünfzig Jahre lang führte. Der Frau, die sich als Witwe ausgab und 1947 zu Skagway starb, hatte durch Courage und harte Arbeit sich sehr schnell Respekt und Ansehen verschafft, und überall dort, wo ihr Markenzeichen, der bespannte Landauer anhielt, öffneten sich ihr die Türen. Sie kaufte zu Dea die „Historic Townside“, hielt Milchkühe, schützte die Gold Rush Struktur und führte Gäste auf Touren nach dort. 1970 verkauften ihre Nachfahren diesen Besitz an den National Park Service, womit das Erbe dieser tapferen Frau in die richtigen Hände weitergegeben wurde.
Skagway, Alaska –Anfang oder Ende der Inside Passage
Clever und fleißig war auch ein anderer Pionier: G. Brackett baute 1897 mit 250 bis 300 Arbeitern – Unqualifizierte verdienten am Tag 2.50 Dollar, Zimmerleute einen mehr – unterhalb der heutigen Eisenbahnschienen eine Wagenstraße, die bis zum White Pass führen sollte. Als sein Geld ein Jahr später alle war und die Eisenbahn Interesse zeigte, verkaufte er seine Straße für 100.000 Dollar. Danach hatten britische Geldgeber innerhalb von 26 Monaten den Wandel des Transportsystems vom primitiven Trail zur Moderne des 19. Jahrhunderts ermöglicht und J.Heney mit 2.000 Arbeitern in Handarbeit am 29.7.1900 umgesetzt, was er den Investoren vorher versprochen hatte: „ Geben Sie mir genug Geld und Dynamit, und ich baue auch eine Straße zur Hölle“. Heute ist Skagway einer der am meisten besuchten Orte der Welt. Sein alter Ortsteil vermittelt einen Hauch Goldgräberzeit und steht als „Klondike Goldrush National Historical Park“ unter Denkmalschutz. Und das Städtchen verbindet auch den Alaska Highway mit Südostalaska, denn es ist nördlichste Endstation der weltberühmten Inside Passage, und somit ein Bindeglied zwischen der Pionierzeit und dem 21.Jahrhundert.
Am nächsten Morgen fährt uns der Hotelbus zum Schiff, und dort bringen wir sofort unsere Koffer unter Verschluss, um uns während der etwa sechs Stunden bis Juneau frei bewegen zu können. Die meiste Zeit verbringen wir draußen an der Reling, lauschen zwischendurch aber auch einem Rancher, der in der Lounge seinen Gästen allerlei Interessantes erzählt. So auch, dass sich Mountain Goats von Dall Schafen – deren zirkuläres Horn 8 Jahre bis zur vollen Entwicklung benötigt – dadurch unterscheiden, dass ihre Haare länger, die Brust tiefer und die Hörner schwarz sind; ein Weißkopfseeadler erst mit sieben Jahren seine volle Federpracht entwickelt hat; Wölfe eine komplexe, soziale Hierarchie haben; Karibus mit 3.000 Meilen pro Jahr mehr wandern als jedes andere Landtier; Moschusochsen Mitte der 1800er Jahre fast ausgerottet waren und fast alle, der heute in Alaska lebenden 2.000 Tiere, auf 34 Exemplare zurückgehen, die zur Erhaltung der Art von Grönland eingeführt worden waren; Stachelschweine in Nordamerika seit 3 Millionen Jahren leben; ein Elchgeweih jährlich abgeworfen wird und bis zu 50 Pfund wiegt; Seeotter das dichteste und weichste Fell aller Säugetiere besitzen; ein Grizzly 900 Kilo wiegen kann; Kodiak Amerikas größte Insel vor Hawaii ist; Schamanen als Mittler zwischen Menschen und Göttern gelten, und Tlingit-Indianer nach der Hochzeit zur Sippe der Frau, nicht zum Clan des Mannes ziehen. Und der Ranger weiß auch, weshalb der Chilkat River im Bereich des Adlerschutzgebietes nicht zufriert: Der Flussboden ist felsig, das Gletscherwasser hat ihn über Millionen Jahre ausgewaschen und viele tiefe Stellen geschaffen, die das Wasser beruhigen und am Fels wieder hochtreiben. Zurückkommend in tieferes Gewässer ist es wärmer und verhindert die Eisbildung. Und das wissen neben dem Ranger auch die Lachse, Adler und neuerdings auch wir. Kurz bevor unsere Fähre vor der Nordspitze des Admiralty Islands einen Linksschwenk macht, um die Auke Bay anzusteuern, begleitet steuerbords ein Buckelwal unsere Fähre, die in den vergangenen Stunden durch wunderschöne Natur fuhr, mit Bergketten, weiß betupft, grün umhüllt oder felsig und von unterschiedlichen Farben geprägt. Zwischen Gletschern und Wasserfällen zeigten sich kleine und große Täler, Wald und grüne Uferstreifen. Und als das Schiff eindreht, taucht auch der Wal nochmals auf und bläst seine Atemluft als Fontänen mehrmals Richtung Himmel, während sein Rücken das ruhige Wasser ganz gemächlich durchpflügt. Dann wölbt der mächtige Säuger plötzlich den Rücken und zeigt seinen Reisepass: Für Bruchteile von Sekunden steht die mächtige Schwanzflosse, so einmalig wie ein Fingerabdruck, in voller Größe senkrecht über dem Wasser, lässt die Auslöser klicken und verschwindet Augenblicke später wieder in der Tiefe.
In Juneau holt uns der kostenlose Zubringerbus der Driftwood Lodge, unser Stadthotel für zwei Nächte, von der Auke Bay ab, denn das gehört zum Service. Der Rest des Tages verläuft ohne Programm, zum Teil aber wieder in einem „berühmten“ Saloon, dem „Red Dog“, denn auch ihn kann kein Tourist auslassen. Mit Sägespänen auf dem Fußboden, ordentlicher Lifemusik, Bieren wie Saloon Amber oder King’s Ale und Drinks, die unter den Namen „Cheap Shit (pretty good staff)“, „Regular Shit“, „Expensive Shit“ und „Realley Expensive Shit“ angeboten werden und zwischen fünf und sieben Dollar kosten, lässt sich schon erahnen, dass auch hier die raue Vergangenheit mitschwingt. Tanz und Unterhaltung soll der Saloon schon zu Juneaus „glorious mining heydays“ geboten haben, als „Ragtime Hattie“ mit weißen Handschuhen am Piano für