Эротические рассказы

Das Erzählwerk Cécile Wajsbrots. Herbert HuesmannЧитать онлайн книгу.

Das Erzählwerk Cécile Wajsbrots - Herbert Huesmann


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Syntax die Verästelungen der Gedanken und Gefühle Agathes wider. Die Erzählstimme gibt die Gedanken Agathes zunächst in einer auktorial knapp kommentierten Form der indirekten Rede – […] elle se disait – cela lui arrivait parfois – que […] – wieder, um die Erzählung sodann durch eine kurze, entschiedene Aussage Agathes in direkter Rede, durch die die interne Fokalisierung des auktorialen Erzählstils noch verstärkt wird, fortzusetzen – […] qu’elle dit: bien sûr, on part –. Angesichts der sich konkretisierenden Aussicht auf den Aufenthalt in Saint-Thomas zählt für Agathe nicht die Dauer, sondern der Ort des Aufenthalts, wobei das alliterierende „b“ – […] le bout du monde, le but de sa vie […] – verdeutlicht, dass Saint-Thomas für Agathe ein weit außerhalb der ihr vertrauten und verhassten Wirklichkeit gelegenes, aber wohl auch deswegen zutiefst herbeigesehntes Ziel ist. Der Ort, an dem das Gespräch stattfindet, ein Café, das lediglich durch einen seine Funktion für Agathe und Loïc definierenden Relativsatz näher beschrieben wird – […] où ils prenaient leur petit déjeuner quelquefois […] – 9 ist im Vergleich dazu völlig unbedeutend.

      Nachdem Agathe Loïc erklärt hat, dass sie eine Hotelreservierung in Saint-Thomas veranlassen werde,10 wird die Bedeutung des Seebades in einem Telefonat zwischen Agathe und Marc erneut hervorgehoben. Als Kenner des Ortes assoziiert Marc Saint-Thomas in überschwänglicher Begeisterung mit unendlicher Freiheit und unbegrenzten Möglichkeiten: „Tu verras, c’est magnifique, tout cet espace qui s’ouvre donne une impression d’infinie liberté, l’impression que tout est possible.“11 Die Aussage Marcs und der sich anschließende Wortwechsel sind aus zwei Gründen bedeutsam: Zum einen findet der besondere Charakter von Saint-Thomas eine durch persönliche Erfahrungen untermauerte Bestätigung. Zum andern wird die Aussage Marcs – […] tout est possible – von Agathe sogleich wortgleich wiederholt – Et tout est possible –. Diese Bekräftigung seiner eigenen Äußerung schränkt Marc spontan mit den Worten „Par moments, oui.“ ein.12 Das Telefongespräch zwischen Agathe und Marc erfüllt somit eine eindeutig proleptische Funktion, insofern es auf die sich in Saint-Thomas ergebende – kurzfristige – intime Beziehung zwischen den beiden hindeutet. Durch die Hinweise Marcs auf die Belastungen seines Verhältnisses zu Véronique13 wird die proleptische Wirkung verstärkt. Zugleich provozieren sie eine nachhaltige Verunsicherung Agathes, die in sich und um sich herum, ganz konkret in den Straßen von Paris, eine große, als beunruhigend empfundene Leere und Apathie verspürt, die sie veranlasst hat, die Hotelreservierung vorzunehmen. Danach, aber auch unter dem Eindruck des Gesprächs mit Marc weicht die Vorstellung, dass das Zimmer am Ufer des Meeres „[…] l’avant-poste d’un autre monde, la promesse d’un voyage sans retour, de quelque chose qui créerait une situation irréversible […]“14 sei, der Empfindung, sich wieder am Anfangspunkt, in einer Sackgasse, zu befinden, da sie die Nachricht von der Hotelreservierung nicht telefonisch an Loïc weiterleiten kann. Paradoxerweise ist er gleichzeitig an- und abwesend. In ihrer formal durch den „discours indirect libre“ bestimmten Reflexion lässt sich Agathe zunächst von geopolitischen Szenarien der Trennung inspirieren, um im Sinne einer finalen Steigerung ihren aktuellen Zustand mit dem völligen Alleinsein zu vergleichen:

      Quelqu’un était à portée de main et hors d’atteinte, quelqu’un était là sans être là, à quoi cela servait, en quoi la solitude avec Loïc au loin, à l’horizon comme un bateau dont on apercevait les lumières en sachant qu’on ne pouvait pas monter à bord malgré la beauté de sa forme, son élégance, comme les lumières d’Aqaba qu’on voyait à Eilat, autrefois, qui signalaient la présence de la ville et son inaccessibilité, à l’époque où la frontière était infranchissable, comme Berlin ouest que les Berlinois de l’est pouvaient voir du sommet de la tour de la télévision, à Alexanderplatz, ville offerte et ville interdite, c’était cela, Loïc était offert et interdit; en quoi cette solitude différait-elle de l’autre solitude, celle absolue, quand il n’y a personne, n’était-elle pas pire lorsqu’on connaissait le nom qui pouvait y mettre fin?15

