Des Girolamo Cardano von Mailand eigene Lebensbeschreibung. Hieronymus CardanusЧитать онлайн книгу.
pflege zehn Stunden im Bett zuzubringen, und von diesen, wenn ich gesund und ohne Störung bin, acht, wenn ich mich weniger wohl befinde, vier oder fünf zu schlafen. In der zweiten Stunde nach Sonnenaufgang stehe ich auf. Quält mich nachts Schlaflosigkeit, so stehe ich auf, spaziere um mein Bett und zähle in Gedanken bis auf Tausend; auch enthalte ich mich dann der Speisen ganz oder esse doch um mehr als die Hälfte weniger als sonst. Arzneimittel gegen das Übel gebrauche ich wenig, außer etwas Pappelsalbe oder Bärenfett oder Haarwurzöl, womit ich dann meinen Leib an 17 Stellen einreibe: an den Schenkeln, den Fußsohlen, am Nacken, an den Ellbogen, den Handgelenken, den Schläfen, den Halsadern, in der Herz- und in der Lebergegend und auf der Oberlippe. Namentlich morgens quält mich oft die Schlaflosigkeit über die Maßen. Vormittags pflege ich stets weniger Speisen zu mir zu nehmen als am Abend bei der Hauptmahlzeit. Nach meinem 50. Lebensjahre begnügte ich mich morgens mit einer Brotsuppe; früher bestand mein Frühstück sogar nur aus Brot in Wasser getunkt und großen kretischen Trauben, sogenannten Zibeben. Später wünschte ich mehr Abwechslung und verlangte zum Frühstück mindestens einen Eidotter und zwei oder wenig mehr Unzen Brot, manchmal ohne, manchmal mit einem bescheidenen Quantum reinen Weines. Am Freitag oder Samstag wünsche ich am liebsten ein mäßiges Stück Fleisch mit einer Suppe von Gienmuscheln54 oder Meerkrebsen. Nichts habe ich lieber als ein kräftiges Stück Kalbfleisch im Topf, und zwar ohne Zutat irgendeiner Flüssigkeit, gekocht; doch muss es vorher mit dem Messerrücken lange geklopft sein. So schmeckt es mir am besten; eine Brühe pflegt dabei ganz von selbst herauszuträufeln. Es ist dies die beste Art der Zubereitung; auf diese Weise ist das Fleisch viel saftiger und fetter noch als selbst ein am Spieß geschmortes.
Zum Abendessen nehme ich gern einen Gang Gemüse, am liebsten Mangold, mitunter auch Reis oder Endiviensalat, aber noch lieber esse ich das breite Blatt der stachligen Gänsedistel und die weiße Wurzel der Endivie. Fische esse ich lieber als Fleisch, doch müssen sie gut und frisch sein. Vom Fleisch liebe ich die kräftigen Stücke – so namentlich Kalbs- und Schweinsbrust – geschmort und mit sehr scharfen und zwar heißen Messern fein zerrieben. Zur Mahlzeit lasse ich mir süßen, auch neuen Wein schmecken, im Maß von ungefähr einem halben Pfund, dazu das Doppelte, oder auch mehr, an Wasser. Ganz besonders liebe ich die Flügel von ganz jungen Hühnchen, die Leber und alle anderen blutreichen inneren Teile von Hühnern und Turteltauben. Auch Flusskrebse esse ich gern – wohl deshalb, weil meine Mutter, da sie mich im Leibe trug, solche mit besonderer Lust gegessen hatte desgleichen auch Gienmuscheln und Austern. Des Weiteren nähre ich mich lieber und mit größerem Nutzen für meine Gesundheit von Fisch- als von Fleischspeisen. Fische, die ich gerne esse, sind der Zungenfisch, der Stachelflunder, die Steinbutte, der Gründling, die Landschildkröte, die Plötze, besonders aber der Rotbart oder die Meerbarbe, ferner die Steinbarbe und das Rotauge, der Seebrassen und der Kabeljau, ein ganz leckerer Fisch, auch der Seebarsch, die gewöhnlichen Arten der Weißfische, die große und die kleine Äsche; von den Süßwasserfischen sind es vor allem der Hecht, der Karpfen, der Barsch, beide Arten von Rotflossen oder Brachsen, außerdem der Schmerling, der Drachenkopf, die verschiedenen Arten der Thunfische, gesalzene Sardinen, die zarten und mehr noch die etwas härteren. Sonderbar ist, dass wir die Platt- oder Gienmuschel als eine sehr angenehme Speise lieben, die Miesmuschel oder gewöhnliche Meermuschel dagegen als giftig meiden, desgleichen auch die Wegschnecke, außer sie wäre gereinigt. Auch Süßwasserkrebse und andere Schaltiere schmecken mir; die Meerschaltiere sind mir zu hart und Aale, Frösche und Morcheln zu schwer verdaulich. Ich bin ein großer Freund von Süßigkeiten; besonders liebe ich den Honig, Zucker, frische reife Trauben, Melonen, nachdem ich einmal ihre heilsame Wirkung verspürt habe, Feigen, Kirschen, Pfirsiche, eingekochten Most, und bis heute hat mir noch keines von allen diesen je geschadet. Öl liebe ich über die Maßen, rein oder auch mit Salz und weichen Oliven. Auch die Zwiebel bekommt mir gut, und die Raute habe ich, für mich wenigstens, in meiner Jugend wie im Alter, als Gegengift, nicht nur als Vorbeugungsmittel, sondern auch als gegen jede Art von Vergiftung wirksam erprobt. Auch der römische Wermut hat sich mir als gesundheitsfördernd erwiesen.
Den geschlechtlichen Genüssen habe ich mich immer mit Maß hingegeben und habe auch nie mit den Wirkungen eines übermäßigen Genusses viel zu tun gehabt. Jetzt freilich beginnt offensichtlich mein Magen darunter zu leiden. Das weiße Fleisch von kleinen, am Rost gebratenen Fischen, wenn sie nur frisch und weich sind, schmeckt und bekommt mir vortrefflich. Auch recht fetten Schafkäse verachte ich nicht. Ein Karpfen aber, der ausgenommen drei bis sieben Pfund wiegt, ist mir lieber als jede andere Speise. Von den großen Fischen nehme ich Kopf und Bauch, von den kleinen Rücken und Schwanz. Der Kopf und bei den großen Fischen auch die übrigen Teile sollen immer in Wasser gesotten oder in der Schüssel gedämpft, die kleinen Fische dagegen geröstet, getrocknet, oder auch gesotten oder am Rost gebraten sein. Sind sie ganz zart, so liebe ich sie geröstet oder nur ganz wenig gesotten. Von den vierfüßigen Tieren sind die weißen Fleischteile die besten; die blutreichen inneren Teile, Herz, Leber, Nieren sind weniger leicht verdaulich, die Lunge etwas leichter. Doch sind alle diese letztgenannten von geringem Nährwert. Die roten Fleischteile, das Herz ausgenommen, sind leicht verdaulich, die weißen mittelmäßig, mit Ausnahme der Hoden, die leicht verdaulich sind; schwerer verdaulich sind die blauen Fleischteile.
Der obersten Genera dieser ganzen Sache sind es sieben: Luft, Schlaf, Leibesübung, Speise, Trank, Arznei und Vorbeugungsmittel. Der Spezies sind es 15: Luft, Schlaf, Übung, Brot, Fleisch, Milch, Eier, Fische, Öl, Salz, Wasser, Feigen, Raute, Trauben und scharfe Zwiebeln. Zubereitungsmittel haben wir 15: Feuer, Asche, Bad, Wasser, Topf, Bratpfanne, Bratspieß, Bratrost, Mörser, Messerrücken und Messerschneide, Reibeisen, Petersilie, Rosmarin und Lorbeer. Von Übungsmitteln kennen wir: das Mühlrad, den Spaziergang, das Reiten, kleine Wurfspieße, die Kutsche, Geräte, wie sie der Waffenschmied hat, noch einmal das Reiten, den Sattel, die Schifffahrt, das Polieren von Platten, Reiben und Waschen, wiederum genau 15. – So habe ich denn, wie es die Herren Theologen machen, durch tiefsinnige Gedankenarbeit und blendende Vernunftschlüsse die Sache auf wenige Begriffe zusammengeordnet. Denn ohne solche glänzende begriffliche Klarheit wird dir alles dunkel und verschlossen bleiben, und wäre es auch noch so hell und selbstverständlich. Fahren wir darum ebenso fort: Fünf Dinge sind es, die man ohne Maß (man wäre denn ein Greis) genießen darf: Brot, Fisch, Käse, Wein und Wasser. Zwei Dinge dienen als Arznei: Mastix und Koriander, jedoch nur in großen Mengen Zucker; zwei als Gewürze: Safran und Salz, wovon das Letztere zugleich ein Element ist. Vier Dinge sind nur mit Maß zu nehmen, denn es sind Nahrungsmittel: Fleisch, Eidotter, Rosinen und Öl. Und dieses Letztere ist ein verborgenes Element, das in seinen Eigenschaften den Sternen zu vergleichen ist, nämlich wenn es brennt.
NEUNTES KAPITEL
Der Gedanke, meinen Namen zu verewigen
Gedanke und Wunsch, meinen Namen zu verewigen, stellten sich ebenso frühe bei mir ein, als spät ich Aussicht hatte, sie zu verwirklichen. Es war mir klar, dass es ohne Zweifel ein doppeltes Leben gebe, ein derbwirkliches, das wir Menschen mit Tier und Pflanze gemein haben, und ein anderes, das nur der Mensch lebt, der nach Ruhm und Arbeit strebt. Frühe sah ich auch, dass schon für jenes erste Leben die Natur mich stiefmütterlich behandelt und zu wünschen genug mir gelassen hat und dass mir vollends für das zweite, höhere Leben rein gar nichts geworden war, das frohe Hoffnung mir hätte schenken können, weder Macht noch Mittel, keine feste Gesundheit und keine Arbeitskraft, keine angesehene Familie, keine besonders regsame Begabung, nicht einmal die Kenntnis der lateinischen Sprache, keine Freunde und bei meinen Eltern nichts als Armut und Verachtung. Einige Jahre später hat mir ein Traum die feste Hoffnung auf ein ruhmreiches Leben erweckt; die nähere Art und Weise freilich sah ich nicht, nur dass dabei ein wunderbarer Zufall mir zum Verständnis des Lateinischen geholfen hat. Vernünftige Erwägungen haben mich dann freilich von solchen sehnsüchtigen Gedanken wieder abgebracht, und ich sah ein, dass es nichts Aussichtsloseres geben könne als diese Hoffnung, geschweige denn den bloßen Wunsch. Ich sagte mir: Wie kannst du wohl ein Buch schreiben, das man lesen wird? Findest du wohl einen Gegenstand, der von so allgemeinem Interesse und der so wohlbekannt und geläufig ist, dass er Leser anziehen wird? Verfügst du über genügend guten Stil und sprachliche Gewandtheit und Feinheit, um die Leser zu fesseln? Und, gesetzt den Fall, du fändest Leser, häuft sich denn nicht im Laufe der Zeit Tag für Tag die Menge der Bücher, sodass, was früher einmal geschrieben, der