Allmächd, scho widder a Mord!. Werner RosenzweigЧитать онлайн книгу.
Festplatz.
Später, nach einigen Bierchen und einer Bratwurst gehst du zurück ins Dorf über die Holeide und den Tiegel, bleibst einen Augenblick an der Blauen Villa stehen und erfreust dich daran, wie schön sich unser Dorf herausgeputzt hat.
Der Obersinner Wanderverein, dessen wirklich aktive Mitglieder hauptsächlich zugezogene Preußen sind, beschloss, sich der Aufgabe zu stellen. Aus verständlichen Gründen und nach etlichen Fehlversuchen trug dann doch Anton Stieler maßgeblich zu dem eingeschickten Lösungsvorschlag bei:
Willsde, wann de voo auswärts kömmsd, öeschd emoa en schüene Schbaziergang mach, befüür de zum Schachblummefesd geäsd, löessde in Mejiddelsinn dai Audo schdijenn unn marschierst üwern Mannschdall zum Brönnbarch, waidder zum Dilleschmiidsrösije unn die Grünn unn dii Röüder naus, dann kömmsde zum Festplatz. Schbeäder, nooch e boor Bier unn e Broadwueschd geäsde zeröügg üwer dii Holeide unn em Diichel ins Duerf und blaisd en Aachebkiigg on de blaue Villa schdijenn. Dann guggsde diich e wengg öm unn frääsd diich, wii schüe sich unser Duerf rausgebutzt hoed.
Fünfzig Prozent der Vereinsmitglieder verstanden überhaupt nicht, was da auf dem Papier stand. Weitere neunundvierzig Prozent hatten keine Ahnung, was das gesprochene Wort zum Ausdruck bringen sollte. Der dünne Lars Koggendorf aus Schleswig-Holstein murmelte nur ständig: „Smörebroed, Smörebroed.“ Einzig und allein Leopold Hornhaut, der Vorsitzende des Wandervereins, ein alter Obersinner, verstand, was Anton Stieler zu Papier gebracht hatte.
Am 8. Januar 2013 teilte die Redaktionsleitung der Main-Spessart-Zeitung dem Wanderverein Obersinn mit, dass der Verein den ersten Preis des Weihnachtswettbewerbs gewonnen habe, gratulierte zu dem hervorragenden mundartlichen Beitrag und bat um die Namen der zwei Personen, welche zur Prunksitzung nach Veitshöchheim kommen. Leopold Hornhaut, schrieb zurück: „Den Wanderverein Obersinn vertreten Barbara und Anton Stieler.“
Daraufhin bereiteten die Verantwortlichen der Main-Spessart-Zeitung die Einladung an das Ehepaar Stieler vor: Zwei Übernachtungen im Best-Western-Hotel Weißes Lamm in Veitshöchheim, inklusive Vollpension und zwei Eintrittskarten zu der Prunksitzung Fastnacht in Franken. Anreise am 1. Februar 2013, Abreise am Sonntag, den 3. Februar.
Barbara und Anton Stieler hatten keine Ahnung von ihrer bevorstehenden, zweiten Weltreise innerhalb von nur einunddreißig Jahren.
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Während die vier tadschikischen Terroristen, Mueselim Ansari, Ibrahim al-Assad, Yousat Khan und Shakir Yakisan mit gefälschten Pässen in der Gulf Air-Maschine von Karatschi nach Bahrain saßen, bastelte Abu Hassan Akbar im Dr.-Bolza-Ring an seinen drei Sprengsätzen. Max Schneider hatte in unterschiedlichen Würzburger Geschäften drei Sechs-Kilogramm-protex-Feuerlöscher mit Manometer gekauft. Abu Hassan hatte eine geniale Idee entwickelt: Sie tauschten die drei protex-Feuerlöscher, die in den Mainfrankensälen hingen, gegen drei neue aus. Einfach und simpel. Niemand würde Verdacht schöpfen. Es gab nur einen winzigen, aber markanten Unterschied: In den „alten“ Feuerlöschern befand sich Löschpulver. In den neuen befanden sich jeweils ein Gemisch aus Ammoniumnitrat und Nitromethan, ein verlässlicher Zünder, weiterhin eine Software zur Verwaltung einer grafischen Benutzeroberfläche mit zugehöriger Antenne und ein Mobilteil, in welchem eine Frequenz zwischen 1156 und 1157 Mega-Hertz eingespeichert war. Die Batterien in den Mobilteilen waren vollgeladen. Es konnte praktisch nichts schief gehen. Durch die Zündung über Funk ging der Feststoff in Gas über. Diese Reaktion würde eine gewaltige Sprengkraft auslösen. Die Mainfrankensäle würden am 2. Februar der Vergangenheit angehören. Mehr als ein verkohlter, schwelender Haufen würde nicht übrig bleiben. Da war sich Abu Hassan Akbar sicher. Morgen würde er die letzte Bombe fertigstellen. Tod den Ungläubigen. Allahu Akbar.
Während ihr Führer in Zell am Main fleißig an den Sprengsätzen bastelte, trafen seine vier tadschikischen Terror-Kumpane pünktlich am Flughafen in Bahrain ein. Nach achtzig Minuten Aufenthalt betraten Mueselim Ansari und Ibrahim al-Awad die KLM-Maschine nach Amsterdam. Dreißig Minuten später nahmen Yousat Khan und Shakir Yakisan in der Business-Class der Allitalia Platz, um es sich auf dem Weiterflug nach Rom bequem zu machen. Auf getrennten Wegen wollten die vier Terroristen am 14. Januar in Zell eintreffen. So hatten sie es geplant. Dass es so nicht kommen würde, konnte zu diesem Zeitpunkt noch keiner von ihnen ahnen.
