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UNTERNEHMEN(S)GESUNDHEIT. Ina JäkelЧитать онлайн книгу.

UNTERNEHMEN(S)GESUNDHEIT - Ina Jäkel


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und im Zusammenhang mit der herrschenden Kultur der Teilsysteme, denen wir angehören, betrachtet werden. Gesundheit ist damit nicht nur Privatangelegenheit, sondern Merkmal, Indikator und Einflussfaktor eines funktionierenden Unternehmenssystems.

      In modernen Unternehmen wird dem Thema Mitarbeitergesundheit immer mehr Beachtung geschenkt. Die Ausstattung der Arbeitsplätze, die Umsetzung technischer Arbeitsschutzmaßnahmen und die Minimierung von Arbeitsunfällen haben in den letzten Jahren immer größere Fortschritte zu verzeichnen. Psychische Fehlbelastungen und psychische Erkrankungen bei der Arbeit gewinnen in der öffentlichen Diskussion immer mehr an Bedeutung. Die betrieblichen Akteure des Arbeitsschutzes und der Gesundheitsförderung ringen gemeinsam mit den Unternehmensleitungen um einen adäquaten Umgang mit dieser Herausforderung, nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen von psychisch bedingten Fehlzeiten der Beschäftigten. Deshalb wenden wir uns in den einzelnen Kapiteln immer wieder besonders der psychischen Gesundheit in Unternehmen zu.

      Dieses Buch soll vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und unserer Erfahrungen aus der Praxis den Umgang mit dem Thema Gesundheit in Unternehmen hinterfragen und beteiligte Akteure für eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer Gesundheitsmanagementpraxis sensibilisieren und motivieren. Gesundheit im Unternehmen systemisch zu analysieren, zu denken, zu ermöglichen und gesundheitsgerecht zu kommunizieren, heißt, den Anspruch zur Förderung der physischen und insbesondere der psychischen Gesundheit bei der Arbeit zu leben. Im Unterschied zu anderen Veröffentlichungen greifen wir die Thematik nicht nur in erster Linie im Sinne von Leitfäden, Checklisten oder Handlungsanleitungen für Führungskräfte auf. Führungsverhalten ist bei der Prävention psychischer Störungen im Arbeitsgeschehen ein wesentlicher Dreh- und Angelpunkt. Es findet jedoch unter Rahmenbedingungen und in individuellen und organisationsspezifischen Mustern statt, die es wesentlich prägen und die es zu reflektieren gilt. Daher blicken wir auf das Gesamtsystem Unternehmen und ermutigen zu einer veränderten und gesunden Unternehmenskultur. Unser Buch richtet den Fokus auf die menschlichen und unternehmerischen Kommunikationsstrukturen mit ihren systemischen Verknüpfungen und damit verbundenen Auswirkungen.

      Nur wer Verhalten, Kommunikationsformen, -muster und -strukturen versteht, kann sein eigenes Handeln auf Dauer effizient und zufriedenstellend für sich und andere ausrichten.

      Wir wenden uns an Führungskräfte aller Hierarchiestufen, an HR-Verantwortliche, Betriebs- und Personalräte, Personalentwickler sowie alle Interessierten, die zu einem gesunden Unternehmenserfolg, einem zeitgemäßen Umgang mit Gesundheit und damit zur Prävention psychischer Störungen im Unternehmen beitragen wollen. Wenn wir die Akteure der betrieblichen Organisation und Sie als »Leser« in der männlichen Form ansprechen, schließen wir dabei jedes Mal das weibliche Geschlecht mit ein.

      Wir stellen systemische Zusammenhänge dar und leiten Handlungsempfehlungen für die unterschiedlichen Akteure in den Bereichen Management, Führung sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz ab. Dabei legen wir Wert auf die Anregung zur individuell kritischen Auseinandersetzung der Leserinnen und Leser mit unseren Gedanken und Ideen, denn in erster Linie geht es uns um die Verdeutlichung von Zusammenhängen, Abhängigkeiten, Wechselwirkungen und Verzahnungen innerhalb eines komplexen Kontextes, der in der primär- und sekundärpräventiven Betrachtung des Themenfeldes psychischer Gesundheit, psychischer Belastung und psychischer Störung bei der Arbeit eine Rolle spielt. So werden diesbezüglich das Wechselspiel zwischen verhaltenspräventiven und verhältnispräventiven Gesichtspunkten im Bereich der Primärprävention beschrieben und sekundärpräventive Maßnahmen und Notwendigkeiten im Zusammenhang mit psychischen Störungen aufgezeigt.

      Mit unserer langjährigen Erfahrung aus Mitarbeiterführung und Beratungsund Dozententätigkeit im Themenbereich Arbeit und Gesundheit laden wir Sie mit diesem Buch zu einer praxisbezogenen Auseinandersetzung ein. Wir greifen dabei Fallbeispiele und Analysen aus unserer eigenen beruflichen Praxis auf, spiegeln sie an zeitgemäßen wissenschaftlichen Erkenntnissen und entwickeln daraus praxistaugliche Handlungsalternativen für die beteiligten Akteure im Unternehmen.

