Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph HillebrandЧитать онлайн книгу.
vom Urlaubsentgelt gem. § 11 BUrlG) normaler Zeitlohn mit Fälligkeit nach Zeitablauf. Leistungsprämien sind ein Zusatzentgelt nach den Grundsätzen des Akkordlohns und, soweit vertraglich vereinbart, normale Lohnbestandteile. Gleiches gilt für nach dem Unternehmenserfolg bemessene Tantiemezusagen, die vor allem bei leitenden Angestellten üblich sind, und für Provisionen, etwa aufgrund §§ 65 i.V.m. 87 ff. HGB bei angestellten Handelsvertretern (sog. Handlungsreisenden, vgl. §§ 59 ff. HGB).
c) Arbeitsrechtliche Besonderheiten
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Gratifikationen, auch freiwillig gezahlte, an Arbeitnehmer für geleistete oder noch zu leistende Dienste sind stets Lohnbestandteil (und somit nicht Schenkung). Ein Anspruch darauf kann aufgrund (tarif- oder einzel-)vertraglicher Vereinbarung oder aufgrund des Vertrauensschutzes bei freiwilliger, aber mindestens dreimaliger vorbehaltloser Gewährung durch den Arbeitgeber (betriebliche Übung) bestehen.[137] Ihre Bemessung und der Empfängerkreis müssen sich bei ihrer Vereinbarung wie bei freiwilliger Zahlung nach betrieblicher Gerechtigkeit und dem Gleichbehandlungsgrundsatz aller Arbeitnehmer orientieren,[138] Differenzierungen sachgerecht sein.
Weihnachtsgeld wird z.B. (auch) für geleistete Dienste zuerkannt, weshalb der volle Bezug zulässigerweise zumeist vom ganzjährigen Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses bis zu einem Stichtag abhängig gemacht wird. Auch vereinbarte oder auferlegte Rückzahlungspflichten bei künftigem Ausscheiden müssen dem Zweck der Gratifikation entsprechen. So ist bei Treueprämien, welche eine Bindung für die Zukunft bezwecken, eine begrenzte Rückforderungsmöglichkeit in Abhängigkeit von der Höhe der Treueprämie zur monatlichen Vergütung und dem Ausscheidenszeitpunkt angemessen. Scheidet ein Arbeitnehmer zum 31.3. des Folgejahrs einer gezahlten Weihnachtsgratifikation aus, kann diese in voller Höhe verfallen, bei besonders hohen Beträgen von weit über einem Monatsgehalt auch bis 30.9. Auch der Ausschluss von Beschäftigten in bereits gekündigtem Arbeitsverhältnis von der Gewährung von Treueprämien ist sachgerecht.[139]
3. Gefahrtragung
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Dienstleistung und Entgeltzahlung stehen im Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Abhängigkeit der Dienstleistung von den durch den Dienstherrn zu schaffenden Voraussetzungen bedingen dabei aber ebenso Abweichungen von der allgemeinen Regelung der Leistungsstörungen bei gegenseitigen Verträgen wie das ausgeprägte personenrechtliche Element.
a) Leistungsgefahr
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Die Leistungsgefahr trifft notwendig den Gläubiger. Sie bedeutet, Nachteile tragen zu müssen, die daraus entstehen, dass die Leistung aus Gründen, die kein Teil zu vertreten hat (Zufall), nicht erbracht werden kann. In solchen Fällen wird der Schuldner frei von seiner Leistungspflicht, und zwar nicht nur bei subjektiver oder objektiver Unmöglichkeit, sondern auch bei Unzumutbarkeit (vgl. §§ 275 Abs. 3 i.V.m. 613 S. 1).
Beispiel:
Die angestellte Schauspielerin muss bei akut lebensbedrohlicher Erkrankung ihres Kindes nicht auftreten, § 275 Abs. 3. Damit ist über ihren Entgeltanspruch für die Fehlzeiten jedoch nichts ausgesagt; diesen regeln §§ 326, 615, 616. In der Belassung der Vergütung liegt eine Absicherung von Dienstnehmern gegenüber werkvertraglich Verpflichteten.
Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses betreffen vielmehr die Entgelt-, also die Vergütungsgefahr. Die generelle Lösung, dass bei Freiwerden des Schuldners von seiner Leistungspflicht auch der Gläubiger von der Gegenleistung frei werde (§ 326 Abs. 1), widerspricht der Interessenlage beim Dienstvertrag in mehrfacher Hinsicht.
b) Betriebsrisiko
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So trägt der Dienstherr die Entgeltgefahr insb. aus dem Gesichtspunkt des Betriebsrisikos (vgl. § 615 S. 3). Dies stellt eine Form der Erfüllungsbehinderung dar, in der der Schuldner von sich aus leistungsbereit und leistungsfähig und der Gläubiger auch bereit ist, die Leistung entgegen zu nehmen, die Arbeitsvorrichtungen, die zu ihrer Erbringung notwendig sind, eine Benutzung jedoch nicht zulassen. Hier liegt kein Fall des Annahmeverzugs vor (§ 293), weil der Arbeitnehmer die geschuldete Leistung bereits nicht zweckentsprechend anbieten kann (vgl. § 294). Die Tragung der Vergütungsgefahr muss in solchen Fällen nach objektiven Verantwortungsbereichen abgegrenzt werden.
