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Existenzielle Psychotherapie. Irvin D. YalomЧитать онлайн книгу.

Existenzielle Psychotherapie - Irvin D. Yalom


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für den normalen Prozess der Affektverteilung verfügbar waren. Der eingeklemmte Affekt blieb jedoch mit frischer Stärke im Unbewussten bestehen und fand einen bewussten Ausdruck durch Konversion in körperliche Symptome (daher »Konversionshysterie«).

      Die Implikationen für die Behandlung sind klar: Man muss den Patienten befähigen, das Trauma zu erinnern und dem eingeklemmten Affekt Ausdruck zu verleihen. Freud und Breuer verwandten Hypnose, und später benutzte Freud die freie Assoziation, um den Patienten zu helfen, die Erinnerung an die ursprüngliche Kränkung wiederzugewinnen und den Affekt verbal und verhaltensmäßig auszudrücken.

      Freuds Spekulationen über den Aufbau und die Verteilung von Affekten über die Bildung von Symptomen und über ein System der Therapie, das auf diesen Annahmen beruht, sind von entscheidender Bedeutung und kündigen viel von der dynamischen Theorie und Therapie, die ihm folgte, an. Am relevantesten für meine Diskussion ist Freuds Ansicht über die Quelle des dysphorischen Affekts – das Wesen des ursprünglichen Traumas. Die Theorie der Symptome und der therapeutische Ansatz bleiben im gesamten Text konsistent. Aber Freuds Beschreibung des Wesens des Traumas, das für die Symptome verantwortlich ist, erlebt eine faszinierende Evolution vom ersten bis zum letzten Patienten. (In seiner Einführung stellt er fest, »Ich kann niemandem, der an der Entwicklung der Katharsis in der Psychoanalyse interessiert ist, einen besseren Rat geben, als mit den Studien über Hysterie zu beginnen und damit dem Weg zu folgen, den ich selbst bereitet habe.«)85

      In den ersten Fällen des Buches scheinen die Traumata trivial zu sein: Es strapaziert die Glaubwürdigkeit, dass der tief greifend neurotische Zustand einer Person daher rühren könnte, dass er von einem bösartigen Hund gejagt wurde86 oder dass er von einem Arbeitgeber mit einem Stock geschlagen wurde; oder dass man entdeckt, dass das Dienstmädchen dem Hund erlaubt hat, Wasser aus seinem Glas zu trinken,87 oder dass man in seinen Arbeitgeber verliebt ist und dessen ungerechte Vorwürfe erleiden muss.88 Im Weiteren werden die Erklärungen von Falltraumata im Buch Freuds immer verwirrender in ihrer Ausgeklügeltheit: Er glaubte schließlich, dass seine Patienten von archetypischen Sorgen verfolgt wurden, die es wert gewesen wären, von einem griechischen Tragödienschreiber festgehalten zu werden – Hass auf Kinder (da sie die Fähigkeit einer Frau zur Versorgung ihres sterbenden Ehemanns anzweifelten)89, inzestuöse Handlungen mit einem Elternteil,90 das Miterleben einer Zeugungsszene91 und die Freude (gefolgt von Schuldgefühlen) bei dem Tod einer Schwester, deren Ehemann die Patientin liebte.92 Diese letzteren Fälle, die Fußnoten und Freuds Briefe93 legen alle Zeugnis ab von der unbeirrbaren Richtung in Freuds Denken über die Quelle der Angst: (1) Er verschob die Zeit des »wirklichen« Traumas, das für die Angst verantwortlich war, allmählich in eine frühere Periode im Leben; und (2) kam er zu der Ansicht, dass das Wesen des Traumas ausdrücklich und ausschließlich sexuell sei.

      Freuds Nachsinnen über die emotionalen Traumata seiner fünf Patienten entwickelte sich allmählich zu einer formalen Theorie der Angst. Angst war ein Signal für antizipierte Gefahr; die Angst wurde früh im Leben gesät, wenn ein bedeutsames Trauma eintrat: Die Erinnerung des traumatischen Ereignisses wurde verdrängt und der dazugehörige Affekt in Angst verwandelt. Die Erwartung der Wiederkehr des Traumas oder einer analogen Gefahr konnte die Angst erneut hervorrufen.

      Welche Art von Trauma? Welche Ereignisse sind so grundlegend bösartig, dass ihre Echos einen Menschen sein ganzes Leben lang hindurch verfolgen? Freuds erste Antwort hob die Bedeutung des Affekts der Hilflosigkeit hervor. »Angst ist die ursprüngliche Reaktion auf Hilflosigkeit im Trauma, die dann später in der Gefahrsituation als Hilfssignal reproduziert wird.«94 Dann besteht die Aufgabe darin zu bestimmen, welche Situationen Hilflosigkeit hervorrufen. Da das Thema der Angst das Herzstück psychoanalytischer Theorie ist, und da Freud während seiner gesamten Laufbahn die grundlegende Theorie beliebig änderte, ist es nicht überraschend, dass es viele Aussagen über Angst gibt, dass sie vielfältig sind und teilweise widersprüchlich.95 Zwei primäre Ursprünge der Angst überleben die rastlosen Veränderungen durch Freud: der Verlust der Mutter (Verlassenheit und Trennung) und der Verlust des Phallus (Kastrationsangst). Andere Quellen schließen das Über-Ich oder die moralische Angst ein, die Furcht vor den eigenen selbstzerstörerischen Tendenzen und die Furcht vor Ich-Verlust – die Furcht, von den dunklen irrationalen Mächten der Nacht, die in uns wohnen, überwältigt zu werden.

