Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph HillebrandЧитать онлайн книгу.
werden und die Arbeitnehmer übernommen werden, ist für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht relevant.[154] Nach der aktuellen Judikatur von BAG und EuGH ist die Beibehaltung der wirtschaftlichen Identität des Betriebes zwingende Bedingung eines Betriebsübergangs. Ein Betriebsteilübergang liegt dabei jedoch nur vor, wenn die übergegangenen Betriebsmittel bzw. Arbeitnehmer auch innerhalb des Veräußererbetriebs eine abgrenzbare organisatorische Einheit dargestellt hatten. Zu der Annahme eines Betriebsteilübergangs genügt es dann, wenn der Erwerber die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren bestehen lässt und so einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen kann.[155]
c) Rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang
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§ 613a gilt nur für einen Betriebsübergang, bei dem der Erwerber den Betrieb aufgrund eines Rechtsgeschäfts übernimmt. Die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ist nicht Bedingung; es gelten die Grundsätze des fehlerhaften Vertrags. § 613a ist ein Auffangtatbestand und erfasst alle Fälle der rechtsgeschäftlichen Betriebsnachfolge. Das gilt auch für Fälle der Gesamtrechtsnachfolge wie z.B. Umwandlungsvorgänge, etwa die Verschmelzung; ebenso die Anwachsung bei Personengesellschaften gem. § 738 Abs. 1; diese haben zwar gesetzliche Rechtsfolgen, beruhen aber auf rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen (Verschmelzungsvertrag; Austrittsvereinbarung).[156] Das Rechtsgeschäft muss nicht zwingend zwischen dem Betriebsinhaber und dem Erwerber geschlossen werden. Ferner muss der Erwerber auch nicht Eigentümer des Betriebes werden. Betriebliche Organisation und Leitungsmacht gehen auch im Falle der Verpachtung des Betriebes über.
Eine Anwendung des § 613a auf einen gesetzlichen Betriebsübergang ist ausgeschlossen.
Kein Betriebsübergang i.S.d. § 613a ist der Wechsel von Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft. Die gem. § 124 Abs. 1 HGB teilrechtsfähige Gesellschaft bleibt als Arbeitgeber bestehen. Ebenso verhält es sich bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Außengesellschaft, die einer Personengesellschaft entsprechende Teilrechtsfähigkeit besitzt.
d) Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers, Unterrichtungspflicht
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Der Eintritt des Erwerbers in die bestehenden Arbeitsverhältnisse setzt nicht die Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers voraus. Nach § 613a Abs. 6 hat der Arbeitnehmer aber das Recht, innerhalb eines Monats nach Unterrichtung über den Betriebsübergang (vgl. § 613a Abs. 5) schriftlich einen Widerspruch zu erklären. Die Monatsfrist des § 613a Abs. 6 beginnt erst nach formal und inhaltlich fehlerfreier Unterrichtung zu laufen; auf Kausalität des Unterrichtungsfehlers für die Widerspruchsentscheidung des Arbeitnehmers kommt es nicht an. Der Widerspruch ist gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber als auch gegenüber dem Erwerber des Betriebs möglich. Widerspricht der Arbeitnehmer, bleibt sein bisheriges Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer bestehen. Dieser kann sodann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes betriebsbedingt kündigen.
Bei Betriebsübergängen mit der Rechtsfolge des Erlöschens des früheren Rechtsträgers (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG; ebso bei der Anwachsung einer Personengesellschaft an einen Gesellschafter gem. § 738 Abs. 1 S. 1) entsteht kein Widerspruchsrecht. Die betroffenen Arbeitnehmer haben stattdessen (nur) ein außerordentliches Kündigungsrecht gem. § 626 (BAG NZA 2008, 815).
