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Meinetwegen kann er gehen. Katrin UnterreinerЧитать онлайн книгу.

Meinetwegen kann er gehen - Katrin Unterreiner


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Bemühungen, den Kaiser wegen der Streikgerüchte zu einer Verschiebung der Reise zu veranlassen, bleiben natürlich erfolglos. Er will immer nur befehlen; Ratschläge, die seinem Willen zuwiderlaufen, ärgern ihn; er befolgt sie aus Prinzip nicht; Urteil hat er keines“,16 notierte August Graf Demblin, ein Mitarbeiter des Außenministeriums, in seinem Tagebuch.

      Erste offene Kritik gab es, als der vermeintlich „demokratisch“ gesinnte Kaiser zu Weihnachten 1916 ohne besonderen Anlass zahlreiche aristokratische Reserveoffiziere beförderte. Damit stellten viele enttäuscht fest, „daß auch er am Schlepptau der Aristokratie hing, ja eine solche offene Willkür wäre unter dem ,aristokratischen‘, aber gerechten Großonkel nie möglich gewesen“.17 Doch nicht nur mit aristokratischer Protektion – die eigentlich sogar untypisch für Karl war – verärgerte er sein Umfeld. Es gelang ihm in kürzester Zeit, die bekannt empfindlichen Ungarn zu kränken, indem das Kaiserpaar direkt nach der ungarischen Krönungsfeier Budapest noch am selben Abend ohne ersichtlichen Grund mit seinem ganzen Gefolge verließ. Wie sich später herausstellte, war die Abreise auf Wunsch der Kaiserin-Königin erfolgt, die plötzlich unbedingt in die private Abgeschiedenheit der Villa Wartholz zurückkehren wollte. Was auch immer der Grund war – der Fehler war nicht mehr gutzumachen: „Dieses Benehmen nahmen die empfindlichen Ungarn äußerst übel und verziehen es dem jungen Herrscherpaare nie.“18

Image

      Skandalumwitterter Frauenheld: der „schöne Erzherzog“ Otto, genannt „Bolla“.

      Kritisch wurde außerdem bemerkt, dass das Kaiserpaar Wien mied. Indem Karl Laxenburg und Baden zu seinen neuen Residenzen machte und nur selten sowie dann auch nur zu kurzen Aufenthalten in die Wiener Burg oder ins Schloss Schönbrunn kam, verärgerte er die Wiener. „So beraubte er sich selbst durch eigentlich harmlose, aber umso tiefer wirkende Unachtsamkeit sehr bald aller Volkstümlichkeit. Um diese wieder zu heben, kam der darauf erpichte Kaiser auf ganz merkwürdige Einfälle.“19 Ein PR-Mann musste her, um das angeschlagene Image wieder aufzupolieren. So wurde ein Mitarbeiter des Fremdenblattes, Hauptmann Karl Werkmann, mit einem Stab von Fotografen und Kameraleuten in der Hofburg untergebracht und sollte verherrlichende Presse- und Medienbeiträge verfassen. Das half freilich wenig, ließ aber sein engstes Umfeld den Kopf schütteln.

      Das Armeeoberkommando (AOK) verärgerte er wiederum im Jänner 1917 mit seiner Entscheidung, „ohne stichhaltige Motivierung“ – also ohne Angabe von Gründen – das Hauptquartier von Teschen nach Baden zu verlegen. Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf war empört. Auch wenn er wegen seiner überraschenden Entlassung durch Karl diesem sicher nicht sehr wohlgesonnen war, konnten viele Conrads Argumente nachvollziehen. Seiner Meinung nach war die Verlegung ein großer Nachteil, da das deutsche Armeeoberkommando in Pleß so nahe gewesen war, dass man sich mündlich und vor allem persönlich besprechen hatte können, was sicher nicht von Nachteil gewesen war. Die Verlegung wurde auch als erstes symbolisches Abrücken vom Bündnispartner interpretiert und war, wie Conrad überzeugt war, auf Zitas Einfluss zurückzuführen. Damit lag er nicht ganz falsch. Zita fand es als strenggläubige Katholikin anstößig, dass Conrad in zweiter Ehe seine langjährige Geliebte, die geschiedene Gina von Reininghaus, geheiratet hatte. Allein dass er eine geschiedene Frau geehelicht hatte, fand sie inakzeptabel – noch dazu, wo sie zum protestantischen Glauben übergetreten war, um nochmals heiraten zu können. Dass sie dann auch noch mit ihrem Mann in Teschen lebte, fand sie skandalös, sie verweigerte jeglichen Kontakt und war auch deshalb an der Verlegung und schließlichen Demontage Conrads nicht unbeteiligt. Auch Karl zeigte sich noch Jahre später empört, dass Conrad, wie er es formulierte, eine geschiedene Frau „geheiratet“ hatte. Das heißt, er sah die Ehe keineswegs als legitim an und kritisierte zudem die allein durch ihre Anwesenheit gegebene „Weiberwirtschaft“.20

      Der Hauptkritikpunkt an der Verlegung waren aber die enormen Aufwendungen dahinter, die als Geldverschwendung empfunden wurden. Allein die Kosten für die neue Kabelverlegung lagen bei 5 Millionen Kronen. Darüber hinaus fand Conrad das AOK so nah bei Wien auch deshalb ungünstig, da er Einmischungen aus der Hauptstadt, eine „Lockerung des Ernstes bei den Vergnügungsmöglichkeiten in Wien“ und vor allem eine Erleichterung der Spionagemöglichkeiten befürchtete. Als er Ministerpräsident Koerber darüber klagte, meinte dieser lapidar: „,Der Alte Kaiser war sechzig Jahre lang bemüht, die Monarchie zugrunde zu richten, und hat es nicht zustande gebracht.‘ Nach einer Pause setzte er fort: ,Dieser junge Herr wird aber in zwei Jahren damit fertig sein.‘“21

