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MIND - Daniel Siegel


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der Geist des Mechanikers ist nicht das Gleiche wie die Struktur des Flugzeugs. Sein Geist könnte erschüttert worden sein, vielleicht aufgrund eines Streites, den er mit seinem Mitarbeiter hatte, einer quälenden Sorge über eines seiner Kinder oder irgendeines von unzähligen Gedanken oder Gefühlen, die, durch wenige Momente der Ablenkung, zu dieser gestörten Aufmerksamkeit geführt haben. Aufmerksamkeit – jener Prozess, der den Energie- und Informationsfluss ausrichtet – ist für den Geist von fundamentaler Bedeutung.

      Und daher könnte der Geist des Mechanikers, in seinem Gewahrsein, keine Wahrnehmung dessen gehabt haben, was er im Moment gerade tat, seine Pflicht, den Status des Flugzeugs sorgfältig zu überprüfen, könnte ihn nicht länger erfüllt haben. Seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, sein Gewahrsein füllte sich mit einer anderen Energie und Information, seine Hand drückte einen Knopf automatisch, ohne dass er darüber nachdachte, und die Rutsche wurde ausgefahren, wir erschreckten uns und jetzt, Stunden später, befinden wir uns in einem anderen Flugzeug. Das ist ein Gedanke aus einer Reihe von Wahrscheinlichkeiten. Der Geist könnte eher über eine Menge von Wahrscheinlichkeiten, im Sinne seines dominanten Modus, verfügen, als über einige Newtonsche Regeln, die Druck ausüben. Die Anwendung der klassischen Physik auf den Geist würde die Vorstellung von einem Teil des Geistes wachmachen, der auf einen anderen Druck ausübt, und von vorhersagbaren Ergebnissen, welche uns die erhoffte Sicherheit in Bezug auf dieses Flugzeug hier bei fünf Meilen Flughöhe geben. Wir möchten, dass das Flugzeug eine Newtonsche Maschine ist – verlässlich und vorhersagbar in der Befolgung bekannter Wirkungsgesetze. Doch der Geist könnte nicht entsprechend derartiger Vorstellungen der klassischen Physik funktionieren.

      Das Quantum oder die Wahrscheinlichkeitsnatur der Realität wird umso schneller offenkundig, je kleiner das Objekt ist, obgleich wir im Begriff sind, Quantenaspekte von größeren Objekten zu entdecken, das heißt von solchen, die größer als ein Atom sind. Die Elemente des Geistes des Mechanikers sind kleiner als der Flugzeugrumpf, und so wird das Unwahrscheinliche möglich und die Rutsche geht raus. Ich schlage vor, wir können ihm nun den Spitznamen „Quantenmechaniker“ verpassen.

      Energie ist klein, obgleich ihre Wirkungen groß sind. Statt Energie als eine Kraft anzusehen, die der klassischen Newtonschen Physik zufolge nur einen Druck ausübt, wie die Luft, die dieses Flugzeug emporhebt, könnte die Energie viel eher auch in dem Sinne funktionieren, dass sie aus einer Möglichkeitsebene zu einer Reihe von Plateaus wachsender Wahrscheinlichkeit und zu Gipfeln der Gewissheit aufsteigt und dann wieder zurückschmilzt auf die Plateaus und eine Ebene unendlicher Möglichkeiten – was einer Ebene von sehr geringer, in der Nähe von null liegender Wahrscheinlichkeit entspricht. Mit anderen Worten, wenn irgendein Ding von einer Billion Dingen möglich ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes von ihnen auftaucht, gering. Das ist das Meer der Potenzialitäten, eine offene Möglichkeitsebene.

      Später, in unserem neunten Kapitel, werden wir erkunden, wie diese Sichtweise dazu verwendet werden kann, das Bewusstsein zu verstehen. Wenn wir tiefer in die Art und Weise eintauchen, wie wir ein „Bewusstseinsrad“ erfahren, werden wir in der Lage sein, aus erster Hand zu erforschen, wie die Quantenwahrscheinlichkeitssicht der Energie uns helfen könnte, die Natur des Geistes tiefer zu verstehen. Diese Praxis könnte auch unsere Diskussion im Hinblick auf die möglichen Überlappungen der Selbstorganisation und der Erfahrung des Bewusstseins voranbringen. Dann werden wir desgleichen erkunden, wie die Erfahrung des Geistes, dargestellt in der oberen Hälfte der Abbildung der Ebene, und der neuronalen Prozesse des Gehirnes, dargestellt in der unteren Hälfte der Abbildung, sich aufeinander beziehen. Vorerst werden wir die mentale Seite dieses Vorschlags untersuchen, die Spitze der Grafik, und uns einfach davon leiten lassen, die Vorstellung in Betracht zu ziehen, dass der Geist nicht wie Lastwagen auf der Straße oder Flugzeuge am Himmel funktioniert. Newtonsche Kräfte könnten nicht die nützlichste Sichtweise der Energie sein, wenn es um Geistesprozesse geht. Der Geist könnte eher wie etwas Kleines sein, etwas, das wir, wenn wir unsere ausgedehnte Welt betrachten, einfach nicht vor unseren Augen haben oder uns zuzeiten sogar nicht einmal mit Hilfe unseres konzeptuellen Geistes vorzustellen vermögen. Das Sehvermögen hilft uns, die objektive Welt zu sehen. Aber den Geist zu betrachten könnte eine ganz andere Art des Sehens erfordern.

