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Denken zu untersuchen, um so dem Prozess auf die Spur zu kommen.
Dass hier für Studienanfänger ein gewisser Klärungsbedarf besteht, macht das Erscheinen mehrerer Überblicksversuche in der ersten Hälfte der neunziger Jahre deutlich. In der vorliegenden durchgesehenen und überarbeiteten siebten Auflage der „Einführung“ wurden zwischenzeitlich erfolgte Weiterentwicklungen, einige bisher übersehene Strömungen und Perspektivenverschiebungen sowie neuere LiteraturLiteratur aufgenommen.
Zunächst geht es darum, die wichtigsten Forschungsrichtungen im Einzelnen vorzustellen und zu erläutern. Nach Denkschulen geordnet werden die wesentlichen Ansatzpunkte und Grundaussagen wichtiger Autoren zum ÜbersetzenÜbersetzen, ggf. mit Originaldefinitionen und Beispielen, vorgestellt und durch Angaben der wichtigsten LiteraturLiteratur zu jedem Kapitel ergänzt. Diese Literaturhinweise sind am Ende des Buches noch einmal in einer Gesamtbibliographie zusammengestellt. Quellenangaben zu speziellerer Literatur erscheinen in den Fußnoten. Kernbegriffe werden besonders hervorgehoben und erläutert. Während in den Naturwissenschaften das Erscheinungsdatum eines Beitrags auf dessen Aktualität schließen lässt, kann hier das Vorgehen nicht rein chronologisch erfolgen, da vieles gleichzeitig oder in partieller Auseinandersetzung entstanden ist. Dennoch ist natürlich auch eine gewisse zeitliche Weiterentwicklung ersichtlich.
Das vorliegende Studienbuch versucht, in die Vielfalt von miteinander konkurrierenden übersetzungstheoretischen Erörterungen eine gewisse Ordnung zu bringen, indem nach der PerspektivePerspektive auf den Forschungsgegenstand (SprachsystemSprachsystem, Text, Disziplin, HandlungHandlung, ÜbersetzerÜbersetzer) unterschieden wird. Die Darstellung konzentriert sich absichtlich nicht auf einige wenige „Schule machende“ Richtungen, denn der junge Wissenschaftler ist ja gerade mit der Vielfalt unterschiedlicher Ansätze konfrontiert. Und auch dem weniger anspruchsvollen „Neuling“ muss nicht unbedingt die Anstrengung der eigenen kritischen Stellungnahme und Auswahl abgenommen werden. Eine strenge Trennung zwischen „Theoretikern“ und „Didaktikern“ erschien auch nicht sinnvoll, weil jeder sich als Didaktiker gerierende AutorAutors. Sender stets auch implizit eine bestimmte TheorieTheorie vertritt (und um die geht es hier), und weil die meisten sog. Theoretiker insgeheim doch auch eine praktische Anwendung ihrer Theorie im Auge haben, sonst würden sie nicht stets ihre Modelle mit praktischen Textbeispielen ausschmücken. PraxisPraxis ohne Theorie ist funktionaler Leerlauf, und Theorie ohne Praxis ist tote Begrifflichkeit.
Die unterschiedlichen Herangehensweisen gegenwärtiger Übersetzungstheorien sowie deren Reichweite werden so deutlich gemacht und miteinander verglichen. Im Durchgang durch diese vielen Theorien ist es faszinierend zu sehen, wie diese immer umfassender werden. Dabei ist es nicht so, dass die jeweils spätere Theorie immer die bessere wäre. Vielmehr wird eher eine Gesamtwahrnehmung der verschiedenen Ansätze der tatsächlichen Komplexität des Übersetzens gerecht. Keineswegs sollen hier aber die Grenzen einer Disziplin „Translationswissenschaft“ aufgezeigt werden, weil sich die Perspektiven der Wissenschaftler und ihr frei wählbarer Standort nicht festlegen lassen.
Den Kapiteln ist jeweils ein kurzes Abstract zur Grundorientierung vorangestellt. Da in der ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft die einzelnen Ansätze mit Autorennamen verbunden sind, werden diese in den Abschnittüberschriften genannt, doch gelegentlich wird ein Ansatz auch in mehreren aufeinander folgenden Abschnitten behandelt. Am Ende jeden Kapitels erscheint ein kurzer Kommentar, welcher die LeserLesers. Empfänger und Leserinnen zu kritischer Distanz und zusammenfassendem Nachdenken anregen soll. Bewusst werden in der Bibliographie nur die für diese Einführung wichtigeren Werke der genannten Autoren aufgeführt, sodass einige speziellere und ergänzende Angaben nur in der jeweiligen Fußnote zu finden sind.