      Um dem alten Vorwurf der aristokratischen Protektion entgegenzutreten, erließ Karl für das neue Armeeoberkommando in Baden auch gleich neue Regeln – mit denen er diesmal die elitären Aristokraten gegen sich aufbrachte. Der Leiter der Telegrafenstation der kaiserlichen Hoflager, Wilhelm Möller, erinnerte sich in seinen Memoiren: „Zur Marschalltafel wurden hier auch höhere Hofbeamte zugezogen, worüber sich die exklusiven Aristokraten durch den Ersten Obersthofmeister Prinz Hohenlohe beim Kaiser beschwerten. Der Monarch entschied: alle Hofbeamte haben gemeinsam zu speisen – so kam auch die Plebs dazu und die Aristokraten waren nun vollständig verschnupft.“22

      Immer öfter wurde darüber geredet, dass Karl – wohl um seine Unsicherheit zu kaschieren –, immer „absolutistischer“ regiere. Viele Politiker sahen mit wachsendem Unbehagen, dass der Kaiser sich, von seinem Umfeld bestärkt, Machtillusionen hingab, die der Realität nicht mehr entsprachen. Koerber konstatierte eine reizbare und gedrückte Stimmung. „Aber ,oben‘ lebe man in einer Traumwelt von Machtgefühl … der junge Herr glaube, dass er einfach zu schreiben braucht ,Ich verfüge‘, und die Dinge sind in Ordnung.“23

      Nachdem der gesamte Hofstaat, die Regierungsmitglieder und die Armee die absolute Zuverlässigkeit und sprichwörtliche Pünktlichkeit Kaiser Franz Josephs gewohnt waren und diese Tugend als Inbegriff dynastischer Höflichkeit empfanden, erregte Karl auch mit einer kleinen Schwäche viel Unmut – nämlich seiner Unpünktlichkeit. „Karl kam bei allen Gelegenheiten später als zur festgesetzten Zeit und Leute, selbst Erzherzoge, die zur Audienz nach Laxenburg oder Reichenau befohlen waren, mußten dort Stunden und Stunden über den bestimmten Zeitpunkt im Vorzimmer warten, ehe sie vorgelassen wurden, oder schließlich, was auch öfter geschah, nach stundenlangem Warten mit dem Bescheid abziehen, daß der Kaiser sie diesmal nicht empfangen könne … Es war drollig zu hören, wieviel der Kaiser täglich arbeite; vom frühen Morgen bis in die späte Nacht sollte er tätig sein, aber nichts kam vorwärts. Ich hatte den Eindruck, er wäre einer jener Leute, die für nichts Zeit finden, weil sie stets vollauf mit dem Gedanken beschäftigt sind, eine entsetzliche Menge Arbeit vor sich zu haben, und die daher in Wahrheit gar nichts tun. Alles geschah oberflächlich … es mangelte ihm auch an Interesse für die Dinge“,24 notierte Redlich in seinem Tagebuch.

      Mehr und mehr fiel auch Karls Unruhe auf. Hohenlohe erzählte Redlich: „Die Unruhe und Hast und Überarbeitung des Kaisers sei beispiellos. Er, Hohenlohe, ist in größter Sorge, dass in einiger Zeit ein Kollaps eintreten werde: Weder physisch noch geistig sei der Kaiser diesen Anstrengungen gewachsen. Vorgestern ist er hier angekommen: von 8 Uhr Früh bis 9 Uhr abends hat er Audienzen erteilt. Heute ist er um 3 Uhr nachmittag wieder an die Front gefahren. Wozu, weiß niemand! Dort geht es geradeso zu: in der vorigen Woche … inspizierte er eine Division, die von 8 Uhr Früh bis 3 Uhr nachmittags auf ihn wartete: Zwei Stunden lang redete er mit jedem dekorierten Soldaten! Hier in Laxenburg und in Reichenau warten die Staatsmänner stundenlang, bis sie zur Audienz drankommen.“25 Auch Ministerpräsident Heinrich Lammasch äußerte sich besorgt ob der Impulsivität und der „dadurch hervorgerufenen schwankenden Verfahrensweise“,26 wie er es dezent ausdrückte.

      Selbst Cramon berichtete besorgt nach Deutschland: „Besonders aufgefallen ist mir an Kaiser Karl die Unruhe, die ihn dauern beherrschte, die ihn völlig zwecklos im Land herumtrieb, ihn selbst am ruhigen Arbeiten hinderte und auch seine Umgebung – darunter den Generalstabschef – von ihrer Tätigkeit abzog. General v. Arz konnte tatsächlich häufig gar nicht wissen was beim AOK geschehen, angeordnet oder unterlassen war; er stand tagelang außerhalb der Dinge und mußte dann mit seiner Unterschrift Entschließungen decken, über deren Grundlagen und Zweckmäßigkeit er gar nicht unterrichtet war.“27 Diese Einschätzung offenbart das große Problem von Karls Herrschaft: Sicherlich von bestem Willen getrieben,


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