Schwarzer Kokon. Matthias KlugerЧитать онлайн книгу.
hat ne Wunde am Bein.«
Das Frühstück
In der Küche saßen bereits Olivia und Stephen am ovalen Tisch beim Frühstück.
»So ein verdammter Scheißkerl«, hörte sich Fredrik flüstern.
»Soll ich dir noch ein paar Eier machen, Schatz?«, fragte Olivia, als Fredrik zu ihnen trat.
»Wo ist Marc?«, winkte er ab.
»Liegt noch im Bett«, gab Stephen über den Glasrand seines selbst gepressten Orangensafts Auskunft.
»Der spinnt wohl? Erst im Knast und jetzt verschläft er den Tag.« Fredrik war gerade in der richtigen Stimmung, um Marc an den Haaren aus dem Bett zu zerren.
Olivia hielt ihn davon ab: »Fred, lass ihn. Ich werde nachher mit ihm sprechen.«
»Mom«, sagte Stephen hörbar entsetzt, »du bist schon wieder nur auf Marcs Seite. Der kann doch bei dir machen, was er will. Kapierst du nicht, dass er alle nur ausnutzt?«
Ein wenig erschrocken über die heftige Reaktion ihres Sohnes blickte Olivia Hilfe suchend zu Fredrik.
»Sprich nicht so mit deiner Mutter; aber er hat schon recht, Olivia. Marc braucht eine harte Hand!«
»Marc braucht eine harte Hand«, äffte nun eine Stimme aus dem Off. Mit zerzaustem Haar sowie nur seinen Shorts bekleidet kam Marc an den Tisch. »Sorry, Dad, für gestern, wird nicht mehr vorkommen.« Anscheinend unbekümmert griff Marc nach einer Scheibe Toast und setzte sich lässig neben Stephen.
»Und du glaubst, damit ist alles gesagt und wir gehen wieder zur Tagesordnung über?« Fredrik erhob die Stimme. »So nicht, mein Junge. Du wirst die Konsequenzen dafür tragen, ist das klar?«
»Und wie sollen die aussehen?« Marc vermied es, seinen Vater direkt anzusehen, und widmete sich lieber der Erdnussbutter, die er fein säuberlich auf seinem Toast verteilte.
»Morgens zur Uni, und wehe ich bekomme raus, dass du auch nur eine Sekunde der Vorlesung verpasst. Nach dem Training bis auf Weiteres Hausarrest.«
»Dad, das ist nicht fair« versuchte Marc seine miserable Position zu verbessern. »Ich meine die Jungs und …«
»Kein Wort mehr oder ich garantiere dir, es war das letzte Mal, dass ich, Michael oder sonst wer dir aus der Patsche geholfen haben.«
Bevor Marc erneut protestieren konnte, stieß Stephen ihn unterm Tisch und zischte: »Halt jetzt die Klappe!«
»Misch du dich nicht ein«, wurde Marc laut und fuhr seinen Bruder an.
Fredrik verlor endgültig die Geduld: »Marc, noch ein Wort und ich vergesse mich. Wegen dir hab ich mächtig Ärger am Hals. Wegen dir setzt mich die USCP unter Druck – hast du auch nur den leisesten Schimmer, wie deine Schlägerei mir als Senator schadet?«
»Wie meinst du das?«, wollte nun Olivia wissen.
»Nichts weiter«, entgegnete Fredrik resigniert. »Willson und die gesamte USCP sind mit der Entscheidung des Bundesrichters nicht einverstanden. Du weißt schon, im Fall des Schwarzen, der den Polizisten erstochen hat.«
»Ja, und?«, Olivia blickte stirnrunzelnd.
»Willson hat vorhin angerufen. Er verlangt, dass ich mit dem Bundesrichter spreche.«
»Aber das ist doch nicht dein Bier«, warf Stephen ein. »Was wollen die von dir?«
»Was die wollen? Dass ich den Bundesrichter überzeuge, doch die Todesstrafe für diesen Sanders durchzudrücken.«
»Wäre aber auch korrekt, Dad«, meinte Stephen. »Der hat’s doch verdient! Ein schwarzer Killer mehr oder weniger.«
Marc blickte von seinem Sandwich auf und schüttelte sein blondes, zerzaustes Haar: »Du bist echt bescheuert!«
»Klar, Bruderherz, unser barmherziger Marc. Stehst ja auf die Schwarzen. Womöglich vögelst du noch eine.«
»Hört beide auf«, fuhr Fredrik dazwischen.
