COACHING-PERSPEKTIVEN. Группа авторовЧитать онлайн книгу.
zu betrachten lohnt. Einige dieser Ebenen adressieren die Beiträge in diesem Buch:
• Sabine Engelmann klärt und definiert das Konzept von »GestaltCoaching«.
• Sandra Čanić zeigt den Weg von »Awareness to Change« auf.
• Hans Baumeister beantwortet die Frage, wie das Bild der Organisation die Vorgehensweise im Coaching beeinflusst.
• Monika Spiegel untersucht die Persönlichkeitsstruktur von Führungskräften im Spannungsfeld.
• Christof Schneck beschäftigt sich mit dem Umgang mit narzisstischen Phänomenen im Management Coaching.
• Jürgen Fabian geht der Frage der persönlichen Leistung und Lebensqualität in effizienzgetriebenen Organisationen nach und entwickelt daraus Ansatzpunkte für die Arbeit im Coaching.
• André Kindhauser schildert seinen ganz persönlichen Weg vom Banker zum Gestaltberater.
• Karin Schwenk beschreibt die Anwendung einer besonderen Methode im Coaching von Arbeitslosen.
• Tom Gerum lässt uns teilhaben an seinem Selbstcoaching mit der Methode »Embedded Handbuch«, und schließlich, statt eines Nachworts, nimmt uns
• Werner Gill mit auf einen gedanklichen Streifzug und zeigt, dass jeder Ausgang auch ein Eingang ist.
Sabine Engelmann
GestaltCoaching – eine Begriffserklärung
Vorbemerkung1
Im Grunde ist »GestaltCoaching« eine begriffliche Zumutung. Ein Kunstwort, zusammen gesetzt aus einem Teil Jargon, der die Herkunftsbezeichnung »Gestalttherapie« salopp verkürzt2 und einem zweiten Teil des in aller (Berater-) Munde geführten Begriffs »Coaching«, der inzwischen für alle möglichen Formen von Beratung herhalten muss. Weshalb ich trotz dieser Zumutung den Begriff verwenden werde, will ich im Folgenden kurz begründen.
Neben der einerseits von Isadore From kritisch angemahnten plump-vertraulichen Verkürzung zu »Gestalt« ergeht es der Gestalttherapie andererseits ähnlich wie der Systemtheorie, auf die in Begriffen wie »systemisches Management«, »systemisches Denken« oder »systemisches Coaching« verwiesen wird. In seiner »Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus« schreibt Fritz Simon:
»Allerdings, das sei hier angemerkt, ist die in der Begrifflichkeit enthaltene Art der Zuschreibung der Eigenschaft ›systemisch‹ zu Handlungen problematisch. Denn Handlungen ›an sich‹ können zwar bestimmte Wirkungen haben oder auf Motive zurückzuführen sein, die der Beobachter dann auch bewerten kann, aber sie ›sind‹ genauso wenig systemisch wie sie katholisch oder grün ›sind‹. (…) Ganz anders sieht es bei der Begründung oder Erklärung von Handlungen aus. Sie können in dem Sinne systemisch sein, dass sie aus systemtheoretischen Überlegungen abgeleitet werden.«3
Wollte man das GestaltCoaching also korrekt bezeichnen, müsste man es »Gestalttherapeutisches Coaching« oder »Coaching nach Ansätzen der Gestalttherapie« nennen, womit wohl mehr Verwirrung gestiftet würde als Klärung. Schließlich geht es im Coaching, wie wir noch sehen werden, eben nicht um Therapie. Aufgrund dieses Dilemmas werde ich die Bezeichnung »GestaltCoaching« verwenden, die zudem kurz und griffig klingt.
Auch GestaltCoaching ist in erster Linie Coaching, das heißt, eine spezifische Form von Einzelberatung. Damit aus Coaching »GestaltCoaching« wird, reicht es meines Erachtens nicht, das Wörtchen »Gestalt« vor das Coaching zu setzen und damit anzudeuten, dass im Laufe dieses Coachings Methoden oder Konzepte der Gestalt(therapie) zur Anwendung kommen.4 Es braucht auch mehr als einen Gestalttherapeuten, eine Gestaltberaterin oder einen Gestaltorganisationsberater, die oder der dem Coaching quasi durch bloße Anwesenheit zu »Gestalt«-Qualität verhilft.5
Sowohl zu Gestaltberatung, Gestaltpädagogik, Gestaltsupervision und auch zum Gestaltansatz in der Organisationsberatung gibt es Literatur, die sich mit dem Was und Wie dieser Beratungsformen auseinandersetzt.6 Viele in Gestalttherapie ausgebildete Berater coachen seit vielen Jahren erfolgreich, ohne das, was sie tun, GestaltCoaching zu nennen. Mit der aufkommenden Popularität des Beratungsformats Coaching, das mit Prestige und gutem Verdienst lockt oder zumindest modern klingt, drängen immer mehr beratend oder trainierend Tätige auf den Markt, weshalb es inzwischen eine große Anzahl von Coaching-Fortbildungen gibt. Unterscheidung und Marketing werden damit wichtiger, und so ist vielen dieser Ausbildungen ein »systemisches«, »interaktives«, »relationales« oder eben »Gestalt« vorangestellt.