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Es sind dies namentlich Fälle der Störung in der Rohstoff- oder Energieversorgung. Zum Unternehmerrisiko gehören auch Störungen aus typischen Natureinwirkungen, wie z.B. durch steigendes Grundwasser in Folge anhaltender Regengüsse bei Bauarbeiten. Auch gezielte ordnungsbehördliche Eingriffe belassen dem Arbeitnehmer das Recht auf Vergütung.
Allgemeine Risiken wie Bahnstreiks, Verkehrsstauungen oder wetterbedingte Unterbrechungen von Verkehrsverbindungen, die den Arbeitnehmer auf seinem Weg zur Arbeit treffen, gehören hingegen ebensowenig zum Betriebsrisiko wie Folgen von Terroreinwirkungen.
Die Teilnahme an rechtmäßigen Arbeitsniederlegungen suspendiert die beiderseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses (Ausnahme: Einteilung zu Notdienstarbeiten), bei Teilnahme an rechtswidrigen Streiks entfällt der Lohnanspruch nach § 326 Abs. 1. Arbeitswillige Arbeitnehmer verlieren ebenfalls die Lohnansprüche, soweit ihre Arbeitsleistung aufgrund eines rechtmäßigen oder -widrigen Streiks nicht sinnvoll möglich ist („kampfparitätisch“ begründete Ausnahme zu § 615 S. 3 i.V.m. den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre); Gleiches gilt bei sog. Fernwirkungen von Streiks, die von einer anderen Produktionsstufe auch außerhalb des eigenen Unternehmens oder einer anderen Betriebsabteilung desselben Unternehmens ausgehend, den konkreten Arbeitsplatz betreffen (Einschränkung des BAG: Fernwirkung muss typischerweise Einfluss auf den Verlauf des Arbeitskampfes haben, also nur solidarische Risikotragung etwa aufgrund Betriebszugehörigkeit zum selben Arbeitgeberverband oder Konzern, Vorbildcharakter eines zu erstreikenden Tarifvertrags).
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In Fällen des Betriebsrisikos behält der Dienstverpflichte seinen Vergütungsanspruch, muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er an (Wege- etc.)Kosten erspart oder anderweitig erwirbt oder zumutbar erwerben könnte (§ 615 S. 3). Die Anrechnungspflicht wird bei betriebsgebundenen Arbeitnehmern kaum nennenswert zur Anwendung kommen können.
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Konsequenter Ausdruck dieser Risikoverteilung ist auch eine § 326 Abs. 2 ergänzende Besonderheit in § 615 für die Leistungsgefahr im Annahmeverzug (vgl. § 293) des Dienstberechtigten. Da der Dienstvertrag die zeitliche Verwertung der Arbeitskraft regelt, ist ein Nachholen stets ausgeschlossen. Der Arbeitnehmer schuldet keinen nachholbaren Erfolg, sondern den Einsatz von Zeit und könnte in der Folgeperiode bereits eine weitere Vergütung erwerben. Mit Zeitablauf tritt deshalb Unmöglichkeit ein (absolutes Fixgeschäft). Für diesen Fall belässt § 615 dem Arbeitnehmer die Vergütung (Annahmeverzugslohn). Der Dienstverpflichtete hätte keinen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber im unverschuldeten Annahmeverzug (etwa auf entgangenen Gewinn/Lohn, vgl. §§ 281 Abs. 1, 2, 280 Abs. 1, 252); der Annahmeverzug braucht, anders als der Schuldnerverzug (vgl. § 286 Abs. 4) nicht notwendig auf einem Verschulden zu beruhen (etwa wenn eine echte Mitwirkungshandlung des Dienstherrn geschuldet und unterblieben wäre).
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Relevant ist das z.B., wenn der vom Arbeitgeber gekündigte Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist (verständlicherweise) nicht weiterbeschäftigt wird, aber ein parallel angestrengter Kündigungsschutzprozesses später die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt; hatte hier der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft nach den §§ 294–297 ordnungsgemäß angeboten, behält er wegen § 615 S. 1 den Entgeltanspruch, während Schadensersatz auf den Lohn voraussetzte, dass der