Allmächd, scho widder a Mord!. Werner RosenzweigЧитать онлайн книгу.
Steinbachtal, beidseitig von sanften, bewaldeten Hügeln eingerahmt, und gehörte zu der Gemeinde Obersinn. Das bereits etwas betagte, aber möblierte Zweifamilienhaus, in dessen verwildertem Bauerngarten das Schild „Auch kurzzeitig zu vermieten“ stand, gehörte Frau Barbara Stieler, welche, gemeinsam mit ihrem Mann, in Obersinn einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb unterhielt.
Max Schneider, der schon zwei, drei Mal den abgelegenen Ort als Ausgangsbasis für naturnahe Wanderungen nutzte, und sich an das gute und billige Essen der Gaststätte Waldesruh erinnerte, kam auf die Idee, sich bis Ende des Monats hier einzunisten. Hier gab es keine neugierigen Nachbarn, keine Polizeistation und um diese Jahreszeit keine Touristen. Er hatte den VW Passat in der alten Holzscheune geparkt und montierte gerade das ERH-Kraftfahrzeugkennzeichen ab, um es durch ein geklautes Fürther Kennzeichen zu ersetzen. In den nächsten Tagen hatte er noch einige Aufgaben zu erledigen. Da waren die beiden GLORIA-GmbH-Werbeaufkleber und das dazugehörige Fahrzeug. Ihm fiel ein, dass sich die Freiwillige Feuerwehr Obersinn im letzten Jahr einen Opel Omega als Kommandofahrzeug zugelegt hatte. Ein Feuerwehrfahrzeug, mit Blaulicht, auf den Türen einen Aufkleber der GLORIA GmbH, das wäre doch was. Das macht doch Eindruck? Wer würde da noch an einer routinemäßigen Austauschaktion der Feuerlöscher zweifeln? Er nahm sich vor, mit Abu Hassan Akbar zu sprechen. Draußen im Steinbachtal fiel lautlos der Schnee. Hügel, Felder und Bäume lagen bald unter einer dichten, weißen Decke.
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Die Tage vergingen, ohne dass sich etwas Aufregendes ereignete.
Das BKA und der BND erhielten immer mehr Informationen über die untergetauchten Terroristen. Das führte sie aber dennoch nicht weiter. Mueselim Ansari war zwischenzeitlich seinen schweren Verletzungen erlegen, und auch um Ibrahim al-Assad sah es nicht gut aus.
Anton und Barbara Stieler wurden immer nervöser. Der Tag ihrer Abreise in eine unbekannte, fremde Welt rückte immer näher. Dann fiel ihnen siedend heiß ein, dass sie die Reise gar nicht antreten konnten. Sie verfügten nicht mal über einen Koffer. Die lästige Frau Hornhaut rückte mit einem roten Hartschalen-Monster auf vier Rollen an. Der einzige Lichtblick, den die Stielers kurz vor der geplanten Abreise genossen, war der warme Geldsegen, der ihnen überraschend ins Haus schwappte. Eintausend Euro zahlten ein paar ausländische Touristen dafür, dass sie zwei Wochen in Barbaras Geburtshaus wohnen durften. „Das sind wichtige Manager aus dem Ölgeschäft“, erklärte ihnen der deutsche Reiseführer mit dem Rauschebart, „die suchen Erholung und Entspannung vor einer kritischen, explosiven Geschäftsbesprechung.“ Anton Stieler konnte mit dem Begriff „Manager“ nichts anfangen. Sein Freund Rudi Haselmann aus Bergsinn war auch im Ölgeschäft tätig. Der betrieb eine Heizölfirma, hatte einen mittelgroßen Lkw und kutschierte damit den ganzen Tag in der Gegend herum. Rudi hatte noch nie geklagt, dass er Erholung und Entspannung brauche. Ob Rudi vielleicht auch ein Manager war? Vielleicht kein richtiger, weil, das wusste Anton ganz genau, Rudi Haselmann nie zu explosiven Geschäftsbesprechungen ging. Rudi Haselmann trank bei allen Kunden, wenn er sein Heizöl abgeliefert hatte, ein Schnäpschen. Davon konnte man doch nicht explodieren? Anton Stieler glaubte die Geschichte nicht. Das waren bestimmt ausländische Gäste, die auch zu der Prunksitzung in Veitshöchheim wollten. Ihre Kostüme trugen sie ja schon. Das verstand er ja gerade noch. Aber dass sie sich jetzt schon die Bärte angeklebt hatten, hielt er doch für etwas übertrieben.
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Der Tag des Aufbruchs war gekommen. Die vier Terroristen verstauten ihr Gepäck im roten Opel Omega. Auf dem Fahrzeugdach strahlte das Glasgehäuse der Blaulichtanlage in der aufgehenden Morgensonne, welche im Osten über die tief verschneiten Hügel kroch. Auf der Fahrer- und Beifahrertür prangten gut lesbare, blaue Werbeaufschriften und versprachen:
GLORIA.GmbH Service für protex-Feuerlöscher Wir garantieren Sicherheit
Abu Hassan Akbar verstaute persönlich seine drei Sprengsätze im Kofferraum und aktivierte sie. In Veitshöchheim hatten sie keine Zeit mehr dazu, denn sie würden die Mainfrankensäle direkt anfahren, ihre Arbeit verrichten und dann noch eine Nacht im Dr.-Bolza-Ring verbringen. Am Abend des darauffolgenden Tages würde Abu Hassan Akbar das größte Feuerwerk auslösen, das Veitshöchheim je gesehen hatte. Er trieb seine Leute an, pünktlich zu sein. Um neun Uhr wollte der Hauseigentümer zur Schlüsselübergabe vorbeikommen.