»Was willst du jetzt tun?« Olivia blickte besorgt.
»Ich muss mit dem Richter sprechen oder ich gehe zur Washington Post und liefere aus erster Hand die Story meines völlig verblödeten Sohns.«
Das war Marc zu viel. Nicht ohne Schuldgefühl, dennoch sauer, Fredriks und Stephens Äußerungen wegen, stieß er den Stuhl zurück, der laut zu Boden krachte, und verschwand in sein Zimmer.
»Klar, hau nur ab, wie du es immer machst, du Pfeife!«, rief Stephen ihm hinterher.
»Hör sofort auf«, fuhr Olivia Stephen an.
»Ja, das kennen wir. Ist immer dieselbe Leier. Marc baut Scheiße und du? Hast du dich jemals so vor mich gestellt?« Stephen tat es Marc gleich und verschwand mit Gepolter.
Dieser Vorwurf traf Olivia. So hatte sie es noch nie gesehen. »Aber Stephen, das ist doch …«
Die Stadt
Columbia, South Carolina, 1732
Ihr Entschluss war gefasst. Sie würde einige Zeit bei Hugh bleiben, der sich als anscheinend vertrauenswürdig herausstellte. Weder machte er anzügliche Bemerkungen noch verhielt er sich respektlos Zola gegenüber. Ganz im Gegenteil hatte Zola mit der Zeit das Gefühl, Hugh sähe in ihr mehr eine große Tochter als die Frau, die sie war.
Hugh richtete Zola eine Schlafstätte ein und hatte in ihr eine Hilfe, sowohl bei der Hausarbeit als auch bei der Trocknung und Gerbung der Felle und Lederhäute. Letzteres war ein aufwendiger Prozess, den sie von Hugh erlernte. Um nötige Salze für das Einlegen der Felle zu erwerben sowie für den Verkauf der ledernen Ware, begaben sie sich zur nahe gelegenen Siedlung Columbia. Mit Erstaunen stellte Zola fest, wie nahe sie auf ihrer Flucht als Einsiedlerin des Waldes einer Stadt gekommen war.
Der Ortskern Columbias bestand aus einer langen, niedergewalzten, staubigen Hauptstraße, an der sich zu beiden Seiten hölzerne Wohnhäuser und Ladengeschäfte reihten. Kleinere Gassen, seitlich entlang der Hauptgebäude, führten nach hinten zu einigen wenigen, teils windschiefen Hütten. Neben mehreren Geschäften und einem Saloon gab es die Schmiede, den Barbier, einen Krämerladen sowie ein Gefängnis, dessen Vorsteher ein gewählter Sheriff war. Der friedvolle Ort war trotz zahlreicher Bewohner überschaubar, jeder kannte jeden, sodass der Ordnungshüter, wenn überhaupt gefordert, lediglich manchmal Betrunkene des Saloons nachts in seiner Zelle ausschlafen ließ. Dennoch erfüllte diese Zivilisation Zola mit Furcht. Würde man ihr gegenüber misstrauisch werden, sie erkennen, gar zurückschicken?
Hugh genoss Ansehen unter den Einwohnern und keiner stellte unangenehme Fragen über die Schwarze mit dem Wolf an ihrer Seite. Sie standen gerade im Laden des Krämers, der neben Lebensmitteln auch Werkzeuge sowie Holz für die Farmer und Tabakbauern vorrätig hielt.
»Na, Hugh, was hast du heute Schönes dabei?« Ein kleiner, schmächtiger Mann mit Halbglatze und gezwirbeltem Oberlippenbart trat hinter seiner Theke hervor.
»Wie immer, John, wundervoll gegerbte Felle und Leder. Wirst ein Vermögen verdienen. Ich mach dich noch reich.« Hugh lachte donnernd.
»Dann lass mal sehen.«
Während Hugh den Sack öffnete, betrachtete John Zola als auch den neben ihr sitzenden Wolf. »Ich bin übrigens John. Hab dich hier noch nie gesehen.«
Bevor Zola etwas antworten konnte, ergriff Hugh das Wort: »Das ist Zola, John. Geht mir gut zur Hand; ein liebes Mädchen. Muss endlich nicht mehr selbst kochen. Ha, ha, hab sie so nem Halsabschneider abgekauft, den Köter gab’s umsonst dazu.«
»Versteht sie unsere Sprache?«
»Und wie, John. Die flucht schlimmer als wir beide zusammen.«