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Leben nach der DDR. Klaus BehlingЧитать онлайн книгу.

Leben nach der DDR - Klaus Behling


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im Erdgeschoss auch einen großen Teil des innerstädtischen Einzelhandels. Das Spektrum reichte von fünf Juwelieren, dreizehn Bekleidungsgeschäften, zwei Friseuren über sieben Lebensmittelläden, fünf Restaurants, ein Kino, zwei Kaufhäuser bis zu achtundzwanzig weiteren Läden, wie Porzellan-Lorenz oder Samen-Koch. Mieteinnahmen in Millionenhöhe schienen garantiert.

      Die Treuhand sollte mit 20 Prozent, die Mannheimer B & R jedoch mit 80 Prozent an der Verpachtung aller Einzelhandelsflächen der elf Messehäuser beteiligt werden. Natürlich ging es um »marktüblichen« Mietzins, den Blank und Radosevic kassieren durften, und der lag 1990 in Leipzig bereits bei 120 Mark pro Quadratmeter. Die Messe als »Generalvermieterin« gab sich mit den DDR-Preisen von maximal 10 DM pro Quadratmeter zufrieden.

      Als die Treuhand von dem Deal erfuhr, lief sie dagegen Sturm und prozessierte. Drei Wochen vor Vertragsunterzeichnung hatte Birgit Breuel, damals Vizechefin der Treuhand, Fischer angewiesen, »grundsätzlich nicht langfristig zu vermieten und zu verpachten«. Der DDR-Messemanager flog aus der Anstalt. Das erwies sich in diesem Fall als geeignet, um den Deal zu verhindern.

      Am 13. Januar 1991 entstand dann die Leipziger Messe GmbH. Gesellschafter waren zu je 50 Prozent der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig. 1994 und 1996 gründeten sich Tochterunternehmen, unter anderem für die Organisation von Gastveranstaltungen, die gastronomische Betreuung der Messegäste, den Messetourismus und den Ausstellungs- und Veranstaltungsservice zuständig.

      Derartige Manipulationen mit dem »Volkseigentum« blieben kein Einzelfall. Noch zu DDR-Zeiten fädelte Interhotel-Chef Hellmut Fröhlich, inzwischen Alleinvorstand der derweil im Besitz der Treuhand befindlichen Interhotel AG, sein Geschäft mit dem Steigenberger-Konzern ein. Dabei halfen die damals noch in der Anstalt tätigen ehemaligen »Leitungskader« aus SED-Zeiten.

      Es ging um vierunddreißig Häuser mit 15.520 Hotelbetten – ein Drittel aller bis 1990 in der DDR vorhandenen Unterkünfte. Im Jahr 1989 erwirtschafteten sie einen Gewinn von 380 Millionen DDR-Mark.

      Die Interhotel AG und die Steigenberger Hotels AG aus Frankfurt am Main gründeten am 19. Juli 1990 die Tochtergesellschaft Steigenberger International GmbH. Beide Unternehmen waren jeweils zur Hälfte beteiligt. Diese Firma schloss am 24. Juli 1990 mit jedem der vierunddreißig Interhotels einen Pachtvertrag über zwanzig Jahre ab. Er enthielt die Option, diese Verträge zweimal um fünf Jahre verlängern zu können. Als Pachtzins vereinbarten die Vertragspartner 4 bis 6 Prozent des Umsatzes – etwa die Hälfte dessen, was im Westen üblich war. Investieren sollte nur die Interhotel AG. Steigenberger übernahm dafür die Schönheitsreparaturen und sonstige Instandhaltungen, »soweit sie den Betrag von DM 1.000,- im Einzelfall« nicht überstiegen. Steigenberger-Vorstand Wolfgang J. Momberger begründete die Minipacht mit den hohen Investitionen, die nötig seien, um die Hotels auf Weststandard zu bringen. Dass gerade diese Investitionen nur von der Interhotel AG zu tragen wären, erwähnte er nicht.

