Schule – quo vadis?. Peter MaierЧитать онлайн книгу.
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Zwei Bücher zum Erwachsenwerden
Danksagung
Mein Dank gilt vor allem meiner „Compagna“ Valeria Groten, die mich in meinem Vorhaben bestärkt hat und mir bei der Entstehung des Buches vielfältig mit ihrem Rat beigestanden ist.
Mein Dank geht an David Sedlbauer für Entwurf und Gestaltung des Buchcovers, sowie der Grafiken im Text.
Dank gebührt auch Ludwig Aeckerle, der mir bei der Durchsicht des Manuskripts sehr behilflich war und wesentliche Korrekturarbeiten übernommen hat.
Dank sagen möchte ich den Kolleginnen und Kollegen, die mir sehr authentische Unterrichtssituationen erzählt und einer Veröffentlichung dieser ausdrücklich zugestimmt haben.
Ich danke epubli Berlin für die Möglichkeit, dieses Buch zu veröffentlichen.
Vorwort
Seit dem Pisa-Schock 2001 ist die Schullandschaft in Deutschland sehr in Bewegung geraten, besonders die gymnasiale. Es gibt viele kritische Stimmen, die dem alten G-9-Gymnasium nachtrauern und den gefühlten oder tatsächlichen Verlust der damit einhergehenden humanistischen Allgemeinbildung beklagen. Viele Eltern jammern zudem darüber, dass ihrer Erfahrung nach im neuen G-8-Turbo-Gymnasium, das in vielen Bundesländern nun die Regel ist, die Freizeit ihrer Kinder viel zu kurz komme. Sie meinen, dass eine fundierte Persönlichkeitsentwicklung während der Pubertät aufgrund der höheren Wochenstundenzahl entweder ganz blockiert oder zumindest merklich behindert würde. In solchen Argumenten mag ein Kern von Wahrheit stecken. Auf jeden Fall kommt die Bildungsdiskussion, die in der Bundesrepublik immer noch Ländersache ist, seither nicht mehr zur Ruhe.
Eine mögliche Kritik an der gegenwärtigen Bildungspolitik im Allgemeinen und an der „richtigen“ Form des Gymnasiums im Besonderen möchte ich bewusst anderen überlassen: etwa den Landeselternverbänden, die in vielen Bundesländern gegenwärtig mit den Kultusministerien um das „passende“ Gymnasium ringen; oder aber Kulturkritikern wie dem österreichischen Philosophen Konrad Paul Liessmann, der in seinem Buch „Geisterstunde – Die Praxis der Unbildung“ leidenschaftlich beißende Kritik an den gegenwärtigen Bildungsreformen übt und den Finger in die Wunde der Bildungspolitik überhaupt legt.1 Für eine gesellschaftliche Diskussion sind solche Stimmen wie die von Herrn Liessmann sicher nötig, um neue Ideen anzustoßen oder auf Fehlentwicklung hinzuweisen, auch wenn die Kritik da und dort überzogen erscheinen mag.
Bildung und Schulpolitik sind zu einem gesellschaftlichen Megathema geworden, an dem sich viele Gruppen, Verbände und Behörden beteiligen: Bildungspolitiker aller Parteien, Kultusbehörden, Bildungsinstitute, Elternverbände, Kulturkritiker und Soziologen. Fast nie aber kommen die eigentlich Betroffenen selbst zu Wort – die Schüler, um die es doch in erster Linie gehen sollte, und die Lehrer. Diese sind hauptsächlich damit beschäftigt, immer neue Vorgaben von oben in immer kürzeren Zeitabständen umzusetzen, die vielfältigen Erwartungen der Eltern nach erfolgreicher Wissensvermittlung und vor allem nach Erziehung zu erfüllen und sich im Schulalltag mit teilweise großen „Pubertätsklassen“ und bisweilen „wilden Kinderbanden“ zu behaupten und durchzusetzen. Daher meine ich, dass mein Buch einen wichtigen Beitrag zur gegenwärtigen Bildungsdiskussion leisten und eine Lücke schließen kann. Ich möchte endlich einmal Erfahrungen auch aus der Lehrerperspektive einbringen und Impulse und Anregungen aus Sicht eines praktizierenden Pädagogen geben, die vor allem auf die Schüler, ihre Situation und ihre Probleme ausgerichtet sein wollen.
Um über den Tellerrand des Schulalltags hinausschauen zu können, musste ich immer wieder die gängigen Pfade der Pädagogik verlassen. Ich wollte nicht als Fachidiot versauern oder gar in die Gefahr geraten, in ein Burn-out hineinzuschlittern. Zudem verspürte ich große Lust, auch andere Sichtweisen und neue Perspektiven kennenzulernen. Dazu musste ich zum Teil ganz individuelle, unkonventionelle und eigenwillige Wege beschreiten. Diese haben mich in meiner Tätigkeit als Pädagoge und als Autor sehr beflügelt und mit dazu beigetragen, nun ein Buch über die heutige Schule im Allgemeinen und über meine konkrete Arbeit als Lehrer im Besonderen zu schreiben.
