Der bürgerliche Staat. Группа авторовЧитать онлайн книгу.
Amtsgewalt für das Privatinteresse: Karriere, erlaubte Vergünstigungen und Korruption.
Jene, denen das Staatsamt schon in Fleisch und Blut übergegangen ist, die es also wissen müssen, warum sich eine kritische Stellung zum Staat nicht mit einer ordentlichen Pflichterfüllung im Amt verträgt, haben Berufsverbote erfunden, die es übrigens nicht nur bei den hässlichen Deutschen gibt. Staatsdienst ist eben kein Beruf wie jeder andere, auch nicht als Lokführer.
d)
Im Kampf um die Durchsetzung des souveränen Staates ging es darum, die Verschmelzung der politischen Gewalt mit Kirche, Adel und Grundeigentum zu beseitigen und die gesamte Gesellschaft seiner Gewalt zu unterwerfen. Seine Entscheidungen wurden von besonderen Interessen (auch von solchen außerhalb seines Herrschaftsbereiches) gelöst; nur seinen Bürgern, aber auch allen, sollte der Staat verpflichtet sein und umgekehrt, so dass der Kampf um die Anerkennung von Person und Eigentum in Form einer Befreiung des alten Staats von seinen Abhängigkeiten statt-fand. Im Namen der Volkssouveränität forderten die von der Staatsmacht nicht anerkannten Teile der Gesellschaft ihre Beteiligung an der öffentlichen Gewalt. Alle staatlichen Entscheidungsorgane sollten mit den Grundrechten alle Beherrschten achten, was die alten Souveräne nicht taten. Sie wurden beseitigt, und die Menschenrechtserklärungen waren der Auftakt für die Ausübung einer politischen Gewalt, die von Volksvertretern bestellt wurde. Aus denen, die Interessen gegen den alten Staat durchsetzten, wurden Repräsentanten dieser Interessen; nun sprachen und handelten sie nicht mehr für die Anliegen ihrer Leute, sondern beschränkten dieselben mit allen Mitteln staatlicher Kunst. Vom Standpunkt der Kämpfenden erschien deshalb mancher bürgerlicher Revolutionär nach dem Sieg als Verräter!
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Für den praktischen Bürgerverstand bildet die Unausweichlichkeit der Unterwerfung unter die staatliche Souveränität den Ausgangspunkt für Erwartungen und Enttäuschungen. Sich selbst fühlt er laufend über die Maßen in die Pflicht genommen, bei anderen sieht er dagegen nur Rechte und beschwert sich über die bedenkliche Schwäche der Repräsentanten, denen er sonst auch einmal den Vorwurf des Machtmissbrauchs macht. So findet er sich ab mit der Verpflichtung auf die Grundrechte, indem er ständig kritisch über das Ausmaß staatlicher Einschränkungsvollmachten gegenüber anderen streitet, die ihre Grundrechte wahrnehmen. Sein Interesse an Herrschaft wird da oft enttäuscht, so dass er sich zum Begutachter der Führungsqualitäten und der Vertrauenswürdigkeit seiner Repräsentanten entwickelt, die der Ärger über sein mangelhaftes Zurechtkommen in dessen Grund verwandelt. Der Anspruch auf gebührende Repräsentation des Staates ist alles andere als Auflehnung, was sich an der peinlichen Lübke-Kritik von Intellektuellen darbot. Er wird ergänzt durch die Einstellung, dass die Benutzung der Macht für das private Ansehen des Repräsentanten legitim und verständlich ist, wenn es der Sache des Staates dient. Die Öffentlichkeit beruhigt sich über die brutalen Seiten der Herrschaftsausübung auch mit dem Gemeinspruch, Politik sei ein schmutziges Geschäft, und die Sorgen über die Schädigung des Staatsansehens bei sogenannten Skandalen verschwinden schlagartig, wenn die betreffenden Figuren ausgetauscht sind (Watergate, Filbinger).
Die Propagandisten einer funktionierenden Herrschaft, die politischen Wissenschaftler, betrachten das Verhältnis Staat - Bürger streng funktional. An der Volkssouveränität gefällt ihnen die Gewaltökonomie, die Stabilität einer politischen Macht, die sich auf Zustimmung gründet. In ihrer Ableitung der Repräsentanten aus Raum, Zahl und politischem Reifegrad preisen sie das Ideal eines Volkswillens, der im Repräsentanten staatlicher Gewalt und im Bürger als Verantwortung existiert. Politologen machen beim Lob der Grundrechte stets den Übergang von der herrlichen Möglichkeit, freier Bürger zu sein, zur Notwendigkeit, die Freiheit auch richtig zu gebrauchen. Jede Grundrechtserläuterung geht auf die Abwägung, wieweit die Ausnützung der Verfassung erlaubt sein soll – andererseits ist der etwas anders geartete Umgang auswärtiger Staaten mit ihren Bürgern damit zu erledigen, dass sie die Menschenrechte verletzen. Die „Menschenrechtswaffe“ zieht vor allem gegenüber revisionistischen Staaten, weil sie deren Zurückdrängen, das knallharte imperialistische Vorwärts, so schön moralisch untermalt.