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Die Unterrichtung des Arbeitnehmers nach § 613a Abs. 5 muss neben der Art des rechtsgeschäftlichen Übergangs (z.B. Kauf, Pacht, Verschmelzung) auch die unternehmerischen Gründe und Motive des Erwerbers umfassen, um die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf den konkreten Arbeitsplatz abschätzen zu können. Den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen ist in der Praxis kaum zu entsprechen, weshalb das Widerspruchsrecht regelmäßig unbegrenzt fortbesteht. Die wirtschaftlichen Risiken liegen für den Erwerber in der möglichen Abwanderung wichtiger Arbeitnehmer, vor allem aber für den Veräußerer in der unabsehbaren Belastung mit ggf. jahrelangem Annahmeverzugslohn und den Kosten eventueller Altersversorgung.[157]
a) Eintritt des neuen Betriebsinhabers
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Der Erwerber tritt in die Rechte und Pflichten aus den zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein (§ 613a Abs. 1 S. 1). Das gilt auch hinsichtlich tarifvertraglicher Vorschriften und Betriebsvereinbarungen. Diese werden Inhalt des Arbeitsvertrages zwischen dem Arbeitnehmer und dem neuen Arbeitgeber und gelten durch den einzelnen Arbeitsvertrag weiter (Sätze 2 bis 4).
b) Gesamtschuldnerische Haftung
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Der bisherige Arbeitgeber haftet nach § 613a Abs. 2 gesamtschuldnerisch neben dem neuen Erwerber für Verpflichtungen, insb. also Lohnansprüche, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden.
c) Kündigungsverbot
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Die Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 S. 1, der Übergang des Arbeitsverhältnisses, darf nicht umgangen werden. Der Betriebsübergang an sich darf daher kein Kündigungsgrund sein (§ 613a Abs. 4). Eine Unwirksamkeit der Kündigung ist demnach zu bejahen, wenn der Grund hauptsächlich durch den Wechsel des Betriebsleiters bedingt ist.
Zulässig ist aber ein sog. Erwerberkonzept etwa zur Sanierung, auf Basis dessen auch der Veräußerer noch vor dem Betriebsübergang nach den allgemeinen Vorschriften betriebsbedingt kündigen kann.
d) Einzelfragen
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Gem. § 613a Abs. 1 S. 1 gehen die bestehenden Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über. Diese Verpflichtung umfasst auch die betriebliche Altersversorgung. Eine Abschaffung der Altersversorgung im Wege des Betriebsübergangs ist nicht möglich. Ein Ausschluss oder Verbleib der betrieblichen Altersvorsorge beim Veräußerer würde eine Umgehung des § 613a darstellen.
Geht der Betrieb nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über, haftet der neue Erwerber für die zur Zeit der Insolvenzeröffnung bereits entstandenen Arbeitnehmeransprüche weder über § 613a noch über § 25 HGB (zur Europarechtskonformität dieser Rechtsprechung im Hinblick auf bereits erworbene Versorgungsanwartschaften einer Betriebsrente, vgl. aktuell BAG, Vorlagebeschlüsse vom 16. Oktober 2018 – 3 AZR 139/17 (A); 3 AZR 878/16 (A)). Die Verteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens haben hier bislang den Vorrang. § 613a findet jedoch uneingeschränkt Anwendung auf Ansprüche, die nach Insolvenzeröffnung durch Fortführung des Betriebes entstanden sind.
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › D. Verträge auf Arbeitsleistung und Herstellung › III. Höhere Dienste
III. Höhere Dienste
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Neben dem freien Dienstverhältnis und den Arbeitsverhältnissen erfährt eine dritte Gruppe von Dienstverhältnissen eine abweichende Behandlung hinsichtlich des Kündigungsschutzes. Es sind dies Verträge zur Übertragung sog. Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, sofern der Verpflichtete dabei kein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen, insb. kein Arbeitsverhältnis, eingeht. Die Anknüpfung erfolgt nicht an die Selbstständigkeit und Originalität der Leistung, sondern an die Person des Verpflichteten, die in ihrer sozialen Stellung aufgrund