      Ina Jäkel und Gisbert Stein, Berlin und Reinfeld im Juli 2015

      Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern zunehmend auch in Unternehmen werden psychische Belastungen und Störungen mehr und mehr zum Thema. Als Gründe für Krankschreibungen stehen sie zurzeit noch an dritter Stelle (DAK, 2014, 17). Nach den Prognosen der WHO werden psychische Erkrankungen im Jahr 2020 – hinter Herz-Kreislauf-Beschwerden – an zweiter Stelle der weltweit häufigsten Krankheiten stehen (Deutsches Ärzteblatt 17/2008, 880). Schon seit einigen Jahren bilden sie nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung (Richter, 2006, 212 ff.) die Hauptursache bei Frühberentungen. Moderne Unternehmen werden sich künftig aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des demografischen Wandels noch mehr der Thematik annehmen müssen, wollen sie diese gesellschaftliche Entwicklung nicht sträflich ignorieren. Die dramatische Steigerung der Fallzahlen ist u. a. in einer zunehmenden Arbeitsverdichtung und -beschleunigung, einem erhöhten Leistungs- und Konkurrenzdruck, einer ständigen Erreichbarkeit, der damit einhergehenden Grenzverwischung zwischen Arbeit und Privatheit, eigenen Ansprüchen an sich selbst, einer beruflichen und persönlichen Sinnentleerung sowie in einer verbesserten und differenzierten Diagnostik zu suchen. Die Thematik gewinnt infolgedessen zunehmend im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements an Bedeutung. Wie können und müssen Unternehmen reagieren? Was sind die notwendigen Strategien und Interventionen zur Reduzierung und Prävention? Hier werden in der Theorie ein konsequentes betriebliches Gesundheitsmanagement wie auch eine bewusste Selbstfürsorge und Achtsamkeit eines jeden Einzelnen als besonders wirkungsvoll benannt. So hat sich inzwischen im Rahmen des »Betrieblichen Gesundheitsmanagements« ein Klima von Aktivismus für den Bereich der psychischen Belastungen entwickelt, welches mit Hilfe von Einzelmaßnahmen zu partiellen Veränderungen führt. Gesundheit, zunehmend auch psychische Gesundheit, wird immer mehr zum Unternehmen im Unternehmen mit Akteuren, Strukturen, Hierarchieebenen, Zielen, Kennzahlen und damit verbundenem Wettbewerbs- und Wachstumsdenken. Die Gesundheitsquote gewinnt als wesentliche Kennzahl im Gesundheitsmanagement der modernen Großunternehmen mehr und mehr an Bedeutung. Eine erhebliche Senkung der Fehlzeiten lässt sich jedoch noch nicht feststellen, obwohl eine Vielfalt verhaltenspräventiver Maßnahmen für Beschäftigte in Unternehmen angeboten wird. Aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht ist dies zu kurz gedacht und ineffektiv. Die wesentlichen Schlüsselstellen, die zum einen mit den strukturellen Gegebenheiten verbunden sind und zum anderen die persönlichen Einstellungen und Kommunikationsformen der Führungsverantwortlichen betreffen, finden häufig zu wenig Berücksichtigung. In der Praxis lässt sich beobachten, dass trotz Wissens über die Ursachen und die notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung von psychischen Störungen, insbesondere seitens der Verantwortlichen, bislang nicht oder nur vereinzelt das entsprechende Handeln erfolgt. Ein Ausflug ins Weltall scheint einfacher zu sein, als innerhalb von Unternehmen ein umfassendes Gesundheitsbewusstsein zu etablieren. Die Gründe hierfür sind so spannend wie vielfältig.

      Psychische Störungen werden als abweichendes Verhalten von der Idealnorm gesehen, und die davon betroffenen Menschen werden nicht selten mit Begriffen belegt wie komisch, seltsam, verschroben, schwach, verklemmt, durchgedreht, verrückt, geistesgestört etc. Die gesellschaftliche Einstellung diesen Menschen gegenüber ist oft stigmatisierend und diskriminierend. Trotz der inzwischen vorhandenen Kenntnisse über die enormen Verbreitungszahlen werden »Charakterschwäche« und das »Sich-nicht-zusammenreißen-Können« als persönliche, private Ursache angeführt. Mag dies auch ein Grund für die zögerliche Herangehensweise sein? Oft werden Betroffene gemieden, ausgegrenzt, manchmal sogar verhöhnt. Sicher ist nur: Jeder, ja, jeder Mensch, kann an einer psychischen Störung erkranken, und so wird die eigene Betroffenheit nicht selten zu einem mehrfachen Problem, wie an der Aussage einer 57-jährigen Personalleiterin (die Fallbeispiele in diesem Buch wurden aus Datenschutzgründen so verändert, dass die realen Personen nicht zu erkennen sind) zu sehen ist:

      »Wissen Sie, was für mich das Schlimmste ist, womit ich fertig werden muss? – Den Zustand, den ich jetzt habe, habe ich viele Jahre lang bei meinen Mitarbeitern überhaupt nicht ernst genommen und nachvollziehen können. Für mich stellten die sich nur an – waren eben etwas weich und wenig


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