Das IGW, das Institut für integrative Gestalttherapie Würzburg, bietet seit 2004 eine zwölftägige Fortbildung »Systemisches GestaltCoaching«7 an, die seither ein bis zwei Mal im Jahr durchgeführt wird. Von 2006 bis 2014 habe ich diese Fortbildung geleitet, und seitdem beschäftige ich mich mit der Frage: Was ist »GestaltCoaching«?
Im Laufe der Jahre habe ich einige Antworten auf diese Frage gefunden und will im Folgenden die aus meiner Sicht zentralen theoretischen Konzepte der Gestalttherapie vorstellen, die aus Coaching GestaltCoaching machen können. Dabei lasse ich mich von der nur scheinbar banalen Feststellung leiten, dass auch GestaltCoaching in erster Linie Coaching ist. Das heißt, dass es für eine ganze Reihe von Merkmalen eines Coachings bereits Definitionen und/oder Beschreibungen gibt, die ich weder ohne Not aufgeben noch mit akademischen Verrenkungen in ein »Gestalttherapie«-Kleid zwängen möchte.
Was ist Coaching?
Zweifellos: Coaching ist ›in‹. Was noch vor einigen Jahren Beratung hieß, ist heute Coaching. Während man aber beim »Gesundheits-Coaching«, beim »Fitness-Coaching« und beim »Coaching« im Life-Style- und Esoterik-Bereich leicht merkt, dass sich jemand hier den schicken Begriff mit seinen positiven Konnotationen umgehängt hat, stiftet das »Coaching« im Organisationskontext Verwirrung, wenn es plötzlich die altehrwürdigen und etablierten Begriffe wie ›Team- und Organisationsentwicklung‹ oder ›Training‹ ablöst.8
Wenn ich den Begriff ›Coaching‹ verwende, bezeichne ich damit eine zeitlich begrenzte, personenbezogene Einzelberatung von Menschen in Organisationen, die sich vorrangig mit Themen beschäftigt, die dort entstehen, wo ›Mensch‹ auf ›Organisation‹ trifft. Dabei können die Anlässe und Themen für ein Coaching unterschiedlich nah an den jeweiligen Polen ›Mensch‹ und ›Organisation‹ angesiedelt sein, aber nie nur an einem der beiden Pole.9 Das heißt, selbst die persönlichsten Anliegen werden im Coaching nur über ihre Bedeutung im oder für den Organisationskontext relevant und bearbeitet, ebenso wie die strategischen oder administrativen Belange der Organisation nur über ihre Auswirkungen auf die Person und ihre Funktion in der Organisation thematisiert werden.
Damit diese Form der Beratung ihre größte Wirksamkeit entfalten kann, wird sie sinnvoller Weise von externen Beratern ausgeführt, die über eine, wie Christopher Rauen das nennt, »Schnittfeldqualifikation« verfügen. Externe Berater, weil die Nicht-Zugehörigkeit zur Organisation sowohl den größeren Interventionsspielraum10 gewährleistet als auch reizvolle Andersartigkeit in die Organisation bringt und damit Lernen und Veränderung erleichtert.11 Schnittfeldqualifikation, weil Coaching mit Theorien und Methoden aus zwei sehr unterschiedlichen Bereichen arbeitet, nämlich mit denen der Humanwissenschaft (Psychologie, Pädagogik, Philosophie) und denen der Management- und Organisationstheorie und -praxis. Das macht Coaching zu einem komplexen »Beziehungsgeschehen der besonderen Art.«12
Erhöht wird diese Komplexität noch dadurch, dass der Auftraggeber für das Coaching inzwischen häufig nicht mehr der oder die ›Zu-Coachende‹13 ist, sondern die Organisation selbst, zumeist vertreten durch die Personal(entwicklungs)abteilung und die Führungskraft des Coachee. Diese Situation gestalten zu können und sich innerhalb des Dreiecks-Kontrakts und seinen Implikationen für die Zusammenarbeit zu bewegen, ist eine Anforderung an den Coach, die häufig unterschätzt wird. Stärker als in anderen Beratungsformaten ist der Coach hier damit konfrontiert, Mitgestalter und Prozessverantwortlicher einer Personalentwicklungsmaßnahme zu sein, die im Spannungsfeld