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Rassismus und kulturelle Identität. Stuart HallЧитать онлайн книгу.

Rassismus und kulturelle Identität - Stuart  Hall


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      Stuart Hall

      Rassismus und kulturelle Identität

      Ausgewählte Schriften 2

      Herausgegeben und übersetzt von Ulrich Mehlem, Dorothee Bohle, Joachim Gutsche, Matthias Oberg und Dominik Schrage unter Mitarbeit von Britta Grell und Dominique John mit einer Bibliografie der Werke Stuart Halls von Juha Koivisto

      Lektorat: Michael Haupt

      Stuart Hall – Ausgewählte Schriften bei Argument:

      Ideologie, Kultur, Rassismus (Schriften 1)

      Rassismus und kulturelle

      Identität (Schriften 2) Cultural Studies (Schriften 3)

      Ideologie, Identität, Repräsentation (Schriften 4)

      Populismus, Hegemonie, Globalisierung (Schriften 5)

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

      Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

      sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Neuausgabe 2012 mit leicht geändertem Satzbild,

      Paginierung gegenüber früheren Ausgaben geringfügig abweichend

      Alle Rechte der deutschen Fassung vorbehalten

      © Argument Verlag 1994

      Glashüttenstraße 28, 20357 Hamburg

      Telefon 040/4018000 – Fax 040/40180020

       www.argument.de

      E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018

      ISBN 978-3-86754-850-2

      Sechste Auflage 2016

Inhalt

      Einleitung

      Imagination

      creates the situation

      and, then, the situation

      creates imagination.

      It may, of course,

      be the other way around:

      Columbus was discovered

      by what he found.

       James Baldwin

      Mit seinen Beiträgen zum Thema »Rassismus und kulturelle Identität« interveniert Hall in ein Feld, das auch in der bundesdeutschen Debatte um Multikulturalismus und neuen Nationalismus heftig umkämpft ist. So dient der Begriff der kulturellen Identität im Diskurs einer multikulturellen Gesellschaft nicht nur dazu, das Recht der Eingewanderten auf Bewahrung ihrer eigenen Kultur zu begründen, sondern wird auch als Bereicherung für die Angehörigen der Mehrheit gefasst: ob diese eher als Vielfalt in der Konsumkultur oder als ökonomische Kosten-Nutzen-Rechnung (so z. B. Cohn-Bendit/Schmid 1992) erscheint, die Toleranz der Einheimischen soll sich immer lohnen. Dagegen reklamieren die ›Neue Rechte‹ und eine bis in den Konservatismus reichende Strömung denselben Ausdruck zur Verteidigung einer bedroht geglaubten nationalen Identität.

      Die radikale Rassismuskritik hat den Begriff aufgrund dieser Ambivalenz daher schon früh aufgegeben, da er von den ökonomischen und institutionellen Aspekten des Rassismus ablenke. Auch eine Position, die eine Politik rechtlicher und staatsbürgerlicher Gleichstellung in den Vordergrund stellt, sieht in der Konzeption der multikulturellen Gesellschaft

      »eine Ideologie zur Differenzmarkierung entlang ethnischer Unterscheidungen mit der Tendenz der unendlichen Verschärfung von Gruppenkonflikten, die im Ergebnis deren Unlösbarkeit bedeuten muss« (Radtke 1993, 99).

      An ihre Stelle soll das »Lob der Gleichgültigkeit« treten (Radtke 1991).

      In Taguieffs Dekonstruktion des Antirassismus (1987) taucht der Begriff der kulturellen Identität in widersprüchlicher Weise auf. Zunächst wird er zur Kennzeichnung einer gemeinschaftlich traditionellen Form des Antirassismus gefasst als

      »das Recht auf kulturelle, ethnische, ja rassische Differenz (›Négritude‹, ›Jüdischsein‹): als das Recht der Völker, auf ihren eigenen Traditionen zu beharren, das Ideal der Bewahrung von Gruppenidentitäten (bis zur Pflicht der Völker, sie selbst zu bleiben) …« (18)

      Das ›Recht auf Differenz‹ erscheint hier als absolute Abgrenzung, als Zwang zur Bewahrung einer Essenz; Taguieff rückt diese Position damit in die Nähe des Rassismus selbst. In seiner Polemik gegen eine Unterstellung von ›Menschen ohne Wurzeln und Bindungen‹ rekurriert er in genau entgegengesetzter Weise auf den Begriff:

      »Man findet bei Sartre das Lob des Bastards, das ›antirassistische‹ Lob der Tugenden der Vermischung als den großen Auslöscher einer definierten kulturellen Identität, oder des Einwanderers ohne zuschreibbare nationale Identität als Bild (seiner selbst zum Trotz) der absoluten Unschuld, von dem das okzidentale schlechte Gewissen umfassend Gebrauch gemacht hat.« (171)

      Hier dient kulturelle oder nationale Identität als ein gewissermaßen positives Gegenbild zu intellektuellen Positionen von Hybridität, die als Phantasmen und gefährliche Illusionen zurückgewiesen werden. Es bleibt für Taguieff unvorstellbar, dass gerade Mischlinge und Hybride ein Konzept kultureller Identität für sich reklamieren könnten, das auf jede Vorstellung eines Wesens und geschichtlichen Ursprungs verzichtet. Er steht hier für viele, die sich in einer binären Kette von Dichotomien verfangen haben und nur eine Alternative als politischen Ausweg denken können: entweder das Beharren auf ›erfundenen Traditionen‹ (Hobsbawm und Ranger 1983) und imaginären ›Wurzeln‹ einer ›vorgestellten Gemeinschaft‹ (Anderson 1988) oder die Selbstauslöschung in der Assimilation und Homogenisierung.

      »Sie tragen die Spuren besonderer Kulturen, Traditionen, Sprachen und Geschichten, durch die sie geprägt wurden, mit sich. Der Unterschied ist, dass sie nicht einheitlich sind und sich auch nie im alten Sinne vereinheitlichen lassen wollen, weil sie unwiderruflich das Produkt mehrerer ineinandergreifender Geschichten und Kulturen sind und zu ein und derselben Zeit mehreren ›Heimaten‹ und nicht nur einer besonderen Heimat angehören. Menschen, die zu solchen Kulturen der Hybridität gehören, mussten den Traum oder die Ambition aufgeben, irgendeine ›verlorene‹ kulturelle Reinheit, einen ethnischen Absolutismus, wiederentdecken zu können.« (vgl. unten)

      In allen hier vorgelegten Texten ist Halls Bindung an die Karibik, an seine Heimat Jamaika unübersehbar, so wie die scharfsinnige Ironie, mit der er seine andere Heimat Britannien beschreibt, die eine intime Vertrautheit mit der britischen Kultur in ihrer ganzen Vielfalt verrät. Die Abneigung gegen Absolutismen jeder Art führte ihn nach dem Ungarnaufstand 1956 zur britischen New Left, einer aus unzufriedenen Kommunisten und Labour-Linken bestehenden Gruppierung, wo seine Fähigkeit zum (theoretischen) Übersetzen ihn zum gefragten Redner und schließlich ersten Herausgeber des New Left Review werden ließ. Seine Fähigkeit, theoretische und politische Brücken zu bauen, lässt sich vom 1967/68 mit Raymond Williams und Edward P. Thompson verfassten May Day Manifesto bis zum entscheidend von ihm mitbestimmten Manifesto for New Times (1989) als Vorschlag für eine postfordistische Linke verfolgen. Als Mitarbeiter und später Direktor des Centre for Contemporary Cultural Studies


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