COACHING-PERSPEKTIVEN. Группа авторовЧитать онлайн книгу.
hat, anerkennen und zufrieden sein? (Oder interessiert ihn eher, was er hätte besser machen können?)
• Kann er ein Thema, die Sitzung etc. abschließen? (Oder fängt er kurz vor Schluss noch ein neues Thema an?)
• Kann er beim Abschied einen Moment innehalten? (Oder ist er schon auf dem Weg zum nächsten Meeting?)
Die Kontaktfunktionen zur Beschreibung des Kommunikationsstils
Neben dem Gewahrsein und der Achtsamkeit für die jeweilige Phase und auch innerhalb der einzelnen Phasen des Kontaktzyklus bieten sich die Kontaktfunktionen als Landkarte für den Coach an, 93 den Kommunikationsstil des Coachee und damit dessen Beziehung zur Umwelt zu beschreiben.
Die von Perls und Goodmann eingeführten Kontaktfunktionen sind Konfluenz, Introjektion, Retroflexion, Projektion und Egotismus; Polster und Polster haben Deflexion ergänzt und Gremmler-Fuhr nutzt zusätzlich Reaktionsbildung/Reaktivität. Die Kontaktfunktionen beziehen sich ebenfalls auf die verschiedenen Phasen des Kontaktzyklus, Perls und Goodmann verorteten sie im ursprünglichen vierphasigen Zyklus und verstanden sie als Unterbrechungen im Erleben. Gremmler-Fuhr ordnet die Kontaktfunktionen den beiden Polen »Zugehörigkeit« und »Eigenständigkeit«94 zu: Konfluenz, Introjektion und Projektion sind Dimensionen von Zugehörigkeit, weil die Grenze von Organismus und Umwelt diffus ist. Retroflexion, Egotismus und Deflexion gehören zum Pol der Eigenständigkeit und Abgrenzung.
Konfluenz
Bezeichnet das Verschmelzen und Mitschwingen des Organismus mit dem Umwelt-Feld. Die Grenze zwischen Organismus und Umwelt ist diffus, das ›Ich‹ verschwimmt im ›Wir‹. Konfluenz zeigt sich in Empathie und Mitgefühl im zwischenmenschlichen Kontakt und ist eine wichtige gemeinschaftsstiftende Funktion. Konfluenz bezeichnet auch das Fehlen von Differenzierungen oder Unterschieden und das Festhalten an dem, wie es ist:
»Wir sind konfluent mit allem, wovon wir grundsätzlich und auf unproblematische oder unabänderliche Weise abhängig sind, wo es also kein Bedürfnis nach Veränderung gibt oder keine Möglichkeit dazu.«95
Introjektion
Wird häufig beschrieben als »Schlucken ohne zu kauen«. Der Organismus nimmt Elemente des Feldes auf ohne sie zu assimilieren und erlebt sie als zu sich gehörig. Introjizierte Gebote oder Verbote behindern die Befriedigung von Bedürfnissen und Wünschen. Das ist einerseits eine wichtige kulturbildende Funktion, denn ohne ›selbstverständliche‹ Regeln, Konventionen, Werte und nicht zu hinterfragendes Wissen können soziale Gemeinschaften nicht funktionieren und kann der Einzelne nicht lernen. Andererseits ist es für den Organismus und sein Wachstum wichtig zu prüfen und aktiv zu entscheiden, was er zu sich nimmt und was er zurückweist.
Projektion
»Man spürt das Gefühl, aber es flottiert frei herum, unverbunden mit dem aktiven Selbstempfinden (…).«96 Projektion bezeichnet die Verschiebung der Grenze zwischen Organismus und Umwelt nach innen, das heißt, Gefühle, Impulse, Vorstellungen etc., die im Organismus entstehen, werden als dem Umfeld zugehörig erlebt. Intuition und Vorahnungen, ebenso wie Phantasien und Vorstellungen bezogen auf die Umwelt sind wichtige Aspekte von Projektion. Als Kontaktunterbrechung wirkt Projektion, wenn sie verhindert, das Eigene als das Eigene zu erkennen, und die Annahmen und Zuschreibungen bezogen auf die Umwelt oder ein Gegenüber nicht überprüft werden.
Retroflexion
Bezeichnet den Prozess des »Es-sich-noch-mal-Überlegens«, bevor man handelt. »(…) jeder Akt absichtlicher Selbstkontrolle bei einer schwierigen Aufgabe [ist] Retroflexion.«97 Die Grenze zwischen Organismus und Umweltfeld wird nicht überschritten, die nach außen gerichtete Energie, das Daraufzugehen oder Angreifen wird unterbrochen und nach innen gelenkt. Das kann die Form von Zurückhaltung, Grübeln, Nachdenken und Selbstfürsorge aber auch Selbstquälerei annehmen. Die Grenzverstärkung zwischen Organismus und Umwelt kann sich bei dieser Kontaktfunktion auch körperlich durch Verspannungen und Verhärtungen zeigen.