      Zunächst evoziert der von ihr getrennte Loïc die – bereits vertraute – Vorstellung eines Schiffes, das zwar mit seinen Lichtern und der Schönheit und Eleganz seiner Formen am Horizont erkennbar ist, aber unerreichbar bleibt. Die Lichter des Schiffes wiederum wecken die Assoziation der Lichter der Stadt Akaba, die in früheren Zeiten von Eilat aus gesehen werden konnten, ohne dass die Stadt zugänglich war. Damit vergleichbar war die Situation der auf der Spitze des Fernsehturms auf dem Alexanderplatz stehenden Ostberliner, deren Blicken sich Westberlin darbot, ohne dass es betreten werden durfte. Westberlin blieb somit „[…] ville offerte et ville interdite […]“, ein Paradoxon, das die Erfahrungen Agathes mit Loïc widerspiegelt: „[…] c’était cela, Loïc était offert et interdit[…]“. Für Agathe stellt sich an diesem Punkt ihrer Überlegungen die Frage, ob eine solche, mit ihrer aktuellen Situation in Paris übereinstimmende Form des Getrenntseins, das nicht geographisch, sondern durch „den menschlichen Faktor“ bedingt ist, nicht noch gravierender sei als eine „[solitude] absolue“, also der Zustand, niemanden zu kennen. So steigert Agathe ihren Leidensdruck in der schlimmst möglichen Form. Paris soll für sie noch unerträglicher werden, die Konstellation zwischen Paris und Saint-Thomas jedoch erfährt eine deutliche Änderung.

      Saint-Thomas: ein Reiseziel, das nicht einigend, sondern trennend wirkt

      Nachdem Jeanne gegenüber ihrer Freundin Agathe in zwei räumlich-bildlich bestimmten Vergleichen erläutert hat, dass sich ihre zeitweilig gestörte Beziehung zu Éric zu erneuern scheine,1 teilt Loïc Agathe telefonisch kurz und bündig mit, dass er nicht mit ihr wie geplant nach Saint-Thomas reisen könne, da Lucie nicht im Mai zu ihren Eltern fahre, sondern ihr Vater in Paris operiert werde.2 In einem Gespräch mit Marc über die erneute Absage Loïcs antwortet Agathe auf die Frage, was sie nun zu tun gedenke, lakonisch: „Attendre“.3 In einem sich an diese Aussage direkt anschließenden inneren Monolog lässt sie den Leser jedoch wissen, dass „[…] l’attente n’est pas un but, n’est pas un mode de vie […]“4. Einige Momente später fragt Agathe Marc unvermittelt, ob er sich eine gemeinsame Reise mit ihr nach Saint-Thomas vorstellen könne, und Marc bejaht spontan. In Anspielung auf Loïcs zweifache Absage fügt er kokettierend hinzu: „Pour une fois, ce serait nous qui ne pourrions pas.“5

      Die innere Zerrissenheit Agathes tritt deutlich hervor, als Loïc sie anruft und um ein Gespräch bittet.6 Ohne den Namen „Lucie“ ein einziges Mal zu erwähnen, macht Agathe unmissverständlich klar, dass es Lucie ist, die wie eine Grenze, eine Mauer, ein Hindernis zwischen ihnen steht.7 Die Erzählstimme betont, dass Loïc darunter ebenso oder sogar noch stärker als Agathe leidet.8 Als Loïc erfährt, dass Agathe am Vorabend mit Marc, dem „Entdecker“ von Saint-Thomas, gespeist hat, glaubt Agathe, sein Schweigen so interpretieren zu müssen, dass er eine genaue Vorstellung vom Verlauf dieses Abends habe. Als ihr bewusst wird, dass er seine Anrufe nur von zu Hause tätigen kann, wenn seine Frau Lucie schläft, und dass damit ihr Leben vom Schlaf Lucies abhängt, empfindet Agathe ihre Aufforderung an Marc, mit ihr nach Saint-Thomas zu reisen, erstmals als „[…] une réaction saine […]“.9

      Das telefonisch vereinbarte Treffen findet in dem bereits zuvor erwähnten Café im Quartier Beaubourg statt, in dessen Nähe der o.g., inzwischen entfernte elektronische Zeitmesser den Sekundenabstand bis zum Jahr 2000 markiert hatte.10 Wenn man dieses auch die Lage des Ortes definierende Detail als Hinweis auf eine deutliche zeitliche Zäsur in Verbindung mit dem plus-que-parfait betrachtet, so signalisiert dieser Agathe und Loïc vertraute, neutrale Ort, dass ihre gemeinsame „histoire“ inzwischen in ein neues Stadium eingetreten ist. Gleichwohl erschließt allein der Name „Loïc“ für Agathe „[…] la force de ce qui les unissait, le désir d’être avec lui – et, dans ce nom, il y avait tout le présent“.11 Dass der Ort auf Agathe und Loïc gleichermaßen anziehend wirkt und in ihnen ein intensives sexuelles Verlangen auslöst, dem allerdings jegliche Erfüllung versagt bleibt, ist der Neutralität und Öffentlichkeit des Ortes geschuldet. Überrascht und irritiert ist Agathe, wie die knappe Kommentierung „pire encore“ der Erzählstimme verrät, über die in ihr aufblitzende Vorstellung, „jemanden anders“ zu treffen, womit die bevorstehenden Ereignisse in Saint-Thomas wiederum angedeutet werden.12

      Die Opposition zwischen Agathe und Loïc spiegelt sich zu Beginn ihrer Auseinandersetzung


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