Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph HillebrandЧитать онлайн книгу.
wirksam vornehmen, auch wenn das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft (z.B. der Kaufvertrag) wegen seiner rechtlichen Nachteilhaftigkeit unwirksam ist (Trennungs- und Abstraktionsprinzip).
bb) Insb. rechtlich neutrale Geschäfte
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Diese Fallkonstellation beschreibt Geschäfte, in denen der beschränkt Geschäftsfähige über einen Gegenstand verfügt, der im Eigentum eines Dritten steht. Diese neutralen Geschäfte werden von der ganz h.M. unter den Anwendungsbereich des § 107 gestellt. Der Minderjährige soll hier nicht schutzbedürftig sein, denn sein Vermögen wird überhaupt nicht tangiert. Diese Annahme wird im Schrifttum durch den Rechtsgedanken des § 165 belegt. Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob der Dritte gutgläubig Eigentum an der durch den nichtberechtigten Minderjährigen veräußerten Sache erlangen kann. Die h.M. lässt einen gutgläubigen Erwerb zu. Die Minderheitsmeinung wendet dagegen ein, dass die §§ 932 ff. den Erwerber lediglich so stellen wollen, wie er stünde, wenn seine Vorstellungen richtig wären. In diesem Fall wäre der Minderjährige dann Eigentümer und könnte aufgrund von § 107 die dingliche Einigung gerade nicht wirksam erklären. Daraus folgt, dass gerade aus der Nichtberechtigung erst die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eröffnet würde. Aufgrund dessen sollten die §§ 929, 932 ff. in derartigen Fallkonstellationen teleologisch reduziert werden.
cc) Insb. Vertretung ohne Vertretungsmacht des beschränkt Geschäftsfähigen
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Wenn der Minderjährige ohne Vertretungsmacht handelt oder eine ihm übertragene Vertretungsmacht (vgl. § 165) überschreitet, haftet er ohne die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht, § 179 Abs. 3 S. 2. Der Geschäftspartner kann genausowenig auf die Vollmacht eines Minderjährigen vertrauen, wie er ansonsten auf die Geschäftsfähigkeit seines Vertragspartners vertrauen darf.
dd) Insb. Rechtsgeschäfte mit Einwilligung
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Beschränkt geschäftsfähige Minderjährige können nach § 107 mit Einwilligung der gesetzlichen Vertreter selbstständig rechtsgeschäftlich handeln. Zur vorherigen Zustimmung (Einwilligung gem. § 182) berechtigt sind die gesetzlichen Vertreter, grundsätzlich die Eltern gemeinschaftlich, §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1. Die Zustimmung ist eine formfreie (§ 182 Abs. 2) empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Erklärung hat entweder gegenüber dem Minderjährigen oder gegenüber seinem Vertragspartner zu erfolgen (§ 182 Abs. 1). Ferner ist auch eine Generaleinwilligung zu einem Kreis bestimmter noch nicht individualisierter Geschäfte möglich, z.B. die Einwilligung in den Abschluss aller im Zusammenhang mit einer Urlaubsreise erforderlichen Rechtsgeschäfte. Die Generaleinwilligung ist allerdings im Hinblick auf den Minderjährigenschutz eng auszulegen und darf nicht zu einer partiellen Geschäftsfähigkeit führen; auch dürfen nicht die Grenzen der §§ 112, 113 überschritten werden.
ee) Insb. teilweise unbeschränkte Geschäftsfähigkeit
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Gem. §§ 112, 113 sind beschränkt Geschäftsfähige für bestimmte Geschäfte als voll geschäftsfähig anzusehen. Für diese Fälle bedarf es einer besonderen Ermächtigung durch den gesetzlichen Vertreter beziehungsweise durch das Familiengericht. Es sind dies der selbstständige Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, § 112, oder ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis, § 113.