Die linken Fanatiker des wahren Volkswillens landen mit derselben Waffe enorm moralische Schläge in die umgekehrte Richtung. Das ganze Jahr über fordern sie für Arbeiter und Bauern mehr Rechte, weil sie ihnen das Vergnügen gönnen, voll und ganz mit der Staatsgewalt eins zu sein. Der Haken an der öffentlichen Macht liegt für sie nämlich darin, dass diese unter dem Druck von Monopolen eine echte Vertretung des Volkes nicht sein kann. In die richtigen Hände gelegt, können sie ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung wieder nachkommen.
Die faschistischen Kritiker wollen ebenfalls das Verhältnis Volk - Staat enger gestaltet sehen: an die Stelle der souveränen Macht, die sich der Konkurrenz nützlich macht, soll ein Souverän treten, der die Konkurrenz als Staatsdienst organisiert. Im Bezug auf die Freiheit des Privatinteresses, das vom Staat reguliert und anerkannt wird, erblicken sie eine Schwäche des Staates. Grundrechte halten sie für Fesseln seiner Gewalt statt für deren Mittel, und die demokratischen Staatsagenten für schlappe, im Gegensatz zum wahren Volksgeist verkommene Typen, weil sie den Willen der Bürger zum Staat nicht getrennt von seinen Gründen – den Ansprüchen der Konkurrenz – zum Motor der Politik machen: der Privatmensch soll im Bürger aufgehen!
© 2018 GegenStandpunkt Verlag
§ 3
Gesetz – Rechtsstaat – Demokratie
Mit der Verfassung genügt der Staat dem Interesse seiner Bürger an den Verkehrsformen der Konkurrenz und verpflichtet sich, alles, was er tut, in Form von Gesetzen zu vollziehen, deren Inhalt den Grundrechten zur Durchsetzung verhilft. Indem die Repräsentanten des Volkes ihr Handeln mit den Grundrechten legitimieren und es korrigieren, sobald es der Verfassung widerspricht, ist der Staat Rechtsstaat. Als solcher ist er vom Einfluss des privaten Willens auf sein Handeln emanzipiert und lässt seine Gewaltausübung nur noch an der Verfassung messen. Die Demokratie ist insofern die adäquate Verlaufsform des Verhältnisses von Staat und Volk, als sie die Identität des Volkswillens mit der Staatsgewalt abstrakt verwirklicht, also trennt von der Zustimmung der Privatsubjekte zu bestimmten Gesetzen und ihrer Ausführung. Hier ist nicht Zustimmung gefragt, sondern Gehorsam; und für den Fall, dass der ausbleibt, steht nicht der Staat, sondern der Rechtsstaat zur Disposition.
a)
Adäquate Staatsform ist die Demokratie darin, dass die Staatsgewalt den Bürgern immer, aber auch nur dann Beschränkungen auferlegt, wenn der Gebrauch ihrer Freiheit eine Verletzung der Freiheit anderer zur Folge hat: der Staat anerkennt die Besonderheit aller Privatpersonen, die er dem Gesetz unterwirft. Er verleiht seinen Gesetzen allgemeine Gültigkeit, bezieht alle Handlungen auf sich und verlangt keinem Interesse besondere Leistungen ab – außer eben die, welche sich aus dessen ökonomischen Mitteln ergeben. (Man wird sehen, wie gründlich er das tut!) Im Unterschied zum absolutistischen Staat bevorzugt er keinen Stand, keine Klasse; jedermann kommt in den Genuss aller Rechte und niemand hat Privilegien. Nicht durch seine Parteinahme, seinen unmittelbaren Einsatz für das Interesse bestimmter Teile der Gesellschaft, wird er Diener einer Klasse – das allen garantierte Gesetz und die Gerechtigkeit organisieren den Vorteil der Stärkeren und den bleibenden Nachteil der minder bemittelten Bürger: der demokratische Staat vertraut auf die Macht des Privateigentums, er entspricht den gesellschaftlichen Verhältnissen, wenn er sie kodifiziert.
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Die Macht, mit der die Organe des Staates sich von der Gesellschaft ausstatten lassen, nicht anders zu gebrauchen, als es den Zwecken der Bürger gemäß ist, betrachtet der Rechtsstaat als eine Pflicht. Er kommt ihr nach, indem er seine Kollisionen mit den Bürgern dem Kriterium der Grundrechte unterwirft. Großzügig begnügt er sich mit den Beschränkungen der Bürger, die in der Verfassung enthalten sind. Legitimes Hinausgehen über die Schranken