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Schwein im Glück. Astrid SeehausЧитать онлайн книгу.

Schwein im Glück - Astrid Seehaus


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Rechtsanwalt begleitet hätte. Das würde ich natürlich nicht zugeben.

      „Ich habe mir immer schon gewünscht, aufs Land zu ziehen und in einem hübschen Häuschen zu wohnen mit Blumen vor der Tür“, erklärte ich.

      „Bille, da waren wir fünf, und wir hatten gerade den Streichelzoo besucht. Das ist nicht das gleiche.“

      „Mag sein, aber warum sollte man mit fünf nicht schon ehrliche Gefühle haben“, entgegnete ich.

      Ben schnaubte. „Ihr Sprachler könnt wirklich gut mit Worten umgehen. Habe ich ein Argument, du findest immer noch ein besseres.“

      „Das ist die Arbeit des Lektors.“

      „Was willst du jetzt tun? Den Hof bewirtschaften?“

      „Den Unterlagen zufolge brauche ich das nicht, jedenfalls nicht die Äcker, ich muss nur dort wohnen. Der Bauer Gerber wird die Arbeiten auf dem Hof erledigen, ich mache ein bisschen Garten und so.“

      „Du hast keine Ahnung vom Gärtnern, Bille.“

      „Man kann alles lernen“, verteidigte ich mich. „Dank Internet bekomme ich jede Information über Gemüsegärten, die ich brauche. Niemand zwingt mich, Gemüse anzubauen, ich kann es auch einfach nur wachsen lassen. Wildblumen, du weißt schon, dieses viele wilde, bunte Zeug halt. Das wird ja wohl nicht so schwer sein. Und ich brauche nicht jeden Tag im Verlag zu sein. Die lektorierten Manuskripte maile ich.“

      „Hast du schon mit deinem Chef darüber gesprochen?“

      Ich versuchte mich an das Gespräch mit Winter zu erinnern. Das sollte mir nicht schwer fallen, denn es hatte erst ein paar Stunden zuvor stattgefunden. Ich hatte nichts von einem Wegzug angedeutet, weil ich mich nicht getraut hatte.

      Ben beobachtete mein Mienenspiel. „Du kannst nicht erwarten, dass er Gedanken lesen kann.“

      „Tue ich ja auch nicht.“

      „Und wie soll dein Arbeitgeber wissen, dass du wegziehst, wenn du ihm nichts sagst?“

      „Er wird es noch früh genug erfahren.“

      „Wann willst du es ihm sagen, Bille?“ Ben sah mich teils amüsiert, teils besorgt an.

      „Ach komm schon, Ben“, seufzte ich. „Ich werde es ihm schon noch sagen.“

      „Ist es nicht die Aufgabe des Lektors, die richtigen Worte zu finden?“, spottete er.

      Ich boxte ihn in die Seite. „Erzähl mir lieber etwas von deiner Neuen.“

      Ben täuschte Unwissenheit vor, aber er war nicht sehr gut darin. „Welcher Neuen?“

      Ich verdrehte die Augen. „Ha-ha-ha! Welcher Neuen! Ey, du sprichst mit deiner Schwester, dein Fleisch und Blut. Ich kann in deinen Kopf gucken. Du hast dich verliebt. Mach mir nichts vor!“

      Sein Lächeln war geradezu selig. Ich unterdrückte jeden Ansatz von Neid, aber ich merkte schon, dass mir dieses selbstzufriedene Lächeln etwas ausmachte. „Sie ist wunderbar. Unnahbar und einfach wunderbar“, schwärmte er.

      „Sie ist wunderbar, weil sie unnahbar ist?“

      „Sie ist schön. Hörst du, so richtig schön, innen wie auch außen. Sie ist wie eine Gazelle, so leichtfüßig und …“

      „Du hast dich in einen Springbock verliebt?“, neckte ich.

