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Träume - Spiegel der Seele, Krankheiten - Signale der Seele. Reinhold RutheЧитать онлайн книгу.

Träume - Spiegel der Seele, Krankheiten - Signale der Seele - Reinhold Ruthe


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gesprochen. Er kommentiert die Traumzensur folgendermaßen:

      »Wer an dem Gesichtspunkte der Zensur als dem Hauptmotiv der Traumentstellung festhält, der wird nicht befremdet sein, aus den Ergebnissen der Traumdeutung zu erfahren, dass die meisten Träume der Erwachsenen durch die Analyse auf erotische Wünsche zurückgeführt werden …

      Seitdem wir die in ihren Äußerungen oft so unscheinbare, regelmäßig übersehene und missverstandene infantile Sexualität kennen gelernt haben, sind wir berechtigt zu sagen, dass fast jeder Kulturmensch die infantile Gestaltung des Sexuallebens in irgendeinem Punkte festgehalten hat, und begreifen so, dass die verdrängten infantilen Sexualwünsche die häufigsten und stärksten Triebkräfte für die Bildung der Träume ergeben.«2

      Freud geht davon aus, dass erotische Wünsche im manifesten Traum als asexuell erscheinen sollen und daher in der Traumzensur »entstellt« werden, wie er das bezeichnet.

      Da sexuelle Vorstellungen angeblich tabuisiert und verdrängt werden, dürfen lediglich Andeutungen, Anspielungen und indirekte Aussagen im Traumgeschehen auftauchen.

      Der Träumer kennt im Allgemeinen nicht die Bedeutung der sexuellen Symptome, die er in der Traumarbeit verwendet. Freud nimmt aber an, dass diese Symptome weit über Länder- und Sprachgrenzen hinausgehen und Träumer aller Länder vereinen.

      Freud will daher in seiner Analysearbeit auf die Deutung der alten Völker zurückgreifen, die – so nimmt er an – mit der Psychoanalyse im Verstehen sexueller Symbole übereinstimmt.

      Diese Aussage Freuds, dass sexuelle Symptome in der Regel verdeckt zur Sprache kommen, erscheint überaus einleuchtend. Sie kann zutreffend sein. Aber die Traumentstellung einseitig auf die Verdrängung sexueller Wünsche zu reduzieren macht sie fragwürdig. Ich bin mit Alfred Adler, dem Begründer der Individualpsychologie, der Meinung, dass alle Aspekte, die die Lebens-Grundüberzeugungen zur Sprache bringen, im Traum unverdeckt, aber in Bildern und Symbolen erscheinen. Das heißt, im Traum, der

       den Lebensstil spiegelt,

       das Bewegungsgesetz dieses Menschen charakterisiert (ob er pessimistisch oder optimistisch, zwanghaft oder mutig ans Leben herangeht),

       eine Spiegelung der Lebens-Grundüberzeugungen darstellt und diese zur Sprache bringt,

      kommen unterdrückte sexuelle Vorstellungen und vom Lebensstil ausgeblendete Gedanken ans Licht.

      Der Träumer vergisst – wie im Wachzustand –, was er vergessen möchte. Er unterschlägt, was er unterschlagen möchte. Die »Traumentstellung«, wie sie Freud charakterisiert, entspricht der subjektiven Wahrnehmung des Träumers, ist also keine Traumentstellung, sondern Ausdruck des Lebensstils.

       Ich sehe, was ich sehen will,

       ich höre, was ich hören will,

       ich fühle, was ich fühlen will,

       ich empfinde, was ich empfinden will.

      Meine unverstandenen Äußerungen – im Wachen oder im Schlafen – sind Äußerungen meines Lebensstils, meiner Einstellung zu Gott und den Menschen.

      Adler schreibt zur Traumzensur: »Was aber Freud ›die Zensur‹ nennt, ist nichts anderes als die größte Entfernung von der Wirklichkeit im Schlafe, ein beabsichtigtes Fernbleiben vom Gemeinschaftsgefühl, dessen Mangelhaftigkeit eine normale Lösung eines vorliegenden Problems verhindert, sodass das Individuum, wie in einem Schock, anlässlich einer erwarteten Niederlage einen anderen Weg zu einer leichteren Lösung sucht, zu dem ihm die Phantasie, im Banne des Lebensstils, abseits vom Commonsense (vom Gemeinschaftsgefühl) behilflich sein soll.«3

      Die Traumzensur kommt in der Individualpsychologie Alfred Adlers nicht vor, sie ist überflüssig.