      In diesem Beitrag haben wir die Vorstellung des Geistes als etwas aus dem Energie- und Informationsfluss Emergierendes erkundet. Wir haben gesehen, dass weder Schädel noch Haut einschränkende Grenzen dieses Flusses sind, so dass der Geist sowohl ganz verkörpert als auch relational ist. Zumindest der selbstorganisierende Aspekt des Geistes würde über diese emergente verkörperte und relationale Eigenschaft verfügen. Wie wir gesehen haben, könnte die Informationsverarbeitung für jenen Fluss von grundlegender Bedeutung sein, insofern als die Aufmerksamkeit der Prozess ist, der seine Bewegung in und zwischen uns aufspürt und leitet. Das Bewusstsein und seine subjektive Wahrnehmung könnten genauso eine emergente Eigenschaft und vielleicht mit der Selbstorganisation verbunden sein. Wir lassen jene Frage im Moment ganz offen.

       Die Möglichkeitsebene

      Aber wenn der Energie- und Informationsfluss die Quelle des Geistes ist, die Quelle des Selbst respektive des Ich, und der Fluss sich sowohl innen als auch dazwischen befindet, wie wissen wir dann, wo das „Ich“ beginnt und wo es endet? Früher auf unserer Reise haben wir über dieses Problem der Grenzen des Selbst nachgedacht.

      Als ich diesen Morgen bei Sonnenaufgang einen kalten Strand entlangschlenderte – den Atlantik an diesem Wintertag vor Augen und den Wind mir ins Gesicht fahren fühlte –, bemerkte ich, dass die Empfindung des Windes meine Erfahrung, lebendig zu sein, formte, und ich begann, Fragen in meinem Geist zu hören, wo denn dieser Energiefluss enden würde… War der Wind ein Teil meines Geistes? Wenn ich dem Fluss der Empfindungen des Windes erlauben würde, mich einfach zu füllen, könnte das nicht als die sensorische Erfahrung meines „Selbst“ angesehen werden? War dies ein Aspekt des Energieflusses meines Geistes, der es den Empfindungen ermöglichte, in meinem Körper zu entstehen und durch mich, meinen Geist, zu strömen? Falls ja, dann müsste die nähere Bestimmung „mein“ klarer definiert werden, klarer mit Hilfe irgendwelcher Grenzen umrissen werden, oder aber wir sagen, dass „mein Geist“ alles umfassen könnte. Wo endet das „Selbst“? Was sind die Grenzen dieses offenen Systems?

      Beschränken meine erlernten Konzepte, ein Ergebnis des Informationsverarbeitungsaspektes meines Geistes, der Ideen konstruiert und aus Energie Informationen herausfiltert, beschränkt also diese Wahrnehmung dessen, der ich zu sein glaube, der Konstrukteur meines Ichs, die Erfahrung meiner Identität? Es muss auf irgendeine Art und Weise zu meiner eigenen selbsterfüllenden, selbstdefinierenden Wahrnehmung, nun ja, zur Wahrnehmung des Selbst, kommen. Jetzt handelt es sich um einen rekursiven selbstorganisierenden Prozess. Führt dieses Lernen dazu, dass es meinen sensorischen Fluss rekursiv selbstorganisiert und generierte Wahrnehmungen und Glaubensinhalte über das „Selbst“ erzeugt, indem es aus Informationen des Energieflusses Symbole „meiner selbst“ und dessen, der ich bin, macht, indem es „mich“ wahrnehmen und glauben macht, dass ich vom Winde, von der Welt getrennt bin?

      Kann ich meine konzeptualisierenden und einschränkenden Informationsflussfilter so erkunden, dass ich mein Ich-Empfinden und meinen Geist buchstäblich ausweite und meine selbstorganisierende Emergenz öffne, um ein viel stärkeres Gefühl, dieser Welt anzugehören, zu bekommen?

      Auf unserer Reise hat dieses Problem der Energie und ihrer Grenzen tiefe Implikationen im Hinblick auf das Verständnis des Geistes und das, was mentale respektive psychische Gesundheit sein könnte. Daher bleiben viele dieser Einschränkungen der bewussten Reflexion verborgen, automatische Filter, die Einfluss darauf ausüben, wer wir zu sein glauben. Aber wir könnten etwas anderes sein als das, was unsere Gedanken uns glauben machen wollen. Wir beschränken unser Wohlbefinden, wenn wir unser Selbstempfinden auf eine von anderen Menschen und der Welt um uns herum vollkommen abgetrennte Identität beschränken. Wir müssen uns mit etwas „Größerem als das Selbst“ verbinden, wie so viele Studien und Weisheitstraditionen gezeigt haben (Vieten & Scammell, 2015). Bei einem rezenten Treffen von Vertretern aus über zwei Dutzend Nationen gab es eine tief gehende Diskussion über die Natur des Ich und die Notwendigkeit, unser Selbstempfinden jenseits des Körpers


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