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Esta Sola. Sind Sie allein?. Elke WeickeltЧитать онлайн книгу.

Esta Sola. Sind Sie allein? - Elke Weickelt


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in den nächsten Tagen in den Nationalpark Nahuel Huapi, der an dem gleichnamigen See liegt. Dieser Park, der auch an Chile grenzt, gehört zu den ältesten Nationalparks Argentiniens und ist seit 1981 UNESCO-Welterbe.

      Mit dem Schiff kann man nach Chile rüber fahren.

      Im Bosque Arrayanes, einem Arrayan Myrtenwald wachsen archaisch wirkende Bäume mit einer rötlichen Färbung der Stämme. Sie haben keine Borke. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Dieser Wald ist streng geschützt und einmalig. Die Bäume sind bis zu 600 Jahre alt. Eine märchenhafte Szenerie.

      Ausflüge über den See mit dem Schiff bieten schöne Aussichten auf den Park vom Wasser aus und auf die imposanten Berge wie den Cerro Catedral, den Cerro Otto und den Cerro Tronador, mit 3.454 Meter der höchste Berg in diesem Nationalpark. Cerro heißt Berg. Der Cerro Tronador ist ein erloschener Vulkan, bedeckt mit einer dicken Schicht aus Eis und Schnee. In der Umgebung Gletscher und Wasserfälle. Entsprechend gibt es hier über das Land hinaus bekannte große Skigebiete.

      Den Cerro Otto erkunde ich mit dem Bus und dann mit der Seilbahn. Der Blick von oben über den See und die umliegenden Berge ist sensationell. Ebenso der vom Cerro Catedral. Oben sitze ich in der Sonne, trinke einen Kaffee. Die Anden sind schneebedeckt, der Himmel stahlblau und in der Sonne ist es warm, natürlich in dicker Kleidung.

      Mein Gott – an den ich nicht glaube –, wie schön ist diese Welt.

      Es gibt auch noch andere Seen wie aus einem Bilderbuch, zum Beispiel den Lago Gutierrez.

      Auf einem meiner Ausflüge lerne ich ein nettes Ehepaar aus Südtirol kennen. Er reist auf den Spuren seines verstorbenen Onkels. Dieser Onkel war Missionar in Argentinien. Die Bewohner haben ihm ein Mausoleum gebaut. Das hat er aufgesucht und mit tiefer Rührung erzählt, wie er die unendliche Dankbarkeit der Menschen erlebt hat und dass sein Onkel, den er selbst gar nicht so gut kannte, dort so beliebt war. Die Indigenen haben ihn verehrt.

      Ich habe auf meiner Reise viele Spuren und Zeugnisse von Missionierung früher und auch heute noch gesehen. Ich werde immer skeptisch, wenn ich das Wort Missionierung höre. Mag sein, dass dort auch viel Gutes geschehen ist an der Bevölkerung, dass man die Indigenen geschützt hat vor den spanischen Eroberern, dass man ihnen Arbeit, Bildung und medizinische Versorgung gegeben hat, aber die Berichte über anderes, das Zerstören insbesondere der eigenen Kultur und Religion, ist doch so eine existentielle Vernichtung, dass das absolut inakzeptabel ist. Es bleibt mir unverständlich, wie man meinen kann, dass eine eigene Religion besser ist als die der anderen. Wenn mich etwas in unserer heutigen Zeit beeindrucken kann, dann sind es manche Vorstellungen der Indigenen im Zusammenhang mit dem Glauben an Pachamama (Mutter Erde). Aber dazu komme ich noch später.

      Da bin ich vielleicht schon bei diesem Ursprung, den ich suche. Also habe ich schon wieder jemanden getroffen, der hier seinen Ahnen nachspürt. Das werde ich noch öfter erleben. Argentinien ist ein Land der Einwanderer. Ein Großteil der Bevölkerung stammt heute von Einwanderern ab und das hat einen entscheidenden Einfluss auf die Identität des Landes.

      Als Argentinien 1816 unabhängig wurde, musste es sich neu definieren, ein neues Selbstbild finden. Das versprach man sich durch die Öffnung für moderne europäische Einflüsse durch die Einwanderung aus Europa 1810 – 1914. Die zwei großen Migrationswellen fanden im 19. und 20. Jahrhundert statt. Europäische Einwanderer erreichten das Land in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In den 1980er- und 1990er-Jahren kamen vor allem asiatische Migranten und Menschen aus den Nachbarländern Bolivien und Paraguay.

      Angesichts der vielen ausgewanderten Europäer, Deutschen, Italiener, Franzosen und vielen anderen, frage ich mich, was Heimat ist? Warum wandern Menschen aus? Doch nicht nur die Rentner, die es im Alter im Süden wärmer haben wollen. So auch junge Leute, die sich ein besseres Leben erhoffen, einen Neuanfang. Völkerwanderung, Flucht und Vertreibung. Manchmal muss man auswandern. Aber wenn man nicht muss, wenn man ein gutes Leben hat. Warum tut man es dann?

      Heimat ist doch der Ort, an dem man geboren wird, an dem man aufwächst, seine Kultur erfährt, Einstellungen, Weltauffassungen, die einen prägen, eine Vertrautheit, Zugehörigkeit, ein Zuhause eben? Die Orientierung, mit der man in sein Leben startet. Warum verlässt man das?