Anton Stieler tuckerte auf seinem alten Fendt-Traktor das verschneite Steinbachtal hinauf. Er war gedanklich nicht ganz bei der Sache. Veitshöchheim, die anwesende Politikprominenz und die Altneihauser Feierwehrkapelln spukten ihm im Kopf herum. Er und seine Frau mitten drin. Wenn die Sitzung doch nur schon vorbei wäre!
Zwei Minuten nach neun Uhr stoppte sein Fendt vor dem Anwesen seiner Frau Barbara. Der deutsche Reiseleiter stand bereits kostümiert vor einem roten Opel Omega, in welchem die drei ebenfalls maskierten Ölmanager Platz genommen hatten. Der Pkw gehörte der Firma GLORIA-GmbH und auf dem Dach war ein Blaulicht angebracht. So ein Fahrzeug hatte die Freiwillige Feuerwehr Obersinn auch. Die Schlüsselübergabe war schnell vollzogen und Anton Stieler wünschte dem deutschen Reiseleiter und seinen Gästen alles Gute, eine hoffentlich baldige Rückkehr und eine erfolgreiche, explosive Geschäftsbesprechung. Dann startete der rote Pkw und rauschte, trotz Schneelage, mit zunehmender Geschwindigkeit das Steinbachtal hinunter.
Anton Stieler überlegte sich noch, ob er im Haus nach dem Rechten sehen oder gleich wieder zurückfahren sollte. Er entschied sich für einen kurzen Rundgang durch das Haus. Als er die Wohnküche betrat, fiel ihm sofort ein kleines schwarzes Kästchen auf, welches auf dem Küchentisch lag. So etwas hatte er noch nie gesehen.
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Der rote Opel Omega war bereits zehn Kilometer von Emmerichsthal entfernt, als Abu Hassan Akbar der Schreck in alle Glieder fuhr. „Stopp!“, schrie er auf dem Beifahrersitz des Opels. „Sofort halten!“ Max Schneider stieg in die Eisen. Yousat Khan und Shakir Yakisan flogen mit den Köpfen gegen die Kopfstützen der Vordersitze. Abu Hassan riss die Beifahrertür auf und rannte zum Kofferraum. Dann warf er sich wieder in den Beifahrersitz. „Zurück!“, rief er, „alles zurück nach Emmerichsthal!“
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Anton Stieler überlegte sich, was er mit seinem Fund machen sollte. Mitnehmen oder liegen lassen? Ob die Ölmanager das schwarze Kästchen für ihre explosive Geschäftsbesprechung brauchten? Vielleicht wäre es ratsam, das geheimnisvolle Kästchen erst einmal Rudi Haselmann zu zeigen. Vielleicht konnte der etwas damit anfangen? Anton Stieler besah sich das Teil etwas genauer. On, Off, was hatte das denn zu bedeuten? Ob Rudi Haselmann das weiß? Anton bezweifelte dies. Neugierig wie er war, drückte er auf die Taste Off. Nichts geschah. Dann drückte er auf On. Auf einem winzigen, rechteckigen Fenster erschien eine rote, vierstellige Zahl. Dahinter stand, ebenfalls in Rot, MHz. Bestimmt ein Wort in einer ausländischen Sprache. Die Zahl und das MHz blinkten ständig. Ob sich das so gehörte? Anton Stielers Blick fiel zufälligerweise durch das Küchenfenster nach draußen. Ein roter Opel Omega fuhr mit affenartiger Geschwindigkeit das Steinbachtal herauf. Oh je, die Feriengäste hatten den Verlust ihres schwarzen Kästchens bemerkt, und er stand da, hatte das Ding eingeschaltet und wusste nicht, wie er das Blinken ausschalten konnte. Das musste der rote Knopf sein. Anton drückte mit seinem rechten Daumen so fest er nur konnte.
Einhundert Meter vor dem Ortseingangsschild Emmerichsthal stieg mitten auf der Straße eine gewaltige Stichflamme in die Höhe. Der Knall, der ihr folgte, war ohrenbetäubend. Die Druckwelle traf das Küchenfenster, und hunderte kleiner Glasscherben flogen Anton Stieler um die Ohren. Von der Druckwelle verbogene und von der Hitze zerschmolzene Kfz-Teile prasselten auf die Dächer des Stielerschen Anwesens herab. Anton meinte gar, er habe einen menschlichen Arm durch die Luft wirbeln sehen. Als sich der Rauch um den Explosionsherd verflüchtigt hatte, gähnte ein fünf Meter tiefes Loch in der Straße. Auf einen Durchmesser von zehn Metern gab es keine Teerdecke, keinen Straßengraben und keine Verkehrsleitpfosten mehr. Das Ortseingangsschild lag demoliert vor Anton Stielers Hauseingang.
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Aus dem Ausflug nach Veitshöchheim wurde verständlicherweise nichts. Leopold Hornhaut war es nicht möglich seine Polizeiuniform auszuleihen. In den nächsten Tagen war er berufsbedingt zu sehr engagiert. Das gab es bei Leopold noch nie. Aus den besagten