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Der verborgene Dämon. Detlef AmendeЧитать онлайн книгу.

Der verborgene Dämon - Detlef Amende


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als Gernot aus dem Wohnzimmer anstatt wie sonst aus der Küche ruft:

      „Wir essen heute hier, Vater!“

      Wie bitte? Das ist mein Haus, ich kann essen, wo ich will, schießt es mir gerade durch den Kopf, als ich glaube, irgendein fremdartig klingendes Kichern bemerkt zu haben. Jetzt ist es soweit – Wahrnehmungstäuschung wegen Hunger. Höre ich Stimmen? Ich höre Stimmen. So schlimm schon? Wieder dieses fremde Kichern! Nun reicht’s aber. Mühsam einen äußerst forschen Schrittgang vortäuschend begebe ich mich den abgewinkelten Korridor entlang in Richtung der geöffneten Wohnzimmertür. Na wartet, einen alten Mann veräppeln – das macht man nicht. Als ich beim Eintreten fast über die Schwelle stolpere, lächeln mir Gernot und Lisha entgegen.

      „Oh!“, entfährt mir. „Ihr habt Besuch zu meinem Geburtstag eingeladen!“ Ich wende mich betont geschmeidig der zierlichen jungen Frau mit dem sehr dunklen Teint einer Halb-Afrikanerin zu, die – immer noch kichernd – vom Sofa aufsteht.

      „Hallo, Opa!“

      Wie? Ich stutze. Diese Augen, diese Mundwinkel … Ich schaue unsicher von einem zum anderen und dann verwässern mir doch tatsächlich einige Tränen den Blick.

      „Jamina?“

      „Alles, alles Gute zum Geburtstag, Opa! Vor allem Gesundheit und alles, was du dir wünschst!“

      „Jamina!“, wiederhole ich mich, „also lerne ich dich doch noch kennen, mein Enkeltöchterchen!“ So eine attraktive, junge Frau, denke ich.

      „Tja, Opa, und so siehst du also aus … “

      Wir umarmen uns und schauen uns wieder in die Augen.

      „Wann bist du gekommen? Hattest du einen guten Flug?“, will ich in Erfahrung bringen. Und in gespielter Entrüstung drehe ich mich halb zu Gernot und Lisha um. „Und ihr habt’s gewusst!“ Natürlich haben sie‘s gewusst. Jamina war gestern am späten Abend eingetroffen, sodass ich davon nichts bemerkte. Ich kann die Augen nicht von ihr lösen. Das kleine, zierliche Energiebündel mit kurzen, gekräuselten, dunklen Haaren in schmalgeschnittener langer Hose und einem einfachen weißen T-Shirt drückt mich von Herzen. Und dann sehe ich den Ring an ihrer rechten Hand, halte sie fest und frage schmunzelnd:

      „Und, wie geht es Tian? Du hast doch vor einem halben Jahr von deinem neuen Freund geschrieben?“

      „Nee, nee, Opa“, kokettiert sie. „So neu war der nicht und nix mehr Freund, wir sind schon seit sechs Monaten verheiratet!“ Als ich sie überrascht ansehe, fügt sie hinzu: „Beide konnten wir nicht fliegen. Ich wollte dir Tian so gern vorstellen, aber so viel Geld besitzen wir einfach nicht.“

      „Das ist schade, mein Kind“, wage ich die Gratwanderung, „aber ich freue mich über deinen Besuch auch so sehr!“

      „Setz dich dort hin, Vater!“, drängt Lisha und weist auf den zweiten Sessel der großzügigen Sitzkombination.

      „Wo ist denn nun mein kalt gewordenes Geburtstagsessen?“, meckere ich.

      „Das verschieben wir auf den Abend, dann aber warm!“, Gernot lacht, „Nimm dir nachher in der Küche erstmal ein Stück Kuchen.“ Doch der Hunger ist vor Freude verflogen. Ich rücke mir den zweiten Sessel zurecht, setze mich und merke Gernot an, wie tief er sich über die Ankunft seiner Tochter freut.

      „Wie lange kannst du bleiben, Jamina?“, will ich wissen.

      „Wieder nur zwei Wochen … “, antwortet Lisha – mit leicht vorwurfsvollem Unterton – anstelle ihrer Tochter.

      „Aber immerhin, Mama! Und außerdem will ich Tian nicht so lange bei seinen Aufgaben alleine lassen.“

      Ich weiß, dass auch Tian sich im Umsiedlungsprogramm Chinas engagiert, das beschlossen wurde, als Jamina zwei Jahre alt war. Damals verlor er bereits als Kleinkind nach den Überflutungen Hongkongs beide Elternteile, wie Jamina einmal geschrieben hatte.

