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Der Gaslight-Effekt. Robin SternЧитать онлайн книгу.

Der Gaslight-Effekt - Robin Stern


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betroffen ist: zum einen, weil sie eine schlechte Beziehung führen, zum anderen, weil sie ihre selbst gesteckten Ziele wie Stärke und Unabhängigkeit nicht erreichen. Welche Ironie: Da sind eben die Ideen, die sie als Frau unterstützen sollten, für viele Frauen der Grund, nicht um Hilfe zu bitten.

       Individualismus nimmt zu – und führt zu mehr Isolation

      Traditionelle Gesellschaften mochten nicht viele Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung bieten, aber sie versorgten die meisten Menschen mit einem dichten Beziehungsgeflecht. Ich will nicht behaupten, dass Frauen in ihrer Ehe nicht auch isoliert sein konnten. Aber sie hatten tendenziell Zugang zu weitverzweigten Familienkreisen. Und zu sozialen Ritualen, die sie zu einem Teil des großen Ganzen machten. Selbst noch in der modernen Industriegesellschaft hatten sowohl Männer als auch Frauen viel mehr Zugang zu sozialen Netzwerken – Verbände, Vereine, Kirchen, Volksgruppen. Das war noch vor wenigen Jahrzehnten so. Bis zu einem bestimmten Punkt waren Menschen Teil einer größeren Gemeinschaft, in der jeder Einzelne – sogar der Ehepartner oder Arbeitgeber – in einem übergeordneten Zusammenhang gesehen werden konnte.

      Bei dem jetzigen hohen Grad an Mobilität und dem Konsumdenken in der Gesellschaft neigen wir dazu, uns sozial zu isolieren. Wir verbringen viele Stunden in der Arbeit, oft mit wechselnden Kollegen, und unsere Freizeit verbringen wir in der Regel zurückgezogen – mit dem Partner oder einigen wenigen Freunden statt in der Kirchengemeinde, im Verein oder beim Gemeindetreff. In diesem Kontext kann ein Einzelner enormen Einfluss ausüben, denn wir sind abgeschnitten von Informationsquellen und Orientierungshilfen. Da wird der Partner zur anscheinend einzigen Quelle der Zuwendung, der Arbeitgeber scheint fast unbegrenzte Macht über den Zugang zu Wertschätzung zu haben, die Freundin ist vielleicht einer der wenigen Sozialkontakte in einem geschäftigen und isolierten Dasein. Also konzentriert sich unser Bedürfnis nach Anerkennung auf diese Beziehungen. Sie sollen vervollständigen oder definieren, wer oder was wir sind. In traditionellen Gesellschaften hätten wir eine ganze Bandbreite an sozialen Kontakten, die uns helfen würden, uns stabil und verwurzelt zu fühlen. Heutzutage haben wir oft nur einen Menschen – Partner, Freundin oder Familienmitglied – zur Verfügung, wenn wir nach so tiefem Verständnis und Einblick suchen, wie sie eigentlich keine einzelne Beziehung bieten kann. Wir hungern nach der Bestätigung, dass wir gute, tüchtige, liebenswerte Menschen sind, leben aber in wachsender Isolation. Das macht uns überaus anfällig für Gaslighting.

      Im aktuellen gesellschaftlichen Klima kann sich Gaslighting bestens ausbreiten. Die Menschen sind verunsichert. Wir alle werden ständig mit einer Flut an Nachrichten und Informationen bombardiert. Dass sie nicht korrekt sein könnten, ist uns nur zu bewusst. Es könnte sich jederzeit um »Fake News« oder »alternative Fakten« handeln. In einem solchen Klima ist man schnell verunsichert. Was soll man noch glauben? Deshalb ist jeder ein potenzielles Gaslighting-Opfer.

      Ein Zwischenfall vom März 2016 zeigt, welch große Macht Gaslighting haben kann – und wie verbreitet es in unserer Kultur ist. Dem Wahlkampfmanager des damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, Corey Lewandowski, wurde vorgeworfen, die Reporterin Michelle Fields vom Nachrichtenportal Breitbart am Arm gezerrt zu haben, als sie sich Trump näherte, um ihm eine Frage zu stellen. Der Zwischenfall wurde von Ben Terris bezeugt, einem Reporter der Washington Post. Später veröffentlichte die örtliche Polizei ein Video, das seine Aussage bestätigte. Daraufhin wurde Lewandowski wegen Körperverletzung angeklagt. Terris berichtete von dem Zwischenfall, doch die Geschichte sickerte auf Twitter durch, bevor sein Bericht veröffentlicht wurde. Trumps Wahlkampfteam beharrte hartnäckig darauf, dass der Zwischenfall nicht stattgefunden habe, dass die Reporterin »Wahnvorstellungen« habe und dass ein anderes Video die Geschichte widerlege.

      Das war klassisches Gaslighting: Sowohl Fields, die angegriffen worden war, als auch Terris, der den Angriff aus nächster Nähe miterlebt und Fields im Anschluss beigestanden hatte, begannen, an ihrer eigenen Wahrnehmung zu zweifeln.

