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Operation Gold. Petra GabrielЧитать онлайн книгу.

Operation Gold - Petra Gabriel


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warum haben Sie sich erst jetzt bei Ihrem zuständigen Revier gemeldet? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war der Besuch der Männer doch schon gestern.»

      Wilma Wuttke wand sich. «Na ja, is sonne Sache, sich in anderer Leute Angelegenheiten zu mischen, wa? Det mach ick nich so gerne. Leben und leben lassen, sach ick immer. Aber denn … Also, ick konnte die janze Nacht nich schlafn. Und denn heute Morgen …»

      «Was war da?»

      «Denn hab ick nüscht mehr jehört. Normalerweise kann ick den Herrn Schmücke morjens hören, wenn er sich wäscht. Denn gluckert’s inner Leitung. Wir ham ja nu wieder warmes Wasser, wa? Iss’n Segen. Det könn’ hier in Berlin noch nich alle von sich sagen. Und die Heizung funktioniert ooch, ’ne richtige Etagenzentralheizung mit Therme. Det Modernste vom Modernen. Jut, bald is Ende Mai, da brauchen wir se nich, und irjendwie ziemlich warm für die Jahreszeit is et sowieso. Sind aussem letzten Nachkriegswinter außerdem ja Kälte jewöhnt. Det härtet ab. Wat wollt ick sagen? Ach ja. Der Mann muss früh raus. Wäscht sich imma umme selbe Zeit. Um sechs Uhr dreißig rauscht det Wasser inne Rohre nach untn. Kannste die Uhr nach stellen, Tach für Tach. Mich stört et nich. Als alte Frau brauch ick nich mehr so viel Schlaf. Und wat ick träume, sind sowieso Albträume.» Sie unterbrach ihre Geschichte und schaute mit jenem Blick vor sich hin, den Kappe gut kannte.

      Ob sie nun als Frontkämpfer gedient hatten, unter Trümmern verschüttet oder ausgebombt worden waren – diejenigen, die überlebt hatten, litten alle unter demselben Seelenschmerz, der irgendwo tief im Innern nicht aufhören wollte zu rumoren und schreckliche Bilder aufkommen ließ, wenn man sich nicht vorsah. Er ließ sich mit einem Wort umschreiben: Krieg. Ja, auch noch fünf Jahre nach Kriegsende – und wahrscheinlich fürs ganze Leben. Kappe wartete, bis sie wieder in die Gegenwart zurückfand.

      Wilma Wuttke atmete tief durch und wandte ihm dann wieder ihren Blick zu. Der war traurig und irgendwie leer, als habe jemand in ihr eine Kerze ausgelöscht. «Aber heute morjen nu nüscht. Und da dachte ick so bei mir, dass da wat nich stimmen tut.»

      «Was ist der pünktliche Wäscher denn von Beruf?»

      «Telegraphenbauhandwerker hatter gelernt, hatter jedenfalls jesacht, als wir bei seim Einzuch letztet Jahr zusammn ein’ getüddelt ham. Denn hatter sich aba sofort verbessert und erklärt, dass er fürn Kolonialwarengroßhandel arbeetet. Gloob ick jedenfalls, dasser so wat jesacht hat. Is’n ziemlich langet Wort, un er hat schon ein’ sitzen gehabt und genuschelt. Sie wissn, was ick meinen tu. Ick hab ihn danach nich oft gesehen. Und bis uffs Waschen ooch nich oft jehört. War ’n Ruhiger, hatte wohl Filzpuschen. Bis vor zwee Tagn, als die Männer da warn. Da hattet oben ooch ziemlich gerumpelt. Hab mir richtig erschrockn.»

      Kappe sah sie nachdenklich an. «Dann werden wir uns mal die Wohnung oben anschauen. Vielleicht ist Ihr Nachbar ja nur krank. Ich geh mal klingeln. Wissen Sie, wo ich einen Schlüssel herbekommen könnte? Für den Fall der Fälle. Gibt es hier einen Hausmeister?»

      Wilma Wuttke hatte Bedenken, das sah er an ihrem Blick. «Ick weeset nich. ’n Hausmeister ham wa nich.» Sie machte eine Pause und gab sich dann einen Ruck. «Also, ick hab noch ’nen Schlüssel. Hab mal in die Zweiraumwohnung da oben jewohnt. Als mein Ernst gestorben ist, letztes Jahr Anfang November, da dachte ick mir so, denn brauchste keene zwee Zimmer mit Küche und Bad mehr, denn reicht auch een Zimmer. Und irgendwann wird eim das Treppensteigen auch zu ville. Sie wissen schon, die Beene, die wolln nich mehr so. Wie’s der Zufall so will, nach die Renovierung im letzten Jahr war noch so ’ne Wohnung im Dritten frei. Nun muss ick bloß noch bis hierher. Irgendwann komm ick sicher och noch innen Ersten. Obwohl, nah an die Straße mit all die Verbrecher isset denn schon. Die steigen eim denn über’n Balkon inne Bude rin. Vielleicht zieh ick denn doch besser in’ Zweiten, wenn da wat frei wird.»

      «Sie sind also einen Stock tiefer gezogen?»

      Wilma Wuttke brummte zustimmend und rutschte auf dem Sofa hin und her.

      «Aber Sie haben ihren Schlüssel nicht abgegeben?», half Kappe nach.