      Obwohl Freud oft andere Quellen der Angst erwähnte, legte er seine Hauptbetonung auf Verlassenheit und Kastration. Er glaubte, dass diese beiden psychischen ›Katzenjammer-Kids‹ uns in immer neuer Verkleidung unser ganzes waches Leben lang verfolgen, und in unserem Schlaf die Nahrung für unsere zwei üblichen Albträume liefern: des Fallens und des Gejagt-Werdens. Freud, der immer ein Archäologe war und immer nach noch grundlegenderen Strukturen suchte, weist darauf hin, dass Kastration und Trennung eine gemeinsame Eigenschaft haben: Verlust – Verlust der Liebe, Verlust der Fähigkeit, sich mit der Mutter zu vereinigen. Chronologisch gesehen kommt die Trennung zuerst, da sie schon in der Tatsache des Geburtstraumas – des ersten Moments im Leben – angelegt ist; aber Freud entschied sich dafür, die Kastration als die gattungsmäßig primäre Quelle der Angst zu betrachten. Die frühe Trennung, so behauptete er, programmiert die Person für die Kastrationsangst, die die früheren Angsterfahrungen einschließt, sobald sie sich entwickelt.

       Wenn man die Datengrundlage (das Fallmaterial der Patienten in den Studien über Hysterie), aus dem Freuds Schlussfolgerungen über Angst und Trauma hervorgehen, betrachtet, ist man von der erstaunlichen Diskrepanz zwischen den Fallgeschichten und Freuds Schlussfolgerungen und Formulierungen beeindruckt: Der Tod durchdringt die klinischen Geschichten dieser Patienten so sehr, dass Freud ihn nur mit einer übermäßigen Anstrengung der Unachtsamkeit in seinen Ausführungen über die Traumata des Fallens herauslassen konnte. Von den fünf Patienten werden zwei nur kurz diskutiert. (Eine Patientin, Katarina, Freuds Kellnerin in einem Ferienort, wurde in einer einzigen Sitzung behandelt.) Die drei Hauptpatientinnen – Anna O., Frau Emmy von N. und Fräulein Elisabeth von R. (die ersten dynamischen Fallberichte in der psychiatrischen Literatur) – sind insofern bemerkenswert, als ihre klinischen Beschreibung vor Anspielungen auf den Tod nur so überströmen. Wahrscheinlich hätte Freud darüber hinaus sogar noch mehr Material über das Todesthema hervorgelockt und berichtet, wenn er an der Todesangst besonders interessiert gewesen wäre.

      Anna O.s Krankheit beispielsweise entwickelte sich zuerst, als ihr Vater krank wurde (und er erlag dieser Krankheit zehn Monate später). Sie pflegte ihn zunächst unermüdlich; aber schließlich führte ihre Krankheit, die aus bizarr veränderten Bewusstseinszuständen, Amnesie, linguistischer Desorganisation, Anorexie und Konversionssymptomen der Sinne und Muskeln bestand, dazu, dass sie von ihrem sterbenden Vater ferngehalten wurde. Während des folgenden Jahres verschlimmerte sich ihr Zustand sehr. Breuer bemerkte Anna O.s ständige Besorgnis über den Tod. Beispielsweise kommentierte er, dass, obwohl sie bizarre und rasch wechselnde Störungen des Bewusstseins hatte, »das Bewusstsein davon, dass der Vater gestorben sei, (…) meist doch zu bestehen [schien].«96

      Während Breuers Hypnosearbeit mit Anna O. hatte sie erschreckende Halluzinationen, die in Verbindung mit dem Tod ihres Vaters standen. Während sie ihn gepflegt hatte, war sie einmal ohnmächtig geworden, als sie sich einbildete, dass sie ihn mit einem Totenkopf sah. (Während der Behandlung schaute sie einmal in den Spiegel und sah nicht sich selbst, sondern ihren Vater mit einem Totenkopf, der sie anstarrte.) Bei anderer Gelegenheit halluzinierte sie eine schwarze Schlange, die ihren Vater gerade angriff. Sie versuchte, gegen die Schlange zu kämpfen, aber ihr Arm war eingeschlafen, und sie halluzinierte, dass ihre Finger sich in Schlangen verwandelten und jeder Fingernagel zu einem winzigen Totenkopf wurde. Breuer hielt diese Halluzinationen, die von ihrem Todesschrecken ausgingen, für die grundlegende Ursache ihrer Krankheit: »Am letzten Tage [der Behandlung] reproduzierte sie mit der Nachhilfe, dass sie das Zimmer so arrangierte, wie das Krankenzimmer ihres Vaters gewesen war, die oben erzählte Angsthalluzination, welche die Wurzel der ganzen Erkrankung gewesen war.«97

      Frau Emmy von N. entwickelte ihre Krankheit, wie Anna O., unmittelbar nach dem Tod des Menschen, dem sie am nächsten stand – ihres Ehemannes. Freud hypnotisierte Frau Emmy von N. und fragte nach wichtigen Assoziationen. Sie rasselte eine Litanei von Erinnerungen herunter, die in Beziehung


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