      „Du wirst schon sehen, wenn ich sie nach Hause bringe.“

      Meine Augen weiteten sich in völligem Unglauben. „Du willst sie unseren Eltern vorstellen? Dann muss es dich wirklich schlimm erwischt haben.“

      „Sie ist ein Phänomen.“

      „Aber sie ist ein Mensch, ja?“

      „Ich hoffe es“, sagte er. „Ich bin ihr noch nicht sonderlich nahe gekommen. Ich glaube, sie weiß noch nicht einmal meinen Namen.“

      Jetzt lachte ich schallend los. „Du willst eine Frau heiraten, die dich nicht kennt? Mann, Ben, wo lebst du eigentlich? Du glaubst mit deinen üblen Anbaggermethoden kannst du jede rumkriegen.“ Ich dachte an meine Freundin. „Esme hat dir bis heute nicht verziehen, dass du sie wie eine von deinen vielen Affären behandelt hast.“ Natürlich war das eine Provokation. Meine Art herauszufinden, was zwischen Esme und Ben passiert war. Ich imitierte ihn, indem ich mich aufplusterte und schnarrte: „Ey, Puppe, du hast einen tollen Arsch, weißt du.“

      Ben verstummte schlagartig, sein Blick wurde auf einmal sehr verschlossen. So kannte ich ihn selten. Meistens war er nicht um Worte verlegen, besonders dann nicht, wenn man ihn auf den Arm nahm.

      „Was ist?“

      Er wich mir aus. „So direkt habe ich das aber nicht gesagt.“

      Auch ich wurde ernst. „Meinst du nicht, du solltest die Dinge vielleicht mal richtig stellen?“ Ich wusste nicht, wie weit ich mich vorwagen durfte. Esme schien verärgert, Ben verunsichert. Oder war er auch verärgert und sauer auf sie? Ich hätte gerne gesehen, dass sich alle gut verstanden.

      Nachdenklich musterte er mich und ließ sich Zeit mit einer Antwort, bis er schließlich ausstieß: „Ich denke darüber nach. Okay?“

      Ich zuckte mit den Schultern. „Natürlich. Okay. Was soll ich sonst dazu sagen? Ich weiß ja noch nicht einmal, worum es bei euch beiden geht. Mir macht es etwas aus, wenn du mich nicht respektierst.“ Ich wusste nicht, warum ich das gesagt hatte. Meine Worte überraschten mich. Aber wenn ich in mich hineinhorchte, stellte ich genau das fest: dass ich mich von ihm nicht respektiert fühlte (geschweige denn überhaupt von der Familie).

      Er schien erschüttert. „Wie kommst du denn darauf? Ich respektiere dich doch.“

      Er war in diesem Augenblick überhaupt nicht wie der Bruder, der einen in die Seite knuffte und das als großen Spaß verstand. Er wirkte betroffen.

      Mehr als das, er wirkte betroffen und peinlich berührt.

      Gut, nun wusste ich, dass er sich einbildete, er würde mich respektieren. Aber sein Benehmen mir oder Esme gegenüber interpretierte ich als Geringschätzung meiner Person. Er mochte meine beste Freundin nicht? Okay, damit mochte er auch mich nicht. Es war nur ein Gedanke. Was blieb mir auch anderes übrig, als mir die Dinge zusammenzureimen, wenn niemand mit mir darüber sprach? Ich kannte Bens forsche Art. Manchmal war er eben auch respektlos, weil er übereifrig oder zu sehr von sich eingenommen war, besonders seitdem er so viel Geld verdiente. Das waren Überlegungen, die mir vorher noch nie so deutlich gekommen waren. Und ausgesprochen hatte ich sie bisher auch noch nie. Ich fühlte mich ohnehin schon als Versagerin, da war es gefährlich, Kritik zu äußern. Man wurde schnell zur Zielscheibe für die Vorwürfe der anderen. Da war es doch leichter, den Mund zu halten.

      Versöhnlich strich ich über seinen Arm. „Esme ist meine beste Freundin. Es macht mir etwas aus, wenn ihr euch nicht versteht.“

      Er nickte. Sein Blick wanderte durch mein Zimmer. Ich sah das gleiche, was er sah: Mit meinem Umzug zurück ins Elternhaus war ich wieder zu einem Teenager geworden. Ich hatte mir noch nicht einmal die Mühe gemacht, die Poster von Britney Spears und den Take That abzunehmen.

      „Ich glaube, du hast das einzig Richtige gemacht, als du das Erbe angenommen hast.“

      Er lenkte ab. Ich ließ es ihm durchgehen. Was hatte ich denn auch wirklich mit deren Gerangel zu tun? Dann sah ich auf die Poster, die schon ziemlich verblichen waren. Ja, Ben hatte Recht, ich musste hier raus, auch wenn es mir schwerfiel, meinen gloriosen Plan in die Tat umzusetzen.

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