      Wilma Wuttke brummte erneut, dieses Mal mit ziemlich unglücklicher Miene. «Et is nich so, wie Se denken tun. Wollte mich nich heimlich in die Wohnung von diesem Schmücke schleichn. Dachte nur, ick hätte den drittn Schüssel verlorn, und hab ihn erst neulich wiedergefundn. Hätte ihn dem Schmücke schon noch gegeben. Hat sich bloß noch nich ergebn. Die Jelegenheit, meine ick, Herr Kriminalkommissar.»

      Kappe verkniff sich die Bemerkung, dass er vor zwei Jahren zum Kriminaloberkommissar befördert worden war. «Na, dann gehen wir doch mal nach oben und sehen nach Ihrem Nachbarn, gnädige Frau», erklärte er stattdessen.

      «Mein’ Se wirklich? Vielleicht hätt ick ja doch nich …»

      «Nein, nein, es war schon richtig, dass Sie uns gerufen haben», beruhigte Kappe sie.

      Wilma Wuttke schaute nicht ganz überzeugt, stemmte sich aber hoch. «Denn will ick mal den Schlüssl holn.» Damit watschelte sie aus dem Zimmer. Sie hatte keine Filzpantoffeln.

      Kappe schaute ihr nachdenklich hinterher und dachte an den Moment, als er zum ersten Mal von diesem Schmücke und seiner besorgten Hausmitbewohnerin gehört hatte.

      Wachtmeister Bredow vom Revier 48 in der Koloniestraße 18 im Wedding war nach dem Besuch der Witwe Wuttke auf Befehl von Kriminalkommissar Jüterbog ins Polizeipräsidium in der Friesenstraße 16 geeilt und hatte seine Botschaft mit dem Satz eröffnet: «KK Jüterbog sacht, da is wat spanisch.» Anschließend hatte er die Vermisstenmeldung geschildert, die eine ziemlich aufgelöste, ziemlich korpulente, ältere Frau unter viel Schnaufen und Prusten bereits um acht Uhr an diesem Morgen im Revier abgegeben hatte. Zwei sehr verdächtige Männer sollten einen anderen Mieter, einen gewissen Gerhard Schmücke, besucht haben. Woraufhin besagter Schmücke sich in Luft aufgelöst habe. Der Mann sei ein Fachmann in Sachen Fernmeldewesen und stamme ursprünglich wohl nicht aus Berlin. Das sei aber schon alles, was man wisse.

      Daraufhin horchte Kriminalrat Friedhelm Keunitz, seines Zeichens Leiter der Unterabteilung 1 der Kriminalinspektion M I bei der Abteilung K wie Kriminalität im Polizeipräsidium West und als solcher seit Januar Kappes Chef, auf. «Fernmeldewesen? Wo kommt der Mann her? Arbeitgeber? Waren Sie mal in der Wohnung?»

      Wachtmeister Bredow zuckte die Schultern. «Nee, inne Wohnung warn wir noch nich. Wolltn erst mit euch redn. Ham nämlich ’n paar Nachbarn abgeklappert. Scheint so was wie ’n Phantom zu sein, dieser Schmücke. Keener hat ihn jesehen, keener weiß, wo er herkommt. Kennen den Mann überhaupt nich. Det kam uns komisch vor. Als ob der Mann vom Mond jefalln is. Deswegn hat KK Jüterbog jesacht, ick soll zu euch inne Friesenstraße un die Angelegehnheit meldn. Det sei ihm zu heiß. Verschwundene Fernsprechfachleute seien meistens ’ne Angelegenheit für den Sektorassistenten, wenn nich gar fürn Jeheimdienst. In diesem Fall für den der Franzosen. Weil doch der Wedding im französischen Sektor liegt.»

      Keunitz griff zum Fernsprechapparat, nahm den Hörer von der Gabel und begann mit der anderen Hand, die Wählscheibe zu drehen. Kappe schien es allerdings die Nummer des Sektorassistenten der Amerikaner zu sein, die er wählte. Vermutlich weil das Polizeipräsidium West in der Friesenstraße angesiedelt war. Damit lag es im Bezirk Kreuzberg, und der gehörte wiederum zum amerikanischen Sektor. Man kannte sich. Der Sektorassistent war nämlich der Verbindungsmann des Polizeipräsidenten zum jeweiligen Sektor. Deshalb hatte es ursprünglich vier davon gegeben – den Verbindungsmann zu den Amerikanern, den zu den Engländern, den zu den Franzosen und den zu den Sowjets. Letzterer fiel nun weg. Der sowjetische Sektor war inzwischen Teil des neugegründeten Staates DDR. Wie auch immer, falls Kappe die ersten Ziffern der gewählten Nummer richtig interpretierte, wollte Keunitz sich an eine ziemlich weit oben angesiedelte Person wenden. Mit übergeordneten Stellen hatte Kappe in der Vergangenheit nicht immer die besten Erfahrungen gemacht.

      Die Wählscheibe ratterte noch zweimal, dann war ein lautes Tuten zu hören. Keunitz zog die Augenbrauen zusammen.

      Kappe schwante Übles. Keunitz hatte ihn mit Sicherheit nicht dazugebeten, weil er die vergissmeinnichtblauen Augen eines seiner dienstältesten Kommissare so schätzte. Aber vielleicht ließ sich die Angelegenheit noch abwenden. Sollten


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