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Die Frage der Laienanalyse. Sigmund FreudЧитать онлайн книгу.

Die Frage der Laienanalyse - Sigmund Freud


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wird!«

      Ich hoffe, nicht. Sie werden sich bald zurechtfinden. Also wir nehmen an, daß die Kräfte, welche den seelischen Apparat zur Tätigkeit treiben, in den Organen des Körpers erzeugt werden als Ausdruck der großen Körperbedürfnisse. Sie erinnern sich an das Wort unseres Dichterphilosophen: Hunger und Liebe. Übrigens ein ganz respektables Kräftepaar! Wir heißen diese Körperbedürfnisse, insoferne sie Anreize für seelische Tätigkeit darstellen, Triebe, ein Wort, um das uns viele moderne Sprachen beneiden. Diese Triebe erfüllen nun das Es, alle Energie im Es, können wir abkürzend sagen, stammt von ihnen. Die Kräfte im Ich haben auch keine andere Herkunft, sie sind von denen im Es abgeleitet. Was wollen nun die Triebe? Befriedigung, das heißt die Herstellung solcher Situationen, in denen die Körperbedürfnisse erlöschen können. Das Herabsinken der Bedürfnisspannung wird von unserem Bewußtseinsorgan als lustvoll empfunden, eine Steigerung derselben bald als Unlust. Aus diesen Schwankungen entsteht die Reihe von Lust-Unlustempfindungen, nach der der ganze [30]seelische Apparat seine Tätigkeit reguliert. Wir sprechen da von einer »Herrschaft des Lustprinzips«.

      Es kommt zu unerträglichen Zuständen, wenn die Triebansprüche des Es keine Befriedigung finden. Die Erfahrung zeigt bald, daß solche Befriedigungssituationen nur mit Hilfe der Außenwelt hergestellt werden können. Damit tritt der der Außenwelt zugewendete Anteil des Es, das Ich, in Funktion. Wenn alle treibende Kraft, die das Fahrzeug von der Stelle bringt, vom Es aufgebracht wird, so übernimmt das Ich gleichsam die Steuerung, bei deren Ausfall ja ein Ziel nicht zu erreichen ist. Die Triebe im Es drängen auf sofortige, rücksichtslose Befriedigung, erreichen auf diese Weise nichts oder erzielen selbst fühlbare Schädigung. Es wird nun die Aufgabe des Ichs, diesen Mißerfolg zu verhüten, zwischen den Ansprüchen des Es und dem Einspruch der realen Außenwelt zu vermitteln. Es entfaltet seine Tätigkeit nun nach zwei Richtungen. Einerseits beobachtet es mit Hilfe seines Sinnesorgans, des Bewußtseinssystems, die Außenwelt, um den günstigen Moment für schadlose Befriedigung zu erhaschen, anderseits beeinflußt es das Es, zügelt dessen »Leidenschaften«, veranlaßt die Triebe, ihre Befriedigung aufzuschieben, ja, wenn es als notwendig erkannt wird, ihre Ziele zu modifizieren, oder sie gegen Entschädigung aufzugeben. Indem es die Regungen des Es in solcher Weise bändigt, ersetzt es das früher allein maßgebende Lustprinzip durch das sogenannte Realitätsprinzip, das zwar dieselben Endziele verfolgt, aber den von der realen Außenwelt gesetzten Bedingungen Rechnung trägt. Später lernt das Ich, daß es noch einen anderen Weg zur Versicherung der Befriedigung gibt als die beschriebene Anpassung an die [31]Außenwelt. Man kann auch verändernd in die Außenwelt eingreifen und in ihr absichtlich jene Bedingungen herstellen, welche die Befriedigung ermöglichen. Diese Tätigkeit wird dann zur höchsten Leistung des Ichs; die Entscheidungen, wann es zweckmäßiger ist, seine Leidenschaften zu beherrschen und sich vor der Realität zu beugen, oder ihre Partei zu ergreifen und sich gegen die Außenwelt zur Wehr zu setzen, sind das Um und Auf der Lebensklugheit.

      »Und läßt sich das Es eine solche Beherrschung durch das Ich gefallen, wo es doch, wenn ich Sie recht verstehe, der stärkere Teil ist?«

      Ja, es geht gut, wenn das Ich seine volle Organisation und Leistungsfähigkeit besitzt, zu allen Teilen des Es Zugang hat und seinen Einfluß auf sie üben kann. Es besteht ja keine natürliche Gegnerschaft zwischen Ich und Es, sie gehören zusammen und sind im Falle der Gesundheit praktisch nicht voneinander zu scheiden.

      »Das läßt sich alles hören, aber ich sehe nicht, wo sich in diesem idealen Verhältnis ein Plätzchen für die Krankheitsstörung findet.«

      Sie haben recht; solange das Ich und seine Beziehungen zum Es diese idealen Anforderungen erfüllen, gibt es auch keine nervöse Störung. Die Einbruchsstelle der Krankheit liegt an einem unerwarteten Ort, obwohl ein Kenner der allgemeinen Pathologie nicht überrascht sein wird, bestätigt zu finden, daß gerade die bedeutsamsten Entwicklungen und Differenzierungen den Keim zur Erkrankung, zum Versagen der Funktion, in sich tragen.