Diese Einführung ist gedacht als erste Orientierung im Bereich der Übersetzungstheorien für Studierende der Übersetzerstudiengänge, der Philologien sowie für Praktiker, die schon immer einmal wissen wollten, was denn ÜbersetzungstheorieÜbersetzungstheorie eigentlich soll. Allerdings ersetzt die Lektüre dieser Einführung nicht das Studium der Originale. Weil eine solche Einführung naturgemäß plakativ und verkürzend ist, möchte dieses Studienbuch zu selbständigem Weiterforschen anregen.
1 Zur Vorgeschichte
Frühe Äußerungen zur ÜbersetzungstheorieÜbersetzungstheorie dienen der Rechtfertigung der eigenen Arbeit und erläutern einzelne ÜbersetzungsproblemeÜbersetzungsprobleme. Römische ÜbersetzerÜbersetzer wollten ihre MutterspracheMuttersprache bereichern. Zentral war jahrhundertelang die Dichotomie von wörtlicher und sinngemäßer Übersetzung, von TreueTreue und FreiheitFreiheit. Der Ausgangstext galt als ‘heiliges Original’.
1.1 Der BegriffBegriff Übersetzung
Solange Menschen verschiedene Sprachen sprechen, gehört das Dolmetschen und ÜbersetzenÜbersetzen zu den unentbehrlichen Bemühungen um die Überwindung der Sprachbarriere – im politischen wie im wirtschaftlichen Verkehr, bei machtpolitischer Expansion wie beim friedlichen Reisen, aber vor allem bei der Übermittlung von Philosophie, Wissenschaft, Literatur und ReligionLiteratur.
Doch was ist eigentlich „ÜbersetzenÜbersetzen“? Nach dem Brockhaus1 in der 16. Auflage von 1957 ist es
die Übertragung von Gesprochenem oder Geschriebenem aus einer SpracheSprache in eine andere.
In der Encyclopædia Britannica2 heißt es ähnlich:
translation, the act or process of rendering what is expressed in one language or set of symbols by means of another language or set of symbols.
Jene unbestimmte Definition war freilich bald überholt. In der nächsten Auflage des Brockhaus von 19743 hieß es schon:
Übersetzung, die Übertragung von Gesprochenem oder Geschriebenem aus einer SpracheSprache (AusgangsspracheAusgangsspraches. AS) in eine andere (durch einen ÜbersetzerÜbersetzer oder Dolmetscher). Dabei ist die Gefahr einer Bedeutungsverschiebung dort am geringsten, wo die Wiss. bereits durch eine einheitl. TerminologieTerminologie die beste Vorarbeit für eine Ü. geleistet hat: die eindeutige Zuordnung der Wörter zu den gemeinten Sachen oder Vorstellungen. (…) Freie Ü. oder Nachdichtung ist der Versuch, das Original im anderen sprachlichen Medium gleichsam neu zu erschaffen.
In Meyers Enzyklopädischem Lexikon4 von 1979 wird dann unterschieden:
Die Übersetzung ist die Wiedergabe eines Textes in einer anderen SpracheSprache. Sie ist FormForm der schriftlichen KommunikationKommunikation über Sprachgrenzen hinweg im Gegensatz zur aktuellen, mündlichen Vermittlung des Dolmetschers.
In der Web-Enzyklopädie Encarta 2005 heißt es:
Übersetzung. Übertragung von Informationen einer Sprache in eine andere. Unter Übersetzung versteht man im Allgemeinen sowohl Vorgang als auch Resultat. (…)
Im Internet bei Wikipedia findet sich gegenwärtig nur noch der Hinweis, man solle bei „Übersetzungen“ sehr vorsichtig sein.
In der jetzt aktuellen Brockhaus Enzyklopädie5 lesen wir:
1. Computerlinguistik: das ÜbersetzenÜbersetzen eines größeren gesprochenen oder geschriebenen Sprachkomplexes aus einer natürl. SpracheSprache (Quellsprache) in eine andere (ZielspracheZielspraches. ZS) mit Hilfe eines Computers. Man unterscheidet dabei grundsätzlich zw. (voll-)automat. maschineller Ü. und maschinen- oder computerunterstützter Ü. (…)
2. Philologie: schriftl. FormForm der Vermittlung eines Textes durch Wiedergabe in einer anderen SpracheSprache unter Berücksichtigung bestimmter Äquivalenzforderungen. Zu differenzieren sind einerseits die interlinguale (Ü. von einer SpracheSprache in eine andere), die intersemiot. (Ü. von einem Zeichensystem in ein anderes, z.B. vom Text ins Bild) und die intralinguale Ü. (Ü. von einer Sprachstufe in eine andere, z.B. vom Althochdeutschen ins Neuhochdeutsche, vom Dialekt in die Standard- oder Hochsprache), andererseits umfaßt der Oberbegriff die unterschiedlichsten Typen von Ü., z.B. Glossen, Interlinearversion, Übertragung (BearbeitungBearbeitung), Nachdichtung (Adaption) oder auch Neuvertextung (z.B. Filmsynchronisation). (…)
In den verschiedenen Bezeichnungen des