Coaching und Selbstcoaching mit Transaktionsanalyse. Günther MohrЧитать онлайн книгу.
immer größere Verbreitung.
Ich definiere Coaching als eine professionelle Entwicklung, in der ein Coachee bezüglich seines persönlichen Handelns und Erlebens im Beruf mithilfe professioneller Coachingtechniken unterstützt wird. Dies kann eine andere Person als Coach tun. Bis zu einem gewissen Grade kann und sollte jeder Profiaber den eigenen Coach in sich entwickeln.
Ein professioneller Coach gestaltet in einem beratenden Lernkontext eine zeitweise Entwicklungsbegleitung und initiiert in Lehr- und Lernsituationen passende Impulse für den Coachee. Im Rahmen einer vereinbarten spezifischen Coachingzielsetzung steuert der Coach die Entwicklung über die Beratung, Begleitung, Reflexion und Unterstützung relevanten Handelns, Denkens und Fühlens.
Wenn Sie sich selbst coachen, dann sind Sie Coach und Coachee in einem. Dies setzt vor allem die Fähigkeit voraus, sich selbst mit Abstand zu betrachten. Denn es gilt, in eine Selbstbeobachterposition zu gehen und genau zu analysieren, was man braucht. Viele werden sagen, das ist gar nicht möglich. Aber auch das Ziel des Coachings mit einer anderen Person als Coach ist das Erlernen des Selbstcoachings. Warum also nicht gleich damit beginnen? Inwieweit Sie sich selbst coachen können, hängt von ihrem Lerntyp ab: Wie gehen Sie mit sich selbst beim Lernen um? Wie erfahren sind Sie mit sich selbst als eigener Lernbegleiter? Wer bei diesen Fragen Zweifel hat, ob er selbst eine positive Haltung und entsprechende Erfahrung in der Selbstentwicklung hat, sollte auf jeden Fall einen professionellen Coach konsultieren.
Coaching hilft Lösungen zu finden, die die Entwicklung des Coachee fördern. Es sind nicht immer vorher völlig unbekannte Lösungen. Aber die Lösungen werden erst durch den Kontakt und die Beziehung im Coaching erkannt. Denn die Basis des Coachings ist eine spezifische Beziehung aus Kompetenz und Vertrauen. Auf ihrer Grundlage können Coach und Coachee einen Fokus wählen und Entwicklungsschritte dafür ermöglichen. Der Coachee entscheidet, was er tatsächlich umsetzt und als Transfer realisiert. Der Coach entscheidet über die Methoden und die Konzepte, die den Prozess unterstützen. So wird persönlich-professionelle Entwicklung bei Erwachsenen ermöglicht.
Der Deutsche Berufsverband Coaching definiert Coaching als die »Professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs- und Steuerungsfunktionen und von Experten in Organisationen« (DBVC, 2007, S. 19). Daüber hinaus sieht der DBVC Coaching »auch auf die entsprechenden sozialen Gruppen und organisationalen Systeme« gerichtet. »Sowohl im Einzel- wie auch im Mehrpersonen-Coaching wird dieser soziale und organisationale Kontext immer berücksichtigt« (ebenda).
Der Entwicklungsfokus des Coachings kann in unterschiedlichen Bereichen liegen:
• Persönliche Entwicklung (z.B. Übernahme einer Führungsrolle),
• Methoden und Vorgehensweisen (z.B. »Technik« der Leistungsbeurteilung),
• Konzepte und Theorien (z.B. der transformationale Führungsstil),
• Kontext, Einordnung und Vernetzung (z.B. vertikale Teamstrukturen).
Die Entwicklungsfelder des Coachings beziehen sich auf
• Einzelfallsituationen im Arbeitsleben (z.B. Projekte managen oder mit schwierigen Situationen umgehen),
• Rollen und Beziehungen im beruflichen Kontext (z.B. Veränderungen und neue Rollen annehmen, Beziehungen zu Kunden oder organisatorische Veränderungen gestalten),
• Persönliche Auswirkungen der beruflichen Tätigkeit (z.B. eigene persönliche Ressourcen managen, Work-Private Life-Balance leben).
1.2 Der persönliche Nutzen
Respekt und Selbststeuerung
Interesse und Respekt gegenüber Menschen und ihrer persönlichen Lebensgestaltung sind der Schlüssel zum Erfolg. Dies gilt für die Beziehung zwischen einer Führungskraft und ihren Mitarbeitern und dies gilt auch für eine Coachingbeziehung. Coaching ist weit mehr als die Anwendung von einigen in Abendkursen erlernten Kommunikationstechniken. Coaching ist eine Haltung, eine Einstellung, die eine hohe übergeordnete Professionalisierung erfordert. Technik und Haltung wirken nur zusammen, nicht allein. Im Folgenden habe ich daher versucht, die aus meiner Sicht wesentlichen Aspekte, die Coaching heute ausmachen und die es erfolgreich machen, darzustellen.
