Selbstbewusst ist das neue Sexy. Sophia FaßnachtЧитать онлайн книгу.
individuelles Empfinden von Schönheit ist demnach viel häufiger von unseren biografischen Einflüssen bestimmt als von unseren Genen. Zwar konnten die Wissenschaftler eine für sich stehende Präferenz beobachten, die zu Symmetrie und weichen Gesichtszügen neigt, wen wir aber dann im Einzelnen als attraktiver wahrnehmen, hängt ganz vom Individuum ab. Auch hier gibt es die Annahme, dass wir die Gesichter, deren Züge unseren ähnlich sind, als besonders attraktiv wahrnehmen. Es kann also sein, dass das schönste Supermodel vor uns sitzt, wir uns aber ganz und gar nicht in es verlieben könnten.
EXKURS
Andere Länder, andere Traumpopos
Wenn man einmal um den Globus reist und sich die Schönheitsideale in den jeweiligen Ländern ansieht, dann wird einem noch einmal bewusst, dass das »Schönsein« keiner einheitlichen Norm folgt. In vielen Teilen Afrikas gelten üppigere Rundungen als schön und schon seit vielen Jahrhunderten als Symbol für Reichtum, Kraft und Fruchtbarkeit. In manchen Ländern Afrikas, zum Beispiel in Mauretanien, gilt Fettleibigkeit als Ideal, und schon kleine Mädchen werden gemästet, um möglichst dick zu werden. (Wir heißen diese Praxis natürlich nicht gut, denn das extreme »Mästen« von Menschen kann man als Folter bezeichnen.) In den USA legen sich im Durchschnitt viel mehr Frauen unters Messer als hier, während in Europa im Vergleich zwar Schlankheit, aber immer noch eher »Natürlichkeit« angesagt ist. In Südamerika dominieren Kurven die Ideale. Im Iran müssen die Frauen einen Großteil ihres Körpers verhüllen und haben vielleicht deshalb so eine Obsession mit ihrem Gesicht. Wer im Iran was auf sich hält, sagt man, der hat sich die Nase richten lassen. Auch in Südkorea lassen sich überdurchschnittlich viele Frauen operieren, um einem Ideal zu entsprechen, das sich sehr stark nach Puppe anhört: große, runde Augen, schmales Gesicht, sehr helle Haut, kleiner Po, große Brüste. Jede zweite Frau soll in Südkorea schon einmal beim Beauty-Doc gewesen sein. Und noch eine andere Industrie setzt weltweit Milliarden von Dollars um: Bleichmittel für die Haut. Whitening-Cremes sind besonders in Ländern beliebt, in denen die Bewohner eben keine helle Haut haben. Und viele bekannte Beauty-Konzerne betreiben besonders in Asien und Afrika eigene Produktlinien. Was man da so erhält? Gesichts-Whitener, Genital-Whitener sogar Babyöl mit Bleichmittel. In Indien sind Bleichcremes möglicherweise deshalb so beliebt, weil die hohen Kasten immer hellhäutig sein sollten. Der Adel ist bleich. Aber sowohl in Indien als auch in vielen anderen Ländern, in denen man kaum ein Produkt ohne Bleichanteil findet, kann man erkennen, dass es tendenziell ein weißes europäisches Schönheitsideal ist, das auch hier (leider) viel zu lange propagiert wurde.
Perfektsein ist kein Garant für Liebe
Perfektsein ist kein Garant für Liebe. Der Mensch ist ein komplexes Wesen, und so scheint auch unser Empfinden von Schönheit nicht unbedingt damit zusammenzuhängen, mit wem wir unser Leben verbringen möchten. So kann es sein, dass uns ein bestimmtes Gesicht an etwas erinnert, was einmal Wohlbefinden in uns ausgelöst hat. Aus der Hirnforschung weiß man, dass das Gehirn Schönheit in zwei Schritten wahrnimmt:
1 In der ersten Stufe sehen wir ein Objekt oder einen Menschen, und unser Gehirn stuft automatisch ein, ob wir es oder ihn als ästhetisch empfinden oder nicht. Und diese Kategorisierung läuft komplett unterbewusst ab. Wir selbst haben nicht den blassesten Schimmer, warum wir ein Wohlgefühl empfinden.
2 In der zweiten Stufe schaltet sich das Bewusstsein ein, und der Aha-Effekt tritt ein: »Wow, das gefällt mir. Das finde ich schön.« Erst dann beginnt unser Gehirn mit der Analyse, warum wir das Gesehene positiv finden.
Gäbe es nur eine Schönheit, gäbe es wohl keine 23 Esthers. Und gäbe es nur eine Schönheit, gäbe es wohl kaum unzählige Präferenzen, was Menschen als wohltuend, als schön empfinden. Dass zum Beispiel nur schlanke Frauen von Männern bevorzugt werden, ist, wenn man sich ansieht, wie viele Männer ganz gezielt nach fülligeren Frau suchen – und ja, hier darf man auch mal Pornos erwähnen –, eben auch ein Trugschluss, der durch ein Schönheitsideal vorgegeben wird, das wir als »normativ«, also gesellschaftlich geachtet, wahrnehmen, aber nichts mit den persönlichen Präferenzen (siehe »Studie Zwillinge«) zu tun haben muss.