      Cicero sagt: „Ubi bene, ibi patria.“ (Wo es mir gut geht, da ist mein Vaterland, meine Heimat.)

      Verlässt man die Heimat nur dann, wenn es einem dort nicht mehr gut geht? Kann man eine neue Heimat finden? Für mich stellt sich die Frage: „Braucht man überhaupt eine Heimat?“

      Wenn der Seefahrer sagt: „Meine Heimat ist das Meer“, so beschreibt er eine Lebensweise. Könnte ich sagen: Meine Heimat ist das Reisen? Fühlt sich gut an.

      Und was ist Heimweh? Das Sehnen nach eben dieser Heimat. Ich kenne kein Heimweh, habe ich noch nie empfunden, auch nicht auf meiner ersten einjährigen Reise.

      Aber Fernweh, das kenne ich sehr wohl, immer, wenn ich zuhause bin, diese Sehnsucht nach fernen Ländern, auch nach Abenteuer. Das ist keine Pubertätserscheinung, schließlich bin ich 65 Jahre alt und damit höchstwahrscheinlich ja aus der Pubertät schon raus. Das Fernweh ist aber immer noch da. Mein Heimweh ist das Fernweh.

      Bariloche ist eine wunderschöne kleine Stadt in Patagonien. Wenn alle so sind, dann wird dies eine Traumreise. Es ist unglaublich, wie inspirierend diese Natur ist.

      Villa la Angostura

      Villa la Angostura liegt etwas weiter nordwestlich auch am Ufer des Nahuel-Huapi-Sees.

      Meine Unterkunft kann ich nur mit dem Taxi erreichen. Sie liegt außerhalb des Städtchens. Überhaupt sind die Häuser etwas zerstreut in dieser Zauberlandschaft. Ich wohne in einem Privathaus bei einem jungen Ehepaar, Janina und Christian, mit zwei kleinen Hunden. Sie vermieten Zimmer. Das Haus ist liebevoll eingerichtet wie ein Puppenhaus, groß, gemütlich mit dem Blick auf den See vom Bett aus. Ich bin der einzige Gast und es wird ein Aufenthalt wie in einer Familie. Sie frühstücken mit mir zusammen, alles selbstgemachte Spezialitäten, alles Bio, und ich erfahre eine Menge über das Land, die Gegend und die Sitten. Es ist eine reiche Gegend hier. Kriminalität so gut wie unbekannt.

      Janina und Christian nehmen mich am Wochenende mit auf Ausflüge und zeigen mir die Schönheiten dieser Region. Beim Wandern trifft man überall auf Schilder, die vor dem Puma warnen. Es gibt genaue Verhaltensregeln für den Fall einer Begegnung: 1. nicht weglaufen, 2. anhalten und den Puma anschauen, 3. Kinder auf den Arm nehmen, 4. sich so groß wie möglich machen, 5. schreien, 6. bei einem Angriff des Tieres heftig kämpfen, 7. nicht allein gehen, 8. wegbleiben von toten Tieren. Aber meine Gastgeber sagen, man sieht sie kaum, die scheuen Tiere.

      Bei einer Wanderung am nächsten Tag, vorbei an einigen dieser Schilder, nach etwa zwei Stunden, entdecke ich plötzlich frische Puma-Spuren auf dem Weg. Ich bin überzeugt, dass es Puma-Spuren sind. Hier ist niemand, kurze Panik, ich kehre um, laufe schneller.

      Ich bin ja sonst nicht ängstlich, aber alleine unterwegs, so seinen Gedanken beim Laufen nachhängend, und ständig diese Warnschilder und wenn man dann diese Spuren sieht, da kann es einen schon mal unerwartet packen. Später muss ich drüber lachen, über meine Reaktion, weil Pumas wirklich sehr scheu sind und Janina kann sich nicht erinnern, dass hier jemals irgendjemand von einem Puma angegriffen wurde.

      Abends im Bett denke ich, wenn ich hier sterbe, ist das eigentlich in Ordnung. Ein Traum von Natur, den es auf dieser Welt immer weniger gibt, das wäre ein guter Ort.

      Ich mache mir oft Gedanken über den Ort, an dem ich gerne sterben möchte. In meiner Phantasie habe ich ihn auch schon gefunden. Mein Traum ist es, in einem Völkerkundemuseum zu sein, wenn es soweit ist. Ich habe das Bild, dass ich in einem Bett liege, inmitten von gedämpft beleuchteten Ritualgegenständen und Figuren, aus Kulturen ursprünglicher Völker. Ich habe im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln einmal so eine Ausstellung gesehen, da haben sie auf Sockeln Ritualfiguren aus verschiedenen Kulturen in einem Raum gezeigt. Diese Atmosphäre hat mir eine solche Geborgenheit und so ein Glücksgefühl beschert, dass ich dieses Bild nicht mehr loswerde. Da möchte ich sterben einmal. Das habe ich auch schon meinen Freunden erzählt, aber wahrscheinlich wäre so etwas in der Realität verboten.

      Warum


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