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Als Anton Stieler und seine Barbara von ihrem „Glück“ erfuhren, schien für sie die Welt unterzugehen. Schon einmal, vor einunddreißig Jahren, mussten sie Obersinn verlassen, um sich auf eine weite Reise zu begeben, nur weil Antons Bruder darauf bestand, dem jungen Paar die Stadt Würzburg zu zeigen. Schon damals fühlten sie sich in der Fremde unwohl. Die Menschen sprachen eine andere Sprache. Das musste heute noch viel schlimmer sein. Sie könnten Fastnacht in Franken im Fernsehen anschauen, warum also extra die weite Reise unternehmen? In Veitshöchheim sind so viele kostümierte fremde Menschen in dieser engen, stickigen Halle, und alle sind gut gelaunt, trinken und klatschen in die Hände. Der Ministerpräsident steckt immer in einem dunklen Anzug, schwitzt im Gesicht und lacht gequält. Sein Lehrling, dieser Möchtegern-Finanzminister, hatte sich ein Mal in einen – wie nennt man das heutzutage? – in einen Punker verkleidet. Schrecklich sah der damals aus, richtig zum Fürchten.
„Om Foosenochdsdiischdich felld dii Schuel aus. Dii Schuelkinn versammele siich all schüe kostümiert unn maskiert on de old Schuel unn zije dann als Foosenochdszuuch durchs Duerf“, sprach die Barbara zu ihrem Anton, und wollte damit zum Ausdruck bringen „Warum denn so weit weg? Foosenachd haben wir in Obersinn doch auch! Was müssen wir da nach Veitshöchheim?“
Zudem, die Barbara hatte nur eine Kiddelschürz und ein einunddreißig Jahre altes Klääd, aus dem sie längst herausgewachsen war. Wo sollte Anton einen Oozuch herkriegen, er hatte doch nur eine knielange Joubbe. Und überhaupt, sie hatten weder Faschingskostüme, noch dunkle Anzüge, noch verstanden sie die meisten Künstler, die auf der Bühne auftraten. Sie erinnerten sich an einen Mittelfranken, der vom Ende einer anderen Welt zu kommen schien. Klaus Karl-Kraus. Wie konnte man nur Klaus Karl-Kraus heißen? Der sprach immer von einem Glubb der Aborigines auf einem Berch, wo jedes Jahr ein Gwerch stattfindet, und die Bayern-Säu nichts zu suchen haben. Dabei schrie er immer so, in seiner rot-weißen Jacke, und sein mickriges Pferdeschwänzchen schwappte immer hin und her. Anton und Barbara Stieler hatten die Geschichten, die er in dieser sonderbaren Fremdsprache erzählte, nie verstanden. Und nun sollten sie solchen Leuten von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzen? Womöglich in der ersten Reihe? In einer stinkenden, engen Halle? So weit weg von Obersinn?, Ohne Anzug, Kleid oder Kostüme? Mit dem bayerischen Oberkaspar, der beim Sprechen die Zähne nicht auseinander bekam und immer so dreckig grinste. Unter einem Dach?
Unmöglich! Nie und nimmer!
Sie hatten allerdings nicht mit der Überzeugungskunst des Leopold Hornhaut gerechnet, im wahren Leben nicht nur Vereinsvorsitzender, sondern auch Polizeihauptmeister bei der Landpolizei in Bergsinn. Leopold versprach Anton, ihm seine Uniform nebst Polizeimütze zu leihen. Sie hatten ja beide die gleiche Statur. Warum Leopold die Pistole nicht auch herausrücken wollte, leuchtete Anton nicht ein. Das war doch überhaupt der Clou. Doch Leopold blieb hart und ließ in diesem Punkt nicht weiter mit sich handeln. Frau Hornhaut trieb für Barbara ein weit geschnittenes Affenkostüm auf. Ausschlaggebend war jedoch, dass Leopold Hornhaut sich anbot, die beiden Stielers höchstpersönlich nach Veitshöchheim zu fahren, beim Einchecken im Hotel behilflich zu sein und sie auch am Sonntagmorgen wieder abzuholen. Im Polizeiwagen versteht sich, und mit Blaulicht und Martinshorn. Als Anton und Barbara dann noch vernahmen, dass auch der Erzbischof des Bistums Würzburg bei der Prunksitzung zu Gast sei, gingen ihnen allmählich die Argumente aus.
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Yousat Khan und Shakir Yakisan landeten pünktlich am 12. Januar auf dem römischen Flughafen Fiumicino-Leonardo da Vinci. Nach der oberflächlichen Passkontrolle und nachdem sie ihr Gepäck vom Band aufgenommen hatten, nahmen sie sich ein Taxi zum Bahnhof Roma Termini. Dort stiegen sie nachmittags um halb drei in die City Night Line der Deutschen Bahn nach Frankfurt am Main. Tags darauf wollten sie in Würzburg ankommen und in der Pension „Zur Reblaus“ Mueselim und Ibrahim abholen, die tags zuvor angekommen