Auch in der Natur zeigt sich, dass das Empfinden von Schönheit etwas mit Einzigartigkeit zu tun hat. Keine Schneeflocke ist gleich, sie unterscheiden sich alle in Form und Größe. Vielleicht können wir uns unsere Schönheit auch so vorstellen: Unsere Form ist der erste Eindruck, der von außen je nach Präferenz unterschiedlich wahrgenommen wird. Aber das, was wir sind, ist eben so viel mehr und ergibt sich erst im Gesamtbild. Keiner ist wie der andere. Und unsere Schönheit kann sich eben erst in unserem ganzen Wesen entfalten.
Unser Selbstbewusstsein beginnt mit unserem Körper
Ein positives Selbstbild zu besitzen bedeutet, überwiegend gut über sich selbst zu denken und sich somit auch überwiegend gut mit sich selbst zu fühlen. Und wer sich gut mit sich selbst fühlt – und das kann sich auf die unterschiedlichsten Arten zeigen –, der besitzt auch Selbstvertrauen und ein Gefühl von Selbstwert. Was ist es, dieses Vertrauen in sich selbst? Es ist das Wissen, dass da etwas in uns ist, das uns nicht im Stich lässt, das uns durch alle Höhen und Tiefen des Lebens begleitet. Das Wissen, dass wir uns auf uns selbst verlassen können, dass es da einen Teil in uns gibt, der uns immer wieder auffängt und uns liebevoll an dem Punkt abholt, an dem wir gerade stehen.
Es ist das Wissen, dass wir wertvolle Wesen sind. Unabhängig von unserer Kleidergröße und unabhängig davon, wie wir von außen bewertet werden. Es ist ein Gefühl, dass wir es verdient haben, liebenswert zu sein – etwas, das uns in Fleisch und Blut übergegangen ist.
Mit diesem Wissen können uns die Meinungen der anderen vielleicht immer noch verletzen, wir können manches davon vielleicht auch annehmen und reflektieren, aber das Negative, was andere über uns sagen und denken, wirkt sich auf unser Seelenleben höchstens noch wie ein etwas zu kalter Windzug und nicht mehr wie ein alles durcheinanderwirbelnder Tornado aus. Das Gefühl von Selbstwert wirkt wie ein Schutzanzug, der nicht zulässt, dass man uns in unseren Grundfesten erschüttern kann.
Wer sich als einen Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl wahrnimmt, dem sei gesagt: Keiner von uns wird als sein eigener größter Kritiker geboren. Und keiner wird als der größte Kritiker seines eigenen Körpers geboren. Im Gegenteil. Unseren Körper kritisch zu betrachten, eine Stimme in uns zu hören, die uns sagt, dass etwas mit ihm nicht stimmt, ist nichts, was uns mit in die Wiege gelegt wurde. Im Gegenteil. Wir werden geboren, und unser Körper ist unser wichtigstes Lerninstrument. Damit wir uns überhaupt entwickeln können, damit wir herausfinden können, wer wir sind, was wir schon oder noch nicht können und welche Möglichkeiten uns noch offenstehen, ist unser Körper ein unabdingbarer Begleiter.
Unser Körper ist also seit Beginn unseres Lebens von immenser Bedeutung. Deswegen käme es einem Kleinkind wohl kaum in den Sinn, ihn von sich aus als etwas »Schlechtes« wahrzunehmen. Uns selbst abzulehnen ist also etwas, was wir erlernt haben. Und das ist erst einmal eine gute Nachricht. Denn was wir erlernt haben, können wir auch wieder »verlernen«. Wir können das, was wir über uns und unseren Körper denken, was wir vielleicht schon viele Jahre mit uns herumtragen, verändern. Wir können Selbstakzeptanz wieder erlernen, wir können uns sozusagen »rück-erinnern«, dass uns unser Körper seit Beginn unseres Lebens ein wunderbarer Begleiter war – und es bis heute immer noch ist. Um aber zu verstehen, wie viel unser Körper mit der Entwicklung unseres Selbstbildes und letztlich unseres Selbstwertgefühls zu tun hat, lohnt es sich, einen Blick auf diese Entwicklung zu werfen.
Du bist perfekt zur Welt gekommen
Wenn du verstehst, wann sich dein (negatives) Selbstbild zu entwickeln begonnen hat – und wie es dazu kam –, kannst du genau an diesen Punkten ansetzen. Du kannst dir wieder selbst ein Freund werden, der dich in deiner Unterschiedlichkeit stärkt, dir Gutes zukommen lässt und dich so akzeptiert, wie du bist.
Stellen wir uns folgendes Bild vor: ein Krankenhauszimmer, ein Baby ist gerade zur Welt gekommen. Seine Mutter hält es überglücklich im Arm und kann ihre überschäumenden Gefühle kaum in Worte fassen. Alles an ihrem Kind ist perfekt. Einfach, weil es jetzt da ist. Es gibt nichts, aber auch gar nichts, was sie an ihm ändern wollen würde. Wir alle sind uns einig: Dieses Bild ist ein schönes Bild. Dieses Baby, egal, wo auf dieser Welt