      »Sie werden zu gelehrt, ich verstehe Sie nicht.«

      Ich muß ein bißchen weiter ausholen. Nicht wahr, das kleine Lebewesen ist ein recht armseliges, ohnmächtiges [32]Ding gegen die übergewaltige Außenwelt, die voll ist von zerstörenden Einwirkungen. Ein primitives Lebewesen, das keine zureichende Ichorganisation entwickelt hat, ist all diesen »Traumen« ausgesetzt. Es lebt der »blinden« Befriedigung seiner Triebwünsche und geht so häufig an dieser zugrunde. Die Differenzierung eines Ichs ist vor allem ein Schritt zur Lebenserhaltung. Aus dem Untergang läßt sich zwar nichts lernen, aber wenn man ein Trauma glücklich bestanden hat, achtet man auf die Annäherung ähnlicher Situationen und signalisiert die Gefahr durch eine verkürzte Wiederholung der beim Trauma erlebten Eindrücke, durch einen Angstaffekt. Diese Reaktion auf die Wahrnehmung der Gefahr leitet nun den Fluchtversuch ein, der so lange lebensrettend wirkt, bis man genug erstarkt ist, um dem Gefährlichen in der Außenwelt in aktiverer Weise, vielleicht sogar durch Aggression zu begegnen.

      »Das ist alles sehr weit weg von dem, was Sie versprochen haben.«

      Sie ahnen nicht, wie nah ich der Erfüllung meines Versprechens gekommen bin. Auch bei den Lebewesen, die später eine leistungsfähige Ichorganisation haben, ist dieses Ich zuerst in den Jahren der Kindheit schwächlich und vom Es wenig differenziert. Nun stellen Sie sich vor, was geschehen wird, wenn dieses machtlose Ich einen Triebanspruch aus dem Es erlebt, dem es bereits widerstehen möchte, weil es errät, daß dessen Befriedigung gefährlich ist, eine traumatische Situation, einen Zusammenstoß mit der Außenwelt heraufbeschwören würde, den es aber nicht beherrschen kann, weil es die Kraft dazu noch nicht besitzt. Das Ich behandelt dann die Triebgefahr, als ob es eine äußere Gefahr wäre, es unternimmt einen Fluchtversuch, [33]zieht sich von diesem Anteil des Es zurück und überläßt ihn seinem Schicksal, nachdem es ihm alle Beiträge, die es sonst zu den Triebregungen stellt, verweigert hat. Wir sagen, das Ich nimmt eine Verdrängung dieser Triebregungen vor. Das hat für den Augenblick den Erfolg, die Gefahr abzuwehren, aber man verwechselt nicht ungestraft das Innen und das Außen. Man kann nicht vor sich selbst davonlaufen. Bei der Verdrängung folgt das Ich dem Lustprinzip, welches es sonst zu korrigieren pflegt, es hat dafür den Schaden zu tragen. Dieser besteht darin, daß das Ich nun seinen Machtbereich dauernd eingeschränkt hat. Die verdrängte Triebregung ist jetzt isoliert, sich selbst überlassen, unzugänglich, aber auch unbeeinflußbar. Sie geht ihren eigenen Weg. Das Ich kann zumeist auch später, wenn es erstarkt ist, die Verdrängung nicht mehr aufheben, seine Synthese ist gestört, ein Teil des Es bleibt für das Ich verbotener Grund. Die isolierte Triebregung bleibt aber auch nicht müßig, sie weiß sich dafür, daß ihr die normale Befriedigung versagt ist, zu entschädigen, erzeugt psychische Abkömmlinge, die sie vertreten, setzt sich mit anderen Vorgängen in Verknüpfung, die sie durch ihren Einfluß gleichfalls dem Ich entreißt, und bricht endlich in einer unkenntlich entstellten Ersatzbildung ins Ich und zum Bewußtsein durch, schafft das, was man ein Symptom nennt. Mit einem Male sehen wir den Sachverhalt einer nervösen Störung vor uns: ein Ich, das in seiner Synthese gehemmt ist, das auf Teile des Es keinen Einfluß hat, das auf manche seiner Tätigkeiten verzichten muß, um einen neuerlichen Zusammenstoß mit dem Verdrängten zu vermeiden, das sich in meist vergeblichen Abwehraktionen gegen die Symptome, die Abkömmlinge der verdrängten Regungen, [34]erschöpft, und ein Es, in dem sich einzelne Triebe selbständig gemacht haben, ohne Rücksicht auf die Interessen der Gesamtperson ihre Ziele verfolgen und nur mehr den Gesetzen der primitiven Psychologie gehorchen, die in den Tiefen des Es gebietet. Übersehen wir die ganze Situation, so erweist sich uns als einfache Formel für die Entstehung der Neurose, daß das Ich den Versuch gemacht hat, gewisse Anteile des Es in ungeeigneter Weise zu unterdrücken, daß dies mißlungen ist und das Es dafür seine Rache genommen hat. Die Neurose ist also die Folge eines Konflikts zwischen Ich und Es, in den das Ich eintritt, weil es, wie eingehende Untersuchung zeigt, durchaus an seiner Gefügigkeit gegen die reale Außenwelt festhalten will. Der Gegensatz läuft zwischen Außenwelt und Es, und weil das Ich, seinem innersten Wesen getreu, für die Außenwelt Partei nimmt, gerät es in Konflikt mit seinem Es. Beachten Sie aber wohl, nicht die Tatsache dieses Konflikts schafft die Bedingung des Krankseins, – denn solche Gegensätze zwischen Realität und Es sind unvermeidlich und das Ich führt unter seinen beständigen Aufgaben, in ihnen zu vermitteln, – sondern der Umstand, daß das Ich sich zur Erledigung des Konflikts des unzureichenden Mittels der Verdrängung


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