      In der Treuhandanstalt waren für die Verträge der ehemalige Staatssekretär Manfred Domagk und der ehemalige Handelsminister Manfred Flegel zuständig. Sie stimmten ihnen zu und bewegten sich damit im Rahmen ihrer Kompetenzen – ihr Kündigungsbrief von der Treuhand, in dem ihnen das Ende ihrer Tätigkeit als Beauftragte mitgeteilt wurde, ging erst einen Tag nach der Unterzeichnung der Pachtverträge mit Datum vom 25. Juli 1990 ein.

      Der damalige Treuhandchef, Reiner Maria Gohlke, erfuhr am 27. Juli vom Vertrags­abschluss aus der Zeitung beim Frühstück im Ostberliner Grand Hotel. Er fiel aus allen Wolken, denn eigentlich wollte die Treuhand die Hotels einzeln verkaufen. Davon versprach sie sich mindestens eine Milliarde Mark Einnahmen. Doch so einfach rückgängig machen ließ sich der Husarenstreich von Hellmut Fröhlich nicht.

      Ein Rechtsgutachten der Treuhand stellte fest, dass er nur von der Hauptversammlung der Interhotel AG absetzbar war. Die bestellte am 10. September 1990 zwar einen neuen Chef, doch das hatte vor Gericht keinen Bestand. Die rund 13.000 Interhotel-Mitarbeiter standen hinter Fröhlich und seinem Deal mit Steigenberger. Ihre Hoffnung: Mit der Gesamtübernahme der Kette ließen sich drohende Hotelschließungen und Massenentlassungen verhindern. Am 12. September 1990 stürmten Interhotel-Mitarbeiter sogar die Chefetage der Treuhand.

      Am Ende konnte sich die Treuhand durchsetzen. Die Hotels wurden nicht mit langfristigen Pachtverträgen gebunden, sondern verkauft. Die mit der Suche nach Käufern beauftragten Investmentbanker von S. G. Warburg & Co. in London verschafften der Treuhand später Einnahmen in Höhe von 2,6 Milliarden Mark.

      Berlin, 1990: Interhotel-Mitarbeiter protestieren vor dem Internationalen Pressezentrum der DDR in der Berliner Mohrenstraße gegen die Zerschlagung der Hotel-Kette. (picture alliance / Paul Glaser / dpa-Zentralbild / ZB / Paul Glaser)

      Trotz solch spektakulärer Aktionen schwand die Macht der »alten Seilschaften«. Aussortiert wurde Anfang der 1990er Jahre auch unter den ostdeutschen Managern, Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern. Zwischen Sommer 1990 und Sommer 1992 mussten 2.860 von ihnen gehen, darunter 520 wegen politischer Belastungen oder Stasimitarbeit, 210 wegen Untreue und 1.100 wegen fachlicher und sozialer Inkompetenz.

      Ein Ende des Wirtschaftens der »Seilschaften« war das nicht. Inzwischen hatten sich längst neue Beziehungsgeflechte gebildet, in denen Ost- und Westdeutsche gemeinsam agierten. Ein Beispiel: In Halle übernahm Rechtsanwalt Baron Dr. Siegfried von H. die Liquidation des Konsums. Das brachte ihm eine Sequestervergütung von 12,7 Millionen DM ein. Bekommen hatte er den Job mit Hilfe von Amtsrichter D., der den Mann mit dem gekauften Adelstitel als Konkursverwalter einsetzte. Ein Jahr später wurde gegen den Amtsrichter wegen des Verdachts der Bestechung ermittelt. Er verlor sein Amt, zu dem seine private Lebensführung schon längere Zeit nicht mehr passte. Sein Vorgesetzter, der damalige Amtsgerichtspräsident von Halle, H., kommentierte das gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung so: »Man kann nicht mit dem Verwalter eines Verfahrens, über das man die Aufsicht führt, Arm in Arm durch die Kneipen ziehen und dabei unabhängig bleiben.« Wenig später musste aber auch Amtsgerichtspräsident H. zugeben, dass er ein Gutachten in unerlaubter Nebentätigkeit für ein Honorar von 100.000 DM für den Konsum erstellt hatte. Er verlor ebenfalls sein Amt. »Alte und neue Seilschaften« begleiteten jedoch auch weiterhin den Weg der Treuhand.

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