Namen machen Leute. Gabriele RodríguezЧитать онлайн книгу.
Vater auf den Sohn übergingen.
Beim Adel wird es zuerst üblich, den Rufnamen weiterzuvererben. Es entsteht ein sogenannter Leitname: Beispiele sind Karl und Ludwig bei den Karolingern, Otto bei den sächsischen Kaisern, Poppo bei den Hennebergern, Friedrich bei den staufischen Adligen oder Balduin bei den Grafen von Flandern.
Hier einige weitere Beispiel für Leitnamen:
Welfen und Staufer (1120–1252): Heinrich, Friedrich, Otto, Wilhelm, Philipp, Gertrud, Lothar, Judith, Agnes, Mechthild, Wulfhild
Askanier (1123–1267): Otto, Hermann, Dietrich, Adalbert, Heinrich, Siegfried, Albrecht, Johann, Bernhard, Mechthild, Elisabeth, Sophia
Ludowinger (1131–1247): Ludwig, Heinrich, Friedrich, Hermann, Konrad, Dietrich, Sophia, Gertrud, Irmgard, Jutta, Elisabeth, Agnes
Wettiner (1156–1291): Heinrich, Konrad, Dietrich, Friedrich, Albrecht, Adelheid, Dedo, Gertrud, Sophia, Agnes, Oda
Zurück zu den Germanen. Die waren, wie gesagt, sehr kriegerisch veranlagt, und das brachte es mit sich, dass sie sich auch territorial ausbreiteten. Im 6. Jahrhundert war die Hälfte der Rufnamen in Frankreich germanischen Ursprungs. Aber auch auf der iberischen Halbinsel breiteten sie sich aus. Das hat Spuren hinterlassen – ganz erstaunliche Spuren in der heutigen Weltsprache Spanisch und damit auch in der Namengebung. Zunächst einmal haben die alten Germanen eines ihrer Lieblingswörter eingeführt. Das spanische Wort »guerra« für Krieg stammt vom germanischen »werra« (steckt noch im heutigen »wehren«) ab.
Auch viele bekannte spanische Namen haben eindeutig germanischen Ursprung. Fangen wir bei meinem Namen an, den ich durch die Heirat mit Herrn Rodríguez bekommen habe. Rodríguez ist der »Sohn des Rodrigo«, und der wiederum hat seinen Ursprung im … Roderich. Da sind sie wieder, die zwei Bestandteile des germanischen Namens: »rod« heißt so viel wie »Ruhm« und »rich« nichts anderes als »reich«. Rodrigo, der Ruhmreiche. Der Name gelangte auf die iberische Halbinsel, weil der Westgotenkönig Roderich diese im 5. Jahrhundert eroberte. Und nach ihm wurden dort viele Kinder benannt. Überhaupt waren natürlich Herrschernamen immer sehr beliebt. Auch viele andere spanische Namen haben einen germanischen Ursprung, eigentlich alle, die zum Beispiel auf »-ez« enden. Und das sind viele: Sanchez, Alvarez, Rodríguez, Ramírez, González, Fernandez. Fernandez ist der Sohn von Fernando, und der stammt von »unserem« Ferdinand ab. Denn »nand« (»nanth«) bedeutete so viel wie »kühn« (das Kriegerische ist halt immer da) und »frith«, woraus sich »ferdi« entwickelte, in etwa »Schutz, Sicherheit«. Der Gonzalez ist analog dazu der Sohn des Gonzalo, und der wiederum geht auf den germanischen Gundisalvus zurück. Und auch hier wieder: das Element »gund« für Krieg. Allein diese drei Namen decken den Großteil der spanisch sprechenden Bevölkerung ab. Wenn die wüssten, dass sie einen germanischen Namen haben …
Interessant ist, dass der heute nahezu vergessene Name Bringfried oder Bringfriede, den man eindeutig in diese Zeit der alten Germanen verorten würde, erst vor gut Hundert Jahren während des Ersten Weltkriegs entstand – und genau das ausdrückte: die Sehnsucht der Menschen nach Frieden, die man dem Kind schon im Vornamen mit auf den Weg geben wollte.
Das Comeback im Heute
Seit einigen Jahren gibt es eine Rückbesinnung auf die zuvor selten gewordenen altdeutsch-germanischen Namen. Sie werden seit etwa zehn Jahren wieder verstärkt vergeben. Besonders männliche Vornamen, und das nicht nur zu Ehren des Großvaters als Zweit- oder Drittname, sondern auch als Rufname. Junge Eltern sagen immer wieder zu mir, dass Otto ein niedlicher Name sei. Noch vor 20 Jahren hätte niemand sein Kind Otto genannt.
Die jungen Leute nehmen diese alten Namen aber ganz anders wahr als die ältere Generation. Da sie kaum noch (ältere) Verwandte haben, die solche Namen tragen, erscheinen sie ihnen auch nicht als altmodisch und verstaubt. Sie haben auch keine Abgrenzung mehr nötig, weder zu dieser Generation noch zu deren Namen. In meiner Großeltern-Generation erscheinen zum Beispiel Namen wie Friedrich, Heinrich, Richard, Ludwig, Leopold, Otto, Oskar, Gustav, Karl oder Bruno, die allesamt heute wieder modern sind und zu den häufig vergebenen Namen gehören.