ff) Insb. Rechtsgeschäfte, die der Minderjährige mit seinem Taschengeld erfüllt
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Der sog. Taschengeldparagraf (§ 110) ist eine Vorschrift, nach der ein von einem Minderjährigen ohne die erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag wirksam ist, wenn der Minderjährige die vertragsgemäße Leistung mit eigenen Mitteln bewirkt. Nach der herrschenden Meinung ist § 110 eine Auslegungsregel zu § 107. Mit der Überlassung von Mitteln durch den gesetzlichen Vertreter an den Minderjährigen erteilt dieser dadurch konkludent die Einwilligung zur Vornahme des Rechtsgeschäfts. Voraussetzung für die Rechtsfolge des § 110 und damit die rückwirkende Wirksamkeit ist, dass der Minderjährige die Verpflichtung aus dem Geschäft tatsächlich bewirkt hat. Solange der Minderjährige z.B. den Kaufpreis nicht gezahlt hat, besteht eine schwebende Unwirksamkeit des Vertrages, der dann von der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter abhängt.
gg) Insb. nachträgliche Zustimmung (Genehmigung)
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Schließt der Minderjährige einen nicht lediglich rechtlich vorteilhaften zwei- oder mehrseitigen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, ist dieser Vertrag schwebend unwirksam, § 108 Abs. 1 (einseitige Rechtsgeschäfte des Minderjährigen, etwa eine Kündigung durch ihn, sind nach § 111 von vornherein unwirksam). Die gesetzlichen Vertreter sind völlig frei zu genehmigen (dann Wirksamkeit gem. § 184 Abs. 1) oder die Genehmigung zu verweigern, womit der Vertrag endgültig unwirksam wird. Der Geschäftspartner kann sie nach § 108 Abs. 2 zur Erklärung auffordern, welche sodann binnen zwei Wochen nach Empfang der Aufforderung abgegeben werden kann; mit Fristablauf gilt sie als endgültig verweigert (Schweigen gilt als Ablehnung). Alternativ kann der Dritte seinerseits nach § 109 Abs. 1 widerrufen, sofern keine Einschränkungen nach Abs. 2 vorliegen. Soweit ein vom Minderjährigen geschlossener Vertrag an seinem 18. Geburtstag noch schwebend unwirksam ist, kann auch der dann Volljährige selbst die Genehmigung erteilen, vgl. § 108 Abs. 3, ist darin aber ebenfalls völlig frei; eine fortgesetzte Benutzung des Vertragsgegenstands über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus stellt regelmäßig eine konkludente Genehmigung dar.
5. Zustandekommen von AGB-Verträgen
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Besonderheiten ergeben sich, wenn ein Vertrag einseitig durch standardisierte Inhalte (sofern sie rechtliche Regelungen enthalten!) ergänzt werden soll, die nicht lediglich das Gesetzesrecht wiederholen (vgl. § 307 Abs. 3). Häufiger Gegenstand solcher Klauseln sind z.B. Zahlungsfristen, Vorbehalte zu Material- oder Farbabweichungen, der Vorbehalt einer Selbstbelieferung, sei es als Rücktrittsvorbehalt oder auflösende Bedingung, aber auch Haftungsfreizeichnungen und Verjährungsfristen.
a) Bedeutung, Begriff und Abgrenzung zum Individualvertrag
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Allgemeine Geschäftsbedingungen sind in § 305 Abs. 1 definiert. Es sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen erleichtert und beschleunigt den Abschluss von Standardverträgen und passt sie an die besonderen Bedürfnisse des Verwenders an.
Es ist im Verhältnis B2C (Unternehmer zu Verbraucher) unerheblich, ob der Verwender selbst oder ein Dritter, etwa ein Notar, die Vertragsbedingungen in den Vertragstext einbringt (vgl. §§ 310 Abs. 3 Nr. 1, 305 Abs. 1 S. 3). Ebenso ist nicht erforderlich, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits zuvor verwendet wurden. Vielmehr genügt die Absicht, sie mehrfach zu verwenden und selbst dies ist bei B2C Geschäften entbehrlich (vgl. § 310 Abs. 3 Nr. 2).
§ 305b gibt im Einzelnen ausgehandelten Klauseln den Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen (so geht z.B. eine spätere mündliche Abrede als konkludenter Änderungsvertrag einer Schriftformklausel in AGB vor). Solche Individualabreden setzen die ernsthafte Möglichkeit der anderen Vertragspartei zu einer inhaltlichen Änderung der Bestimmung voraus.[29]
Schließlich gehen Unklarheiten bei der Auslegung von AGB nach § 305c Abs. 2 zu Lasten des Verwenders (verbraucherfreundliche Auslegung): Auszugehen ist vom Wortlaut jeder einzelnen Klausel, dem bei Missverständlichkeiten über seine Reichweite oder Bedeutung