Drei Zusatzausbildungen haben mir dazu verholfen, über Schule, Bildungssystem, Lehren und Lernen besser und vielleicht etwas kompetenter reflektieren zu können. Ich hoffe, dass Sie, lieber Leser, einige interessante Impulse, Anregungen und neue Sichtweisen über die „Schule von heute“ und über gegenwärtige Strömungen in der Bildungsdiskussion erhalten können. Wenn mir dies nur ansatzweise gelingen sollte, sind Sinn und Zweck dieses Buches bereits erfüllt.
Ich wurde bei der Abfassung meines Buches vor allem von zwei Überlegungen geleitet: Bei meiner Zusatzausbildung zum Initiations-Mentor, also zum Begleiter der Jugendlichen bei ihrem Prozess der Persönlichkeitsentwicklung hin zum Erwachsenwerden, wurde mir bewusst, dass genau bezüglich dieser fundamental wichtigen Thematik ein gesellschaftliches und daher auch bildungspolitisches Defizit besteht. Im Bildungskanon der einzelnen Bundesländer habe ich die Initiation selbst, das Erwachsenwerden unserer Schüler, nirgends explizit thematisiert finden können. Zum anderen ist dieses Buch von der Sorge motiviert, dass in dem ganzen momentanen und beständigen Reformprozess vor allem an den Gymnasien die eigentliche Pädagogik und damit eine adäquate Betreuung und menschliche Begleitung unserer Schüler in ihrem Pubertätsprozess immer mehr auf der Strecke bleibt oder ganz unter die Räder kommt.
Dies darf nie passieren! Die Jugendlichen, ihre Persönlichkeitsentwicklung und ihr Wohlergehen müssen immer im Zentrum jeder Reform bei Bildung oder Schulstruktur stehen. Deshalb möchte schon der Titel des Buches „Schule – quo vadis?“ den Finger in genau diese Wunde legen. Und daher wurde auch mit Absicht der Untertitel „Plädoyer für eine Pädagogik des Herzens“ gewählt. Der Bildungskanon verfolgt immer zwei Ziele: die Wissensvermittlung und die Persönlichkeitsbildung. Über das erste Ziel gibt es viele wissenschaftliche Untersuchungen und Diskussionen von Fachleuten. Man glaubt, dieses Ziel steuern und kontrollieren zu können. Vielleicht.
Mein Buch hingegen möchte sich vor allem dem zweiten Ziel, der Persönlichkeitsentwicklung, Charakterbildung und Werteerziehung der Schüler, widmen, weil gerade dieses in der gegenwärtigen aufgeregten Bildungsdiskussion immer mehr ins Hintertreffen zu geraten scheint. Dieses zweite Bildungsziel, das sich mit der Realität von Jugendlichen in der Pubertät beschäftigen will, kann nicht so einfach „gemessen“, überprüft und gesteuert werden. Es ist aber deshalb nicht weniger wichtig als die eigentliche Wissensvermittlung. Und beide Ziele – Wissensvermittlung und Persönlichkeitsentwicklung – gehören untrennbar zusammen.
Die Slogans „Erziehung durch Beziehung“, „Initiation als Schlüssel der Pädagogik“ und „Auf den Lehrer kommt es an“ sind es wert, näher betrachtet und untersucht zu werden. Das vorliegende Buch stellt sich die Aufgabe, zumindest punktuell einzufangen, worin denn eine „Pädagogik des Herzens“ bestehen könnte, nach der alle Sehnsucht haben, die aber eben nicht künstlich erzeugt oder autoritativ von oben her verordnet werden kann und die wohl in der Praxis von Schule und Unterricht so oft nicht gelebt und erlebt wird. Vielleicht bin ich ein unverbesserlicher Idealist, der auch nach 34 Jahren als Lehrer am Gymnasium noch immer an die Möglichkeit und an die tägliche Realisierung einer solchen „Pädagogik des Herzens“ glaubt – zumindest im Klassenzimmer.
Nach einer Einleitung soll in Kapitel 1 zunächst auf einige Aspekte der aktuellen Bildungsdiskussion eingegangen werden. In Kapitel 2, das autobiographisch ausgerichtet ist, möchte ich meinen persönlichen Werdegang als Lehrer schildern und anhand einiger exemplarisch ausgewählter Situationen verdeutlichen, worauf es im Unterricht wirklich ankommt.
In Kapitel 3 wird schließlich der Initiations-Gedanke, also der Prozess der Persönlichkeitsentwicklung unserer Schüler von der Pubertät bis hin zum