      »Als ich letzte Woche mit Michelle Fields sprach«, schrieb Terris im November 2016, »sagte sie mir, dass sie damals sogar selbst angefangen habe, ihre Darstellung infrage zu stellen, trotz der blauen Flecken, die sie davongetragen hatte.« Terris gestand, dass auch er allmählich daran zweifelte, was er gesehen hatte. Sein Bericht über den Vorfall und dessen Nachspiel, veröffentlicht in der Washington Post, trug die Überschrift »Trumps Wahlkampagne führt Krieg gegen die Realität und lässt mich an meiner Wahrnehmung zweifeln«. Im Untertitel heißt es weiter: »Wie ein Vorfall im März zu monatelangem Gaslighting führte.«

      Es ist schwierig genug, dem Gaslighting zu widerstehen, wenn es im Privatleben oder in der Beziehung stattfindet. Aber in diesem Fall hatten sich zahlreiche Politiker und einige Journalisten verbündet, um uns alle davon zu überzeugen, dass ein bestimmter Vorfall nie stattgefunden habe – trotz der Aussagen verlässlicher Augenzeugen und des Videos. Ihre Überzeugungskraft war so groß, dass selbst diejenigen, die den Zwischenfall selbst gesehen hatten, an ihrer eigenen Wahrnehmung zu zweifeln begannen – Gaslighting in Reinkultur als erschreckender Machtfaktor und Teil unserer Kultur.

      Der Rückgriff auf Gaslighting zum Zweck der Politik ist verstörend genug. Doch das Problem reicht tiefer – es berührt selbst Aspekte unseres Lebens, die sehr persönlich zu sein scheinen. In Wahrheit werden sie aber zutiefst von einer Kultur beeinflusst, die uns ermutigt, an Vorstellungen zu glauben, die offensichtlich falsch sind.

      So besteht die Werbung darauf, dass kein Mann eine Frau lieben könne, die nicht Größe 34 trägt und schön geschminkt ist. Aber ich weiß aus Erfahrung und durch Beobachtungen, dass dem nicht so ist. In der Schule wird meinen Kindern erzählt, dass Lernen um des Lernens willen gut sei. Aber man erinnert sie auch ständig daran, dass sie nicht auf das College ihrer Wahl können, wenn sie nicht die erforderlichen Noten haben. Politiker nennen uns einen Grund für ihr Vorgehen, ändern auf halbem Weg den Kurs und nennen uns einen anderen. Nie würden sie zugeben, dass die neue »Parteilinie« nicht die alte ist.

      Das meine ich, wenn ich von einer Kultur des Gaslightings spreche. Statt ermutigt zu werden, die eigene Wirklichkeit zu entdecken oder zu erschaffen, bombardiert man uns mit dem zigfach neu formulierten Anspruch, unsere eigenen Erkenntnisse zu ignorieren und lieber das als unsere Meinung zu akzeptieren, was an Bedürfnissen oder Ansichten gerade angesagt ist.

      Zum Glück gibt es einen Ausweg aus dem Problem des Gaslightings. Um sich aus diesem lähmenden Zustand zu befreien, gibt es eine einfache Lösung – die aber nicht einfach umzusetzen ist. Man muss erkennen, dass man bereits ein guter, tüchtiger und liebenswerter Mensch ist und gar keinen Partner braucht, der für Anerkennung sorgt. Das ist natürlich leichter gesagt, als getan. Aber wer erkennt, dass man die eigene Selbstwahrnehmung ganz allein definiert – dass man es als Mensch wert ist, geliebt zu werden, und zwar unabhängig von der Meinung eines Gaslighters –, der hat den ersten Schritt in Richtung Freiheit getan.

      Hat man einmal erkannt, dass die Selbstwahrnehmung überhaupt nicht vom Gaslighter abhängt, ist man bereit, auf das Ende des Gaslightings zu bestehen. Und wer weiß, dass jeder ein Anrecht auf Liebe und ein gutes Leben hat, der kann auch Stellung beziehen: Entweder behandelt der Gaslighter einen korrekt, oder man geht. Statt Ausflüchte zu machen, sollte man der Wirklichkeit ins Gesicht sehen und sich weigern, der unerbittlichen Kritik des Gaslighters nachzugeben, seinem Verlangen nach Perfektion und seinen Manipulationen.

      Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen abschreckend, aber keine Angst. Ich werde Sie Schritt für Schritt durch das Prozedere leiten und Ihnen zeigen, wie man dem Gaslighting ein Ende setzt. Sind Sie einmal bereit, Ihre Beziehung zu beenden, können Sie in Ruhe entscheiden, ob Sie es auch wollen.

      Bei Melanie hat es funktioniert. Nach und nach hat sie gelernt, in sich die kluge, freundliche und kompetente Frau zu sehen, die sie wirklich ist. Sie lernte, die verheerenden Auseinandersetzungen zu umgehen, bei denen es für sie nichts zu holen gab. Und sie lernte, die nörgelnde, kritische und verächtliche Stimme Ihres Mannes auszuschalten, sobald sie sie im Geiste hörte.

      Als Melanie stärker wurde, begriff sie, wie sehr Jordan auf das Gaslighting fixiert war. Er musste einfach immer recht haben, auch


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