      Das Gemeinschaftsgefühl ist für Alfred Adler das Barometer

       für seelische Gesundheit,

       für Beziehungsfähigkeit,

       für ein konstruktives Zusammenleben.

      Der Mensch, der auf Grund seiner Lebensführung dieses Gemeinschaftsgefühl vermissen lässt, weicht im Leben und im Traum der Verantwortung vor Gott und vor dem Nächsten wie auch den Anforderungen des Lebens aus. Er sucht eine »leichtere Lösung«, die sich aber als gemeinschaftsfeindlich entpuppt.

      Wo Freud die Verdrängung sexueller Wünsche anspricht, spricht Adler von gestörten Beziehungen. Für Adler gibt es keine Traumzensur. Der Traum offenbart unser Denken, Fühlen und Handeln und damit unseren Lebensstil. Ist die Beziehungsfähigkeit untergraben, kommen im Traum die »leichten Lösungen« zur Sprache, die sich der Träumende zurechtlegt.

      Wie können »leichte Lösungen« im Traum und im Leben aussehen?

       Der Träumende tritt auf der Stelle, er geht nicht vorwärts;

       der Träumende wird krank oder ohnmächtig und reagiert mit Angst;

       der Träumende überlässt anderen die Arbeit und die Verantwortung;

       der Träumende empfindet Reue und Schuld, aber er tut nichts;

       der Träumende – wie der Mensch im Alltag – hält sich für klein, untauglich, hilflos und schwach. Er glaubt an seine Unfähigkeit und weicht dem Leben aus.

      Worin besteht die Entstellung des Traumes? Freud spricht von der Traumzensur. Adler schreibt:

      »Daraus aber folgt die wichtigste Funktion des Traumes, den Träumer auf einen Abweg vom Commonsense, vom Gemeinschaftsgefühl, zu führen … Im Traum begeht also der Träumer einen Selbstbetrug. Unserer Grundanschauung gemäß können wir hinzufügen: einen Selbstbetrug, der ihn angesichts eines Problems, für das sein Gemeinschaftsgefühl nicht ausreicht, auf seinen Lebensstil verweist, damit er das Problem diesem entsprechend löse. Indem er sich von der Wirklichkeit losreißt, die soziales Interesse verlangt, strömen ihm Bilder zu, die sein Lebensstil ihm eingibt.«4

      Das heißt für uns:

       Der Lebensstil spiegelt sich in den Bildern des Traumes wider. Es gibt keine Zensur.

       Der Lebensstil drückt unbewusste, vielleicht neurotische und irrige Ziele aus, die der Nächstenliebe oder dem Gemeinschaftsgefühl zuwiderlaufen.

       Der Träumer produziert Bilder, die einem grandiosen Selbstbetrug gleichen. Er phantasiert Möglichkeiten, um auf gemeinschaftsfeindliche Weise zu Lösungen zu kommen.

      Und ein letzter Gedanke, wie Adler die unverstandenen Äußerungen des Traumes kommentiert: »Die Unverständlichkeit des Traumes, eine Unverständlichkeit, die sich im Wachen in vielen Fällen ebenso konstatieren lässt, wenn einer mit weit hergeholten Argumenten seinen Irrtum befestigen will, ist demnach Notwendigkeit und nicht Zufall.«5

      Das Unverstandene ist das Unbewusste. Wenn jemand beispielsweise im Traum sich als Kind klein und hilflos im Bett liegen sieht, gibt er damit zu verstehen,

       dass er nicht wie ein Erwachsener gefordert werden will,

       dass er der Verantwortung ausweicht,

       dass er lieber wie ein Hilfloser angesehen und behandelt werden möchte.

      Traum und Lebensstil spiegeln im Schlaf wie im Wachen einen Menschen wider, der im verantwortlichen Zusammenleben Störungen und Fehlhaltungen aufweist.

      Für Sigmund Freud sind Träume in erster Linie Wunscherfüllungsträume. Nach seiner Meinung sind Wünsche Erreger des Traumes. Über Kinderträume schreibt Freud:

      »Das Gemeinsame dieser Kinderträume ist augenfällig. Sie erfüllen sämtliche Wünsche, die am Tage rege gemacht und unerfüllt geblieben sind.


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