      „Wie ist denn mittlerweile die Lage in Tianjin?“, wende ich mich an Jamina. Aber das war wohl die falsche Frage oder zumindest der falsche Zeitpunkt.

      „Komm nach Hause, Jamina, ich bitte dich!“, fleht Lisha leise mit traurigem Blick, die Hände fest an die Gummibereifung ihres Rollstuhls gedrückt. Gernot legt seine Hand auf Lishas Arm.

      Stille.

      „Mama, mein Zuhause ist Tianjin, verstehst du das denn nicht? Auch wenn du damals dort verunglückt bist, wir müssen den Menschen weiterhin helfen!“

      Erneut Stille. Ach, was habe ich denn jetzt wieder angerichtet, denke ich noch, als nach endlos langen Sekunden wie zu unser aller Erleichterung plötzlich an der Tür die Klingel läutet.

      „Na kommt, Kinder, heute ist mein Geburtstag!“, versuche ich, die Spannung abzubauen. „Ich sehe mal nach, wer es wagt … “, sage ich und gehe nach vorn. Noch die Klinke in der Hand, schauen mich durch die halb geöffnete Haustür zwei kleine listige Augen an. „Federico!“

      „Ja, Mann, lass mich rein, ich muss das erstmal abstellen!“, drängt sich der klapprige Alte von gegenüber in den Hausflur und zwingt mich zu einem beherzten Zurückweichen. Klirr, da steht die aus uralten und bereits ergrauten Holzleisten zusammen genagelte und schon halb vergammelte Kiste neben der Küchentür. Ich muss wohl gerade ein ziemlich dummes Gesicht gezogen haben.

      „Ja, meinst du, ich hätte deinen Geburtstag vergessen, Gringo?“

      „Das würde ich niemals von dir denken.“ Ich lache und dann freut sich Federico, süffisant grinsend.

      „Lisha hat mir schon vergangene Woche erzählt, dass deine Enkelin kommt, Methusalem. Ich mag diese jungen Dinger.“

      „Pass ja auf!“

      Federico wohnt unweit in einem in die Jahre gekommenen Siedlungshäuschen. Der kleinwüchsige Alte scheint bis auf seine dünnen O-Beine nur aus einem braungebrannten und tiefzerfurchten Gesicht zu bestehen. Umrahmt von ungepflegt wirkenden Locken aus dem verbliebenen Haarkranz prangt in dessen stoppeliger Mitte ein ergrauter Schnauzbart. Er ist bestimmt schon siebzig und hat offenbar keine Familie mehr. Deshalb fährt er Lisha in ihrem Rollstuhl oft spazieren, wenn Gernot gerade mal etwas in der Stadt zu erledigen hat und schon wegen Kleinigkeiten mitunter mehrere Stunden unterwegs ist.

      „Und was ist da nun drin, Lustmolch?“ Ich deute auf die Kiste, von deren schmuddeliger Abdeckung mittlerweile einige Spinnweben zu Boden gesegelt sind.

      „Wart’s ab.“

      Ich schließe die Haustür und der Alte folgt mir ins Wohnzimmer.

      „Federico, ich wusste, auf dich ist Verlass!“, ruft Lisha.

      Wie – auf mich wohl nicht? Gernot schien mein schmollendes Gesicht bemerkt zu haben.

      „Ja, auf dich auch, Vater!“, sagt er grinsend.

      „Jamina, ich wollte dir mal den alten Mann vorstellen, der sich unsterblich in dich verliebt hat!“, ärgere ich Federico.

      „Pass mal auf, Gringo, sei froh, dass du heute Geburtstag hast!“, kontert der und wischt mit der linken Hand wichtigtuerisch Staub vom Hals einer der beiden Weinflaschen, die er eben der alten Kiste entnommen hatte. Jetzt lächelt auch Lisha.

      „Hallo. Freut mich. Was ist das denn für eine Sorte?“, will Jamina wissen. Federico beugt in ihre Richtung übertrieben den Oberkörper nach vorn.

      „Das ist ein Tannat aus Canelones von 2074, ein halbtrockener Jahrgang. So was von süffig, mein Spatz!“

      „Na dann schenk mal ein, alter Freund!“, äfft Jamina Federico nach und schaut dabei unverhohlen in meine Richtung. Ich muss grinsen und denke: Sieh einer an, unsere Jamina kann sich gegen die anzüglichen Bemerkungen des Alten durchsetzen. Der entkorkt umständlich eine der beiden Weinflaschen. Das Einschenken in Lishas formschöne Gläser, die Gernot mittlerweile aus der Vitrine herausgeholt hat, obliegt natürlich dem Spender des edlen Gesöffs. Wir stoßen gemeinsam an.

      „Alles


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