Auch die weiblichen Formen Frieda, Ida und Wilhelmine sind heute wieder beliebt. Der weibliche Name Ida etwa ist schon seit über 1400 Jahren bezeugt. Ida war die Gattin Pipins I. im 7. Jahrhundert. Er wirkt heute wieder wegen seiner Lautstruktur sehr weiblich und modern.
Bereits vor etwas mehr als Hundert Jahren gab es so eine Rückbesinnung auf altdeutsch-germanische Rufnamen.
Im Jahr 1846 lobte die »Berliner Akademie der Wissenschaften« einen Preis für denjenigen aus, dem es gelang, ein Wörterbuch der alten deutschen Namen bis zum Jahre 1100 zu erstellen. Lediglich einer, der Historiker und Bibliothekar Ernst Förstemann (1822–1906), stellte sich dieser Herausforderung. Er bekam den Preis aber nicht und musste sich viel Kritik anhören, aber sein monumentales Werk »Altdeutsches Namenbuch« aus dem Jahr 1857 ist trotz einiger Mängel bis heute für Namenforscher ein Standardwerk. Und auch viele Eltern, die heute nach einem besonders ungewöhnlichen Vornamen fahnden, entdecken irgendwann dieses Nachschlagewerk – mit Namen, die mehr als Tausend Jahre alt sind. Wenn sie sich zudem für die germanische Geschichte interessieren, ist dieses Werk eine wahre Fundgrube.
So baten mich Eltern einmal um die Bestätigung des weiblichen Vornamens Isika. Er klang für mich recht modern, und ich hatte ihn vorher noch nicht gehört. Sie hatten aber eben in diesem »Altdeutschen Namenbuch« den männlichen Namen Isiko entdeckt, der im 10. Jahrhundert belegt ist und eine Kurzform eines zweigliedrigen Namens mit dem althochdeutschen Element »īs« für »Eisen, Waffe« ist. Er gefiel ihnen und deshalb bildeten sie kurzerhand die weibliche Form »Isika« dazu. In altdeutschen Rufnamen erscheint übrigens »Isan-« oder »Isen-« (also »Eisen«) oft als Erstelement in zweigliedrigen männlichen Namen wie Isenbert oder Isenhard.
Auch wieder sehr populär bei Eltern des 21. Jahrhunderts sind die männlichen Vornamen Eisenherz, Eisenhard, Eisenhans sowie Frowin. Da sie aber bei den Behörden heute überhaupt nicht mehr bekannt sind, müssen sie oft von uns bestätigt werden. Auch Löwenherz wird als eine Neubildung und in Anlehnung an Richard Löwenherz als männlicher Vorname eingetragen.
Manche Eltern graben regelrecht in Geschichtsbüchern auf der Suche nach alten vergessenen Namen und historischen Gestalten. Ich kenne eine kinderreiche Familie in Brandenburg, in der alle Kinder mehrere germanische Namen erhielten. Unter anderem sind dort zu finden: Rikimer, Nestika, Svanhild, Vitigis, Sigisleif, Leovigild, Alarich, Dagaleif, Vidukind, Irmelin, Hildigis, Heilika und Godelinda. Auch Namen wie Erelive (das war der Name der Mutter des Ostgotenkönigs Theodorichs des Großen im 5. Jahrhundert), Hludana (eine nordgermanische Göttin), Hoamer (Name eines ostgermanischen Wandalen- Königs) und Hengist (er war der zweite Heerführer der Angelsachsen im 5. Jahrhundert) finden sich in dieser Familie.
Eine andere Familie nannte ihren Sohn Thumelikar. Der war der im Jahr 15 nach Christus geborene Sohn des Cherusker-Fürsten Arminius (auch bekannt als Hermann der Cherusker) und seiner Gattin Thusnelda (der Tochter des Cherusker-Fürsten Segestes). Die erste Silbe des Namens stammt von der Mutter.
TUSSI MIT NIVEAU
Apropos Thusnelda: Letztens rief mich eine ältere Dame an und wollte ein paar Dinge zu ihrem Familiennamen wissen. Nachdem ich ihr einige Auskünfte dazu erteilt hatte, erzählte sie mir, dass sie Thusnelda hieße und meist »Tussi« gerufen würde. Sie war stolz auf ihren Vornamen, und sie störte sich nicht daran, dass er eher negativ assoziiert wird. Dies war aber nicht immer so. Erst im Alter konnte sie sich mit ihrem Namen versöhnen. Erstaunlich finde ich, dass es diesen Namen heute nur noch höchstens 65-mal in Deutschland gibt. Früher was Thusnelda ein gängiger Mädchenname. Seine Bedeutung ist aber nicht eindeutig geklärt. Der vordere Namensteil kann »þūs« (»Kraft«), oder auch »thursa« (»groß, gewaltig«) bedeuten. Der zweite Teil kann sich aus »hildjō« (»Kampf, Schlacht«) oder aus dem althochdeutschen »snel« für »schnell, tapfer« herleiten. Wie auch immer: Heute wird dieser Name nicht mehr eingetragen. Anders als die Kurzform Nelda, die aber nicht mit Thusnelda in Verbindung gebracht wird.
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