Coaching wird in Unternehmen oft mit dem Ziel der Leistungssteigerung eingesetzt. Ein unmittelbarer, direkter Effekt auf das Verhalten eines Menschen ist jedoch nicht möglich. Die moderne Neurobiologie hat dies mit dem Satz »Es gibt keine instruktive Interaktion« beschrieben. Der Mensch bestimmt als lebendes System immer selbst, was er aus Impulsen von außen macht. Er lässt sich nicht direkt linear instruieren oder umstrukturieren. Der Mensch ist keine Maschine. Selbst wenn er sich als abhängig Beschäftigter in Unternehmen bei Vielem anpassen muss, ist er ein sich selbst steuerndes, lebendes System und entscheidet über sein Verhalten, auch sein Leistungsverhalten selbst. Wir wissen aus der modernen Kommunikationsforschung, dass ca. 80 Prozent der kommunikativen Inhalte im Empfänger der Kommunikation gebildet werden. Erst der interne Verarbeitungsprozess des Coachee schafft den relevanten Inhalt sowie den Willen und die Fähigkeit zur Veränderung.
Integrierte Personalität
Aus der Erkenntnis der Selbststeuerung jedes lebenden Systems gilt, dass Coaching effektiv ist, wenn es dem Coachee ein Mehr an integrierter Personalität gibt.
Achtsamkeit ist das Gewahrsein dessen, was aktuell passiert. Es betrifft die wesentlichen Aspekte, die zurzeit im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Dies beinhaltet auch die Bewusstheit über den Kontext. Nur mit Bewusstheit sind viele Lernprozesse möglich. Zur Achtsamkeit zählt auch die Selbst-Bewusstheit in dem Sinne, dass man sein eigenes »Persönlichkeitskostüm«, d.h. die eigenen Gewohnheitsmuster, für normale Situationen wie auch für Stresssituationen, kennt. Achtsamkeit bedeutet nicht verklärtes Selbstbewusstsein. Dies bedeutet Abstand zu den eigenen Mustern. So tendiert man im Zweifelsfall auch eher zur bescheideneren Variante des Sich-selbst-Sehens.
Flexibilität bedeutet, dass der Mensch auf nicht nur eine Weise des Verhaltens oder einen Ausgang der Situation festgelegt ist. Es gibt eine Art Wahlmöglichkeit, die der Tatsache Rechnung trägt, dass es manchmal anders kommt, als man erwartet und dass es nicht immer nur der eine Weg sein muss. Die Realität lebender Humansysteme, ob einzelner Menschen, Gruppen oder Organisationen, ist immer auch die nicht endgültige Überschaubarkeit der relevanten Einflussfaktoren und Szenarien. Darauf ist Flexibilität die Antwort. Zur Flexibilität tragen beispielsweise auch verarbeitete Erfahrungen des Scheiterns bei.
Abb. 1: Persönlicher Nutzen integrierter Personalität
Integrierte Personalität ist durch Achtsamkeit, Flexibilität, Beziehungsfähigkeit und deren Integration charakterisiert.
Beziehungsfähigkeit ist die Fähigkeit, mit anderen Menschen und mit Themen in eine der Situation angemessene Beziehung zu treten. Dies enthält Kontaktfähigkeit, das heißt, die Lust mit Menschen in Kontakt zu treten und die Fähigkeit für beide Seiten erfüllende Beziehungen herzustellen. Vielfach liegt im Organisationskontext eine Beziehungskonstellation aus mehreren Menschen und Themen vor. Dies erfordert die Kompetenz zu balancierten Beziehungen.
Integration ist die vierte Disziplin. Erst wenn Achtsamkeit, Flexibilität und Beziehungsfähigkeit zusammenwirken, ist ein tatsächlich schöpferischer Prozess möglich. Dann kann man von einem Professionalisierungsfortschritt sprechen, der wenig mit vorgestanzten Lösungen gemein hat.
Ein Teil der integrierten Personalität ist Autonomie, Freisein von Einschränkungen, die für die aktuelle Situation nicht angemessen sind. Dies hat Eric Berne, der Begründer der Transaktionsanalyse, als Ziel formuliert (Berne, 1972). Ein anderer Teil besteht im Sich-Entwickeln. Die Coaches Bernd Schmid und Joachim Hipp sprechen hier von »professioneller Individuation«