Egotismus
Während bei der Retroflexion das Ausgreifen unterbrochen und nach innen gelenkt wird, bezeichnet Egotismus die Verlangsamung des Kontaktprozesses und die Vermeidung von Kontrollverlust durch Distanzierung, Darüber-Nachdenken und Darüber-Reden. Das ist einerseits das skeptische Prüfen, andererseits die Umsicht und die Introspektion, die sicherstellen sollen, dass es keine Überraschungen gibt oder Risiken drohen. Egotismus bremst die Spontaneität und ist damit eine Schutzfunktion des Organismus, sich nicht »einfach so« auf den Austausch mit dem Umweltfeld einzulassen. Egotismus kann aber auch Wachstum behindern, weil man sich nicht nur von der Umwelt, sondern auch vom eigenen Erleben distanziert und so neue Erfahrungen vermeidet.
Deflexion
Polster und Polster beziehen Deflexion auf den Kontaktprozess zwischen Menschen: »Die Deflexion ist eine Methode, sich dem direkten Kontakt mit einem anderen Menschen zu entziehen.«98 Als Beispiele führen sie Weitschweifigkeit, Scherzhaftigkeit, stereotype oder stets sachliche Sprache etc. an. In konflikthaften oder ritualisierten Situationen ist Deflexion die Funktion, die entschärft und abbiegt oder die Situation trägt. Allgemein gesagt, bezeichnet Deflexion die Ablenkung der Aufmerksamkeit (des Austauschprozesses zwischen Organismus und Umwelt) auf etwas anderes als das, worauf sie ursprünglich gerichtet war. Deflexion kann sich in allen Phasen des Kontakts ereignen.
Reaktivität
Bezeichnet, vereinfacht gesprochen, den Kontaktmodus »Überlebensprogramm«, das durch unbewusste Angst und deren Unterdrückung ausgelöst wird. Der Organismus meint angegriffen zu werden und reagiert archaisch mit den Mitteln Kampf, Flucht oder Sich-Totstellen. Die weniger archaischen Ausdrucksformen können statt Kampf z. B. Abwertung und Bloßstellen sein. Statt die Flucht zu ergreifen, erfolgt Rückzug oder man wendet sich ab. Sachlich und hart bleiben, sich nichts anmerken lassen sind Ausdruck des Sich-Totstellens. Allen diesen Reaktionen ist gemein, dass sie reflexhaft erfolgen und quasi automatisch ablaufen.
In einem Interview mit Milan Sreckovic antwortete Laura Perls auf die Frage nach dem Stellenwert diagnostischer Überlegungen in ihrer therapeutischen Arbeit:
»Ich achte bei der Arbeit (…) nicht auf Etiketten. Etikettieren verursacht zum größten Teil Vorurteile. (…) Wie ich in der Therapie vorgehe, richtet sich auch danach, wie viel Kontakt mit dem Klienten möglich ist. Wenn ich jemanden kaum oder wenig kenne, gehe ich ganz von der Oberfläche aus – was ich sehe oder was ich wahrnehme – und dann schaue ich, wie und ob der Klient das auch wahrnimmt. Ich gehe immer von der momentanen Situation aus (…) Für mich ist dabei wichtig, wie der Klient seine eigene organismische Selbstregulierung (Atmung, Kreislauf etc.) durch Muskelverspannungen unterbricht, wie er die Wirksamkeit seiner Kommunikationen durch die fixierten Sprach- und Verhaltensgewohnheiten verringert.«99
Dabei zu beginnen, wie viel und welche Art Kontakt mit dem Gegenüber in einer Beratungssituation möglich ist, gilt natürlich auch für jede Coaching-Beziehung. Das bedeutet konkret, dass sich Coach und Coachee darüber verständigen müssen, inwieweit der Coachee Interesse an den Wahrnehmungen des Coaches hat. Solange sich der Coachee in seinem Feld als funktional und stimmig erlebt, hat er zunächst oft wenig Veranlassung oder Neugier, sich auf das unsichere Feld der Selbsterfahrung und Selbstreflexion zu begeben. Außerdem gilt:
»Rückmeldearbeit ist (…) erst möglich, wenn der Berater als Informationsquelle für den Klienten glaubwürdig geworden ist. Nur dann sind die emotionalen und kognitiven Dissonanzen überhaupt aushaltbar, die für den Klienten mit der Entgegennahme ungewohnter Rückmeldeinformationen entstehen.«100
Glaubwürdig wird der Coach nicht nur durch die Kompetenz-Zuschreibung des Coachee, sondern auch dadurch, dass er sich in der intendierten dialogischen Beziehung die Deutungsmacht über